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Schon in einigen Jahren verläßlicher?

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Seit es Menschen gibt, waren sie immer daran interessiert, bereits heute etwas über die ungewisse Zukunft zu erfahren. Prognosen im allgemeinen Sinn haben daher eine lange Geschichte. Wirtschaftsprognosen erlangten erst mit der Verbreitung kapitalistischer Wirtschaftsformen und den damit zusammenhängenden individuellen Entscheidungsmöglichkeiten eine größere Bedeutung. Hier dominierten lange Zeit Prognosen für einzelne Preise, Märkte oder Wertpapierkurse. Prognosen der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes waren erst mit der statistischen Erfassung globaler Indikatoren (wie Preisindizes oder der einzelnen Komponenten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung) möglich. Eine echte Nachfrage für solche Prognosen entstand aber erst, seit dem Staat die Verantwortung für eine volkswirtschaftliche Globalsteuerung übertragen wurde.

Die dafür notwendigen makroökonomischen Grundlagen wurden im wesentlichen von J-MKeynes in den dreißiger Jahren konzipiert und von den wirtschaftspolitischen Instanzen in den Industriestaaten mit kapitalistischer Wirtschaftsordnung lange Zeit exekutiert War der Beginn der globalen Wirtschaftspo-htiknochdavongeprägt, nach wirksamen Mitteln für die Überwindung einer bereits ausgebrochenen Krise zu suchen, entstand bald das Bedürfnis, derartige Störungen bereits zu eliminieren, bevor sie noch zu große Ausmaße annehmen konnten Daraus entstand einBedürfnis nach Prognosen der wichtigsten gesamtwirtschaftlichen Indikatoren, die gleichzeitig für die Zielsetzungen der Wirtschaftspolitik von Bedeutung waren

Modellprognosen haben eine noch jüngere Geschichte, weil sie erst mit der Verfügbarkeit längerer konsistenter Zeitreihen und leistungsfähiger Datenverarbeitungsanlagen möglich wurden Die Modellprognosen des Instituts für Höhere Studien in Wien (IHS-Modell) werden seit Dezember 1973 vierteljährlich durchgeführt Der Prognosehorizont reicht üblicherweise bis zum Ende des folgenden Jahres. Jeweils im Dezember wird eine mittelfristige Prognose für die nächsten fünf Jahre erarbeitet

Modellprognosen entstehen in mehreren Stufen Zunächst wird ein Modell der jeweiligen Wirtschaft benötigt. Dieses besteht aus einer Sammlung von systematischen Zusammenhängen zwischen wirtschaftlichen Zeitreihen. Die Konzeption eines Modells folgt dabei üblicherweise den a- priori-Vorstel-lungen der ökonomischen Theorie. Das IHS-Modell könnte man als eine für eine kleine, offene Wirtschaft modifizierte Version der neoklassi-Bchen Synthese (ISLM-Modell mit Arbeitsmarktungleichgewichten) bezeichnen Als zweites müssen die unbekannten Parameter des Modells (etwa: Reaktion der Konsumenten auf mehr Einkommen, Überwälzung ausländischer Preise auf heimische Preise und Löhne) geschätzt werden

Die Beschränkung auf der Datenseite (zu wenige miteinander vergleichbare Beobachtungen) und die Entwicklung der Ökonometrie (zu restriktive Anforderungen für „optimale“ Schätzer) verhindern meist die Realisierung der bestmöglichen Schätzmethoden Die Parameter des Institutsmodelles wurden daher auch mit verschiedenen mehr oderwenigerzweckmäßigenMetho-den geschätzt Als dritte und letzte Stufe müssen Informationen über den Verlauf der exogenen (nicht durch das Modell selbst bestimmten) Variablen während des Prognosezeitraumes eingeholt werden

Exogene Variable tauchen im IHS-Modell vor allem an zwei Stellen auf, nämlich im Außenwirtschaftsteil und im öffentlichen Sektor. Exporte und Importpreise werden aufgrund von Informationen, die von internationalen Organsiationen (OECD, IWF und Weltbank) sowie von weltweit tätigen Prognosegruppen (LINK unter der Leitung des Nobelpreisträgers Lawrence R. Klein) erstellt. Die Ausgabenseite der öffentlichen Hand wird im wesentlichen mit den zur Verfügung stehenden Budgetvoranschlägen und der mittelfristigen Büdgetvor-schau fortgeschrieben. Die vierte (und eigentlich letzte) Stufe der Prognoseerstellung besteht dann in der Lösung des Modells.

Das IHS-Modell ist nichtlinear und wird mit Hilfe der vom Institut selbst entwickelten und auch weltweit verkauften IAS-Software gelöst Leider werden auf jeder dieser Stufen vermeidbare und nicht vermeidbare Fehler gemacht Alle Prognostiker wissen das und daher gibt es noch eine fünfte Stufe bei der Erstellung der Modellprognosen, die vornehm mit „residual adjustment“ umschrieben wird. Darunter ist eine nachträgliche Änderung „unplausibler“ Ergebnisse zu verstehen

Derartige Eingriffe werden im IHS-Modell vor allem bei den Prognosen für das laufende J ahr vorgenommen wenn bereits vorläufige Ergebnisse der vierteljährlichen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung vorliegen.

Am IHS wurden in der letzten Zeit einige Evaluationen der vergangenen Modellprognosen durchgeführt Die Ergebnisse dieser Untersuchungen liefern ein gemischtes Bild. Während Arbeitsmarkt-und Preisprognosen relativ treffsicher erstellt werden können, muß für die realen Indikatoren wie Wachstum, Investitionen und Exporte eine schlechte Prognosequalität konstatiert werden Wir führen dies vor allem auf die mangelhafte Verwertung kurzfristig verfügbarer, aber nicht in das Modell integrierter Informationen (wie Monatsdaten), ungenügende Auswertungen der Informationen über den Verlauf der Weltwirtschaft und eine modellinhärente Fehlspezifikation von Angebots- und Nachfrageschocks zurück. Zur Zeit wird an einer systematischen Elimination dieser Fehlerquellen gearbeitet, eine entsprechende Evaluation sollte in einigen Jahren bessere Ergebnisse liefern

Der Autor leitet die Abteilung für Ökonomie am Institut für Höhere Studien in Wien.

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