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Auf einer offenen, anonymen Postkarte bekam Heinrich Fries vor kurzem zu lesen: „Der Fries ist immer bei den Verderbem der heiligen katholischen Kirche. Sein Freund Karl Rahner, der Kirchenbastler, wurde schon zur Rechenschaft geholt. Herr, befreie uns von diesen hochmütigen Theologen. Weh euch, ihr Schriftgelehrten. Es lebe der Papst." Im weiteren wurde Fries ein baldiger Tod gewünscht, damit die Kirche und der Papst vor solchen Theologen Ruhe haben.

Heinrich Fries lebt noch immer und wird am 31. Dezember 1991 achtzig Jahre alt.

Fragt man sich, wo die vielfältigen Bemühungen der Theologie von Heinrich Fries ihre Mitte haben, so ist eindeutig, daß (sich) die konvergierenden Linien seiner fundamentaltheologischen Lehrtätigkeit, seiner ökumenischen Forschung, seiner Beratung forschender Schüler, seiner Vortragstätigkeit in der Erwachsenenbildung und seiner unermüdlichen schriftstellerischen Arbeit, aber auch seiner praktischen Pastoral in der „Gemeindearbeit" in den Dienst am Geheimnis Gottes münden. „Ich bin nicht Priester geworden, um Bücher zu schreiben, sondern um ein bescheidener Diener und Vermittler des Evangeliums zu sein für die gläubigen Menschen, aber auch für die Fragenden und Suchenden, die Zweifelnden und Bekümmerten" schreibt er einmal.

Theologie als Dienst für Gott und als Dienst am Menschen, diese fundamentale Auffassung von Leben und Arbeit eines Theologen ist auch aus vielen seiner Buchtitel direkt ablesbar. Weil Gott den ganzen Menschen umfassend mit all seinen Kräften und

Möglichkeiten angenommen und in der Inkarnation aufgenommen habe, deshalb sei nichts von der Menschheit und Menschlichkeit ausgeschlossen, außer der Sünde. Der Christ solle und dürfe der umfassende, durch keine ideologischen Vorbehalte eingeschränkte Entwurf des Menschseins sein, der menschliche Mensch. Eine Kirche, die dies vertreten wolle, habe deshalb Anwaltsfunktion für den Menschen unter den Menschen.

In dieser Forderung ihrer Glaubwürdigkeit liege das Postulat der Einheit der Christen ebenso begründet wie das der Dialogfähigkeit, der Offenheit für die Armen und Rücksicht auf die Schwachen. Kirche als Gespräch und das Gespräch der Kirche mit allen Richtungen des Den-

kens und des Glaubens in der Welt, die Vielfalt der Auseinandersetzungsmöglichkeiten untereinander: das alles hat Heinrich Fries nie Angst gemacht vor dem Verlust der Mitte. In all dem hat er nie die Konturen der Wahrheit aus dem Auge verloren. Vielmehr ging es ihm nach den Worten John Henry Newmans so, daß er aus der Kraft der Auseinandersetzung des christlichen Glaubens mit den vielen Weltanschauungen die Kraft dieses Glaubens in Erfahrung bringen konnte.

In der Person von Heinrich Fries, so schreibt sein protestantischer Kollege Wolfhart Pannenberg, haben die Protestanten eine katholische Weite ohne konfessionelle Ängstlichkeit gefunden, verbunden mit einer festen Konzentration auf das Zentrum des christlichen Glaubens. Die Verbindung von Offenheit und Treue zu dem einen Herrn aller Christen und ekklesialer Loyalität hat Heinrich Fries unter den Ökumenikern zu einer wegweisenden Gestalt werden lassen.

Als Fries zusammen mit Rahner seine These zur „Einigung der Christenheit - reale Möglichkeit" veröffentlichte, erhielt er vom Osservatore Romano plumpe Zurechtweisungen. Das hat den Erfahrenen geschmerzt, aber nicht umgeworfen. Auch auf seine alten Tage läßt er nicht nach, den Skandal der Trennung überwinden zu helfen. Durch ihn sei „Katho-lizität liebenswert" geworden, sagte kürzlich Wolfhart Pannenberg.

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