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Schreckliche Bilanz

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(Theater in der Josefstadt, Wien; „John Gabriel Borkman" von Henrik Ibsen) Am Ende ihres Lebens ziehen drei Menschen Bilanz und registrieren, jeder auf seine Weise, ihr Scheitern. John Gabriel ist noch am besten dran: Er darf wenigstens sterben und hat bis zuletzt an einen neuen Anfang geglaubt. Am ärmsten ist Ella, die er geliebt hat: Ihr bleibt kein Rest von Lebenslüge.

Man kann dieses tieftraurige, illusionslose Stück von verratener, verkaufter Liebe, von erfrorenen Hoffnungen, vom in jahrelangem beziehungslosem Nebeneinander mumifizierten Haß auch autobiographisch verstehen — man muß es. Aber wenn es wirklich Ibsens Gerichtstag über sich selbst ist, trifft die Anklage früher oder später jeden: In jeder Lebensbilanz steht, ausgewiesen oder verborgen, das nicht mehr glattzustellende Soll, die Liste von Versäumnissen, Verrat und Selbstbetrug.

Ibsen zeigt das Scheitern der drei Menschen als Folge von Borkmans Machtbesessenheit und einer mit fünf Gefängnisjahren gesühnten Fehlhandlung. So überläßt er es dem Zuschauer, die eigentliche Botschaft des Stückes vom Gewicht der Versäumnisse am Ende eines Lebens auf sich zu beziehen oder nicht.

Neben den mit Vilma Degischer und Susanne Almassy hervorragend besetzten zwei großen Frauenrollen des Stückes wirkt Erik Frey als John Gabriel Borkman vor allem am Ende larmoyant, die von Paul Hof f mann inszenierte Aufführung verliert nach der Pause einiges von ihrer Spannung, bleibt aber sehenswert, wird Ibsen im wesentlichen gerecht.

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