6807746-1972_17_06.jpg
Digital In Arbeit

Schon Wahlkampfhektik

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn man auf der Bundesstraße 16 von Wien bei Wimpassing die Leitha überquert und sich der Ortschaft Hornstein nähert, entdeckt der Burgenlandbesucher auf einer zweiten Ortstafel die schwarze Aufschrift „Veristan“ — kroatisches Wort für Hornstein. Was in Kärnten derzeit heftiger Streit zwischen Landeschef Sima und slowenischen Minderheiten ist, gibt es im Burgenland schon seit geraumer Zeit. Burgenlands Kroaten sind eine kleine, aber potente Minderheit — sie stellte sogar einmal den Landeshauptmann, der geistliche Landesfürst, Bischof Stephan Läszlö, ist Kroate, hohe und höchste Ämter in Verwaltung und Kultur sind in Händen von Kroaten. Ohne Zweifel ist die in Österreichs südlichstem Bundesland virulente Minderheitenfrage im östlichsten Bundesland von weit geringerer Bedeutung, wenngleich in letzter Zeit mehrmals Schmieraktionen am Neubau des ORF in Eisenstadt bekannt wurden. Die Mehrheit der Kroaten des Burgenlandes ist mit ihrer Integration vollauf zufrieden, niemand studiert, so eifrig Deutsch in Burgenlands Schulen wie die Kroatenkinder und allgemein wird gerade ihnen besonderer Fleiß nachgesagt. Trotz ihrer nahtlosen Eingliederung in Burgenlands mehrheitlich deutschsprachige Bevölkerung pflegen sie ein reiches und buntes Brauchtum, erinnern sie mit Tamburizzaspiel und schwermütigen bis jauchzend-übermütigen Liedern und Gesängen gern und oft — am liebsten unter TV-Beobachtung — an ihre Herkunft aus den Küstenstrichen des heutigen Jugoslawien.

Soronics' Comeback

Politisch hingegen steht das Burgenland vor einer massiven Konfrontation zwischen den regierenden Sozialisten und der Volkspartei unter ihrem neuen Landesobmann, Exminister Franz Soronics. Manche Anzeichen sprechen dafür, daß der geschickte Lehrer, Landeshauptmann Kery, die für März 1973 heranstehenden Landtagswahlen in den Herbst des heurigen Jahres vorverlegen will. Einerseits kann man hinter der Hand vernehmen, daß die Landes-SPÖ die Preissteigerungen im Gefolge der Mehrwertsteuer als bundespolitische „Einmischung“ am liebsten eliminieren möchte, anderseits hat die Aktivität „El Zorros“, wie Franz Soronics bisweilen genannt wird, die SPÖ doch etwas nervös werden lassen. Ohne Zweifel hat das mehr als zweijährige Gerangel innerhalb der Volkspartei um die Heimkehr des nur ungern Innenminister gewordenen Soronics ins Burgenland der angeschlagenen Partei noch weiter geschadet. Um so mehr, als Soronics tatsächlich lediglich im ÖAAB eine echte Basis hat, während der Bauernbund weiterhin hinter Obmann Polster steht und der Wirtschaftsbund in den festen Händen von Präsident Graf ist. wenngieicn aie Aussiraniung aes ÖVP-Kandidaten für die Landtagswahl — von kaum jemand bestritten — hinter der des Landeshauptmannes klar zurücksteht, gibt es in bur-genländischen ÖVP-Kreisen einen erstaunlichen Optimismus festzustellen: Soronics, so meint man, hat die nächste Wahl noch lange nicht verloren; ja allgemein wird mit einer positiven Überraschung gerechnet. Miteinbezogen in eine solche Möglichkeit wird der Schwung des burgenländischen ÖAAB, der sich langsam, aber sicher zum Dominator der Partei herausentwickelt. Eine Reihe junger Leute, wie der Landtagsabgeordnete Dr. Karall, der frühere ÖJB-Führer Titz oder der Mattersburger Richter Dr. Sauerzopf traten in den letzten Jahren stärker in den Vordergrund und tragen viel zu einer Imageverbesserung des als „Lehrerbund“ verpönten ÖAAB bei.

Auch der CV

Zu einem Wahlkampfthema dürfte sich freilich nun doch auch die vielumstrittene Brücke über den Neu-siedlersee entwickeln. Von den Bur-genlandsozialisten in den früheren fünfziger Jahren noch als „Damm-hirsch“-Aktivität der ÖVP diffamiert, kam unter Kery der große Gesinnungwandel, der jedoch keine einheitliche Linie aufweist. Der Landesvater war sich der Popularität der Aktion durchaus bewußt und Burgenlands Landtag war im Vorjahr einstimmig für die Verwendung des 15-Millionen-Jubiläumsge-schenks der Regierung zum 50jähri-gen Geburtstag als Startgeld für den Brückenbau. Auch im neuen Bundesstraßengesetz des Jahres 1971 findet sich die Brücke eingeplant. Der Aufschrei nichtburgenländischer Naturschützer und sonstiger Experten strapazierte jedoch zeitweilig die guten Nerven des Landeshauptmanns. Derzeit sind ausländische Gutachter dabei, den Landespoliti-kem, die eine klare Mehrheit von

Burgenländern für die Brücke hinter sich wissen, die nötigen Argumente zurechtzuzimmern. Wie die Dinge laufen, wird sich 1972 um die Seebrücke kaum Neues ergeben. Sobald jedoch die Gutachten auf dem Tisch liegen, wird es zweifellos zu hektischen Auseinandersetzungen kommen. Die burgenländische CV-Stu-dentenverbindung „Austro-Peiso-nia“ schaltete sich jüngst mit einem durchaus ernstzunehmenden Vorschlag in die emotionsgeladene Diskussion ein: Nicht die Gutachter, meinen die neuerwachten Burgen-land-CVer, sondern die Burgenländer selbst sollten in direkter Demokratie über den Bau entscheiden.

Ein weiteres Wahlkampfthema könnten allerdings wieder einmal Burgenlands Wanderarbeiter sein. Derzeit pilgern Woche für Woche, manche sogar Tag für Tag, rund 35.000 Söhne und Väter Burgenlands nach Wien, Wr. Neustadt oder Graz. Diese (vorwiegend Beschäftigte im Bau- und Baunebengewerbe) sind in ihrer Zahl auch politisch von eminenter Bedeutung, machen sie doch rund ein Fünftel der Wahlberechtigten aus. Noch im Wahlkampf 1964 hagelte es heftige Beschwerden der Landessozialisten an den damals stärkeren Regierungspartner ÖVP wegen der Pendler. Arbeitsplätze im Land wurden für die damals rund 10.000 Pendler gefordert, worauf zwischen 1966 und 1970 eine Indu-strieansiedlungswelle durch das Land ging — das Pendlerproblem jedoch weiter erhalten blieb. Burgenländer fahren weiter — vor allem wegen der höheren Stundenlöhne und des Sozialprestiges nach Wien. Heute sind es daher die Sozialisten, die am liebsten das „Pendlerproblem“ vergessen lassen möchten. Doch dürfte ihnen dies die Volkspartei nicht allzu leicht machen

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung