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Schönes Salzburg

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Nähern wir uns der Plane, so sehen wir aus weiter Ferne die beiden Stadtberge sich höflich erheben, deren einen das Kleinod von Salzburg krönt. Die Stadt selbst mag wie ein kostbares Schachspiel erscheinen, mit ihren ziselierten und gleichsam geschnitzten Türmen, Aufbauten, Springern und Läufern. Der Dom dominiert darin mit ei- nem freudigen Weiß, die Kirche der Universitas erinnert an flockige Magnolienblüten. Sie ist ein könig- liches Spiel, diese fürstliche Stadt am Ufer einer jetzt grau-grünen Salzach.

Ein Blick vom schmalen Steg am untern Lauf orientiert: Am linken Ufer drängt sich das sichtlich Sou- veräne; am rechten herrscht mehr 19. Jahrhundert. Ein Gruß nach drüben scheint den Bogen zu span- nen: Inmitten des Geklüngels fi- gürlicher Sakralverkörperungen sticht dort eine gotisierte Nadel schmerzlich in die Luft, ohne eine Ahnung von der Herrlichkeit ein- zuräumen, die das Kircheninnere unter ihr birgt. Der altdeutsche Aufputz der Franziskanerkirche ist von eben jenem Baumeister nach- erfunden, der auch den Ziegelbau der Andräkirche herüben einst zu verantworten hatte. Die Stadtväter müssen um das Jahrhundertende nicht glücklich mit der Wahl ihrer Bauleute gewesen sein: Sie waren eben keine andern, als jene Land- stände, die von den herrschenden Fürsten zwar immer Freiheiten ertrotzten, sie aber niemals zu nut- zen gewußt haben. Noch im Drei- ßigjährigen Krieg wollten sie den Sold für das schützende Heer er- sparen und lieber die Eventualität einer Vernichtung durch Feinde auf sich nehmen.

Salzburg, das alte, taucht seine Finger in die Zeiten vor Christi Leben ein, man findet die bunte Spur des frohen Heidentums in Mosaiken. Nach einem langen Ver- fall wurde es geistliches Gebiet, bald aber Zentrale eines Fürstentums, dessen Souveräne nun zwischen Papst und Kaiser lavieren mußten. Als nach einem halben Jahrtausend der Kampf schon historisch gewor- den war, mußten die Herren von Salzburg mit ihren Untertanen um die Feudalität ringen. Nachdem unter blutigen Opfern die Einigung erzielt worden war, kam die Säku- larisierung durch den österreichi- schen Staat.

Inmitten aller Diskrepanzen er- blühte eine unglaubliche Stadt. Die viel bekämpften geistlichen Wür- denträger fanden zwischendurch Frieden genug, um aus dem örtli- chen Stein und weltweitem Geist einen herrlichen Komplex zu schaf- fen. DerWegüber dieBierjodelgas- se jetzt wird uns sanft emporfüh- ren. Wir überschreiten zuerst den sandgelben Domplatz, wandern durch des Bischofs Guidobald süd- ländische Arkaden und erreichen eine enge Gasse, die den Festungs- berg umgürtet.

Unser schmales Sträßchen schmiegt sich eng an den Felsen an, es ist, einem Burggarten gleich, mit anheimelnder Trutzigkeit heraus- gehauen. Jäh steigt der Fels über ihm auf, nicht ohne, daß in das schroffe Gemäuer da und dort ein frommes Inbild eingelassen wäre, eine mittelalterliche Jahreszahl gehört zu werden verlangte. Dar- über hängt die malvenfarbene Ein- öde des Schlosses. Zur Linken fällt der Blick in hohle Höfe ab, manch- mal hängt da ein Gärtchen mit bunt wehender Wäsche, oder ein verlo- rener Liegestuhl klagt seine Besit- zer der Schlamperei an, - der lie- benswerten, der großzügigen, der städtischen. Die steinernen Zeugen reden.

Ja, in der Tat, ein Meer von Stein, in Grau und Braun, scheint seine trüben Wellen weit ins Land zu ergießen, den Hügeln zu, die loth- ringisch sanft ergrünen, an tintige Wälder hin. Sieh, auf einem Berg- kamm schwimmt dort ein goldenes Krönlein: Die Kirche von Maria Piain.

Plätze weiten sich zu unsern Füßen. In kostbarer Schale liegt eine große Träne gefaßt; in ihr er- tranken die vom Feuertod begna- digten Hexen. Die orphischen Frau- en horchten treu in sich hinein und überhörten das gefährliche Schnau- fen der Welt. Tief unten das Dach eines den Grafen von Thiena ge- weihten Klosters, der später die Ehre hatte, der heilige Kajetan zu heißen. Formell und ledern steht ihm das Gerichtsgebäude gegen- über.

Ein kleines Tor sperrt unsern kurzen Weg nun an der Kehre des Berges; es müßte rechtens Himmels- pforte heißen: denn, wie den Wan- derer eben noch ein städtisch-irdi- scher Anblick entzückt, so fällt hier himmlische Landschaft über ihn her: das Gebirge. Unter tönendem Blau schneeiges Gleißen, welches aus maiengrünen Wiesen auf- schießt. Wie in Ohnmacht sind wir aus der Gegenwart der Stadt plötz- lich weg - entrückt. Blick in ein besseres Jenseits. Aber nein! Sehen wir doch noch einmal zurück; ist nicht die Stadt da hinten auf ihre Weise ohne Vergleich, von flam- mender Schönheit?

Im herrlichen Wogen erschließt sich das Alte, ein Blitzen von Kreuzen, Firsten, von sonnigem Blech und gemasertem Holz zuckt musikalisch darüber hin, flim- mernd, schillernd, schmalhüftig, fragil und von der Unabsehbarkeit des Begriffes „Stadt" erfüllt, die immer schon ein Gegensatz zum gestillten Land gewesen ist; ein neu- ralgisches Zentrum geistiger Wer- te. Mit welchem Schwung ist die Schleife des Flusses ins Häuserge- tümmel geworfen, mit welcher Grazie wachsen die schlanken Bauten aus dem Boden, mit wel- cher Gestandenheit wieder die fe- sten Bollwerke alter Zeit, wie tan- zen auf den Balustraden der Stadt hoch oben rokokohafte Figuren!

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