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Schon zehn neue Atom-Mächte?

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Also, wenn ich mir so vorstelle, daß ich ein Ölscheich wäre, dann müßte ich mich jetzt auf der Stelle hinsetzen und der UNO einen Brief schreiben; einen geharnischten Brief mit der bitteren Beschwerde gegen die massiven und nicht mehr enden wollenden Verleumdungen, die da über mich seit geraumer Zeit schon in Umlauf gesetzt werden.

Liebe UNO, würde ich schreiben, während ich die Linke unter meinem Burnus balle, liebe UNO! Alles, was recht ist, aber nun geht mir die Sache doch allmählich über den Turban. Da wird es mir nach jahrzehntelanger, mit islamischer Gleichgültigkeit ertragener Melkung endlich zu dumm, mein öl für einen Pappenstiel abzugeben, und schon fällt die ganze Welt über mich her, schimpft mich einen schäbigen Erpresser und droht mit Raub und Totschlag. Dabei sind mir als dem Eigentümer des fetten Saftes bislang nicht mehr als 7 Prozent jenes Betrages geblieben, den der Endverbraucher dafür zahlen muß. Den anderen aber, die da so fleißig melken und bis zu 70 Prozent kassieren, denen hat noch kein Mensch mit dem Umbringen gedroht. Da soll unsereinem nicht der letzte Gallenrest hochkommen, beim dreimal verfluchten Scheitan!

Allah überhöre gnädig diese Entgleisung und lasse mich zum eigentlichen Grund meines heiligen Zorns zurückkehren! Ich fühle es nämlich von Tag zu Tag mehr, wie mich der Lebensmut verläßt, weil mich diese Verleumdungen nervlich aufreiben. Da haben sich doch die profltgieri-gen Ungläubigen zusammengetan und einen ganz teuflischen Plan ausgeheckt, um mich in allen vier Windrichtungen in totalen Verruf zu bringen: Bei jeder Preiserhöhung heucheln sie Bedauern und schieben die Schuld daran mir in die Sandalen, und weil das jedermann frißt, nützen sie die günstige Morgenluft und inflationieren lustig drauf los und streichen sich lachend den Gewinn in die Taschen. Alles auf Kosten meines Images! Ist das etwa nicht zum Aufjaulen? Aber das sage ich Dir, liebe UNO: Wenn sie jetzt auch noch die Hundesteuer hinaufsetzen und behaupten, mein öl sei daran schuld, dann — Allah verzeihe mir das schmähliche Ende! — häng' ich mich auf.

Der heikelste Traktandenpunkt der Genfer Nahostverhandlungen wird die Existenz von Atombomben in Ägypten oder in Israel und das Verbot der Verwendung oder Erzeugung von Nuklearwaffen werden. In höchsten UNO-Gremien ist man der Ansicht, daß das beste Instrument hiefür ein Pakt, ähnlich dem „Vertrag von Tlatelolco“ (Mexiko) wäre, welcher Lateinamerika zur atomwaffenfreien Zone erklärt. Dieser Vertrag, der einzigartig in der Welt war, wird bald von Frankreich und der Chinesischen Volksrepublik ratifiziert werden. Großbritannien und die USA haben das bereits getan. Nur ein Mitglied des „Nuklearklubs“ — die Sowjetunion — tat es nicht. In Lateinamerika hat nur Kuba seinen Beitritt verweigert, wofür die UdSSR von Peking wiederholt angegriffen und bezichtigt wurde, Havanna in der Hoffnung bestärkt zu haben, sowjetische Nuklearwaffen einführen zu können.

Von der dramatischen Vision des Auftauchens von Atomwaffen in Ägypten oder in Israel sind viele UN-Beobachter beunruhigt, weil sie wissen, daß beide Länder bald in der Lage sein werden, eigene Nuklearwaffen zu fabrizieren. Kürzlich hat einer der einflußreichsten Journalisten der Welt, Mohamed Hassan ein Haikai, zugegeben, Kairo habe versucht, Nuklearbomben zu erhalten. Er sagte nebenbei, daß Israel bereits Atomwaffen besitze oder imstande sei, in einem halben Jahr Atombomben zu produzieren. Haikai gab dabei zu, daß Ägypten schon dreimal versucht habe, Atomwaffen zu importieren, einmal auch von den Chinesen, jedoch immer ohne Erfolg.

Haikais Blatt „AI Ahram“ (Die Pyramide) ersaheint täglich in 200.000 Exemplaren, gehört zu den „Elitezeitungen“ und wird als „,New York Times' der arabischen Welt“ apostrophiert. Laut Professor John C. Merrill ist „AI Ahram“ eine der einflußreichsten Zeitungen der Welt. Haikai war ein intimer Freund des Präsidenten Nasser und ist derzeit einer der Hauptratgeber Sadats.

Entsprechend den UNO-Resolutio-nen wurde die „UNO-Notstreit-macht“ aufgestellt, populär nur „Waldheim-Armee“ genannt, die 7000 Offziere und Soldaten umfassen soll. Die Stärke dieser UNEF-Formationen erreichte zu Beginn des Jahres 1974 5000 Mann, wobei die Kanadier mit 1037 Mann das stärkste Kontingent bilden; ihnen folgen Schweden mit 625 Mann, Finnland mit 620, Österreich mit 566 und Indonesien, Panama, Peru, Irland und Polen mit je einer Nachschubeinheit. Jedenfalls verfügt Generalleutnant Ensio Siilasvuo schon über eine ansehnliche Truppe. Zahlreiche UNO-Delegierte vertreten derzeit den Standpunkt, daß diese UNEF-Truppe nur auf Grund einer neuen Sicherheitsrats-Resolution wieder abgezogen werden dürfte.

Der inoffizielle Sprecher der Kairoer Regierung, Chefredakteur Haikai, forderte inzwischen die Kontrolle des israelischen Nuklearforschungszentrums, das sich in der Negev-Wüste befindet, und meinte, daß die Araber „irgendwo in den arabischen Wüsten“ ebenfalls ein Nuklearforschungszentrum mit arabischen Wissenschaftlern etablieren müßten.

Anfang November meldete das amerikanische Magazin „Aviation Week“, daß die Sowjets während des Oktoberkrieges „Scud“-Nuklear-raketen nach Ägypten gebracht hätten. Die Ägypter leugneten das ab. Später meldete die „Washington Post“, daß die Russen „unbestätigten Berichten zufolge ungefähr 20 solcher Raketen nach Ägypten versandt hätten“. Im selben Artikel der „Washington Post“ stand trotz israelischer Dementis zu lesen, daß Israel atomare „Jericho-Raketen“ entwik-kelt und erzeugt habe, deren Aktionsradius 450 km betragen soll.

Versierte Atomforscher warnen vor Illusionen und weisen darauf hin, daß außer den bekannten Mitgliedern des internationalen „Atomklubs“ noch weitere zehn Länder derzeit in der Lage seien, Nuklearwaffen zu produzieren, so Japan, die Bundesrepublik Deutschland, Israel, Schweden, Ostdeutschland, Ägypten, Indonesien und zwei südamerikanische Länder: Brasilien und Argentinien. Die beiden südamerikanischen Giganten haben allerdings immer betont, daß sie ihr Recht auf Nuklearforschung und auf Testexplosionen im pazifischen Raum nicht aufgeben wollen und können.

Im kommenden März wird die UNO an den Jahrestag des Atomsperrvertrages erinnern. Es ist sogar eine UNO-Konferenz zwecks Erneuerung und Bekräftigung der Privilegien der atomaren Supermächte geplant. Die in Genf permanent tagende Abrüstungskonferenz soll ebenfalls in den Dienst des Atommonopols der Großen gestellt werden.

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