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Die Reaganomics brachten den USA das stärkste Wachstum seit langem. Die Erfolge, Probleme und Auswirkungen auf Österreich analysiert Botschafter Thomas Klestil.

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Die Reaganomics brachten den USA das stärkste Wachstum seit langem. Die Erfolge, Probleme und Auswirkungen auf Österreich analysiert Botschafter Thomas Klestil.

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Präsident Reagan hat sein Amt 1981 mit wirtschaftspolitischen Vorstellungen angetreten, die vier große Ziele umfaßten:

• Reduzierung des Wachstums staatlicher Ausgaben;

• Verminderung der Steuerbelastung der Bevölkerung und der Wirtschaft;

• Beseitigung wirtschaftshemmender Vorschriften (Deregulierung);

0 Inflationsbekämpfung mittels restriktiver Geldpolitik.

Zahlreiche Wirtschaftsfachleute waren von der Durchführbarkeit dieser Vorstellungen zunächst nicht überzeugt. Erst mit den Erfolgen setzte ein Umdenken ein.

Besonders wichtig ist dabei der grundlegende Wandel im psychologischen Klima der USA. Der Slogan „Amerika ist wieder Nr. 1” ist der Ausdruck dieses wiedergewonnenen Selbstvertrauens.

Zu den zahlenmäßigen Erfolgen zählen vor allem die Senkung der Inflationsrate von nahezu 14 auf rund vier Prozent, die Schaffung von sieben Millionen Arbeitsplätzen, ein Wirtschaftswachstum, das 1984 über sechs Prozent betrug, und die Drosselung des Zuwachses der staatlichen Ausgaben von jährlich 18 auf rund sechs Prozent.

Die in der ersten Amtsperiode der Reagan-Administration erfolgte Senkung der Einkommenssteuer um 23 Prozent und des Höchststeuersatzes von 70 auf 50 Prozent, die vorzeitigen Ab--Schreibungsmöglichkeiten sowie die erweiterten Steuerkredite für Investitionen haben — verbunden mit der gleichzeitigen Erhöhung der Verteidigungsausgaben — sicherlich in beträchtlichem Ausmaße zum hohen Wachstum in den letzten beiden Jahren beigetragen.

Den größten Erfolg erzielte Ronald Reagan ohne Zweifel bei der Bekämpfung der Inflation. Seit 1981 wurde eine Politik der Einschränkung des Geldmengenwachstums betrieben. Der durch Steuererleichterungen erzielte Kaufkraftzuwachs konnte nur durch Inflationskontrolle voll zum Tragen kommen. Anklang fand Reagan auch bei der Beseitigung wirtschaftshemmender Vorschriften. Die sogenannte „Deregulierung” führte in mehreren Bereichen zu einem verstärkten Wettbewerb und damit zu Preissenkungen.

Diesen Erfolgen stehen aber auch Probleme gegenüber, und die

USA sehen sich in vielfacher Hinsicht einem Paradoxon gegenüber: Der stärkste Wirtschaftsaufschwung seit 30 Jahren führte gleichzeitig zu

# einem beträchtlichen Nettokapitalzustrom;

# einem extrem hohen Dollar;

# dem größten Handelsbilanzdefizit und

# dem größten Budgetdefizit in der Geschichte der USA.

Die hohe Rentabilität und Sicherheit der Anlage, die steuerliche Begünstigung sowie das allgemein freundliche Investitionsklima in den USA bewirkten einen geradezu magnetischen Kapitalsog in Richtung Amerika. Das reichste Land der Erde verzeichnete einen Nettokapitalimport von rund 100 Milliarden Dollar. Die ausländischen Investitionen haben sich in den USA in den letzten zehn Jahren vervierfacht. Nachdem die USA der Welt 60

Jahre lang als Geldgeber zur Verfügung standen, sind sie nunmehr zur Schuldnernation geworden.

Die rapid zunehmende Auslandsverschuldung droht aber dennoch zu einer Gefahr für die Stabilität des Internationalen Währungssystems zu werden. Der amerikanische Notenbankpräsident Paul Volcker hat die Situation vor dem US-Kongreß mit drastischen Worten beschrieben: „Die Stabilität unserer Kapital-, und Geldmärkte hängt mehr denn je von der Bereitschaft der Ausländer ab, weiterhin steigende Kapitalmengen auf unseren Märkten zu plazieren. Die USA leben konkret gesprochen auf Pump und auf geborgte Zeit.”

Seitens der Amerikaner besteht zweifellos auch das Interesse, den Dollar nach seinem Höhenflug zu einer „sanften Landung” zu bringen. Die amerikanische Exportwirtschaft mußte in den letzten Jahren eine beträchtliche Verringerung ihrer internationalen Konkurrenzfähigkeit hinnehmen. Mit Ausnahme von landwirtschaftlichen und chemischen Produkten war die amerikanische Handelsbilanz 1984 (123 Milliarden Dollar) negativ. Exportorientierte Unternehmen verlagern ihre Produktion ins billigere Ausland.

Die Importflut in die USA machte auch vor dem Paradepferd der amerikanischen Wirtschaft, dem High-Tech-Sektor, nicht halt. So stieg z. B. der Einfuhrwert bei elektronischen Bauteilen 1984 um 56 Prozent.

Dieser große Wachstumsstoß der amerikanischen Wirtschaft wurde um den Preis des historisch höchsten Budgetdefizits des Landes erkauft. Bis 1983 schien es, als ob das nur ein vorübergehendes Problem darstelle, das einerseits auf den Einnahmenverzicht der Regierung und auf den prioritä-ren Ausbau der Verteidigung zurückzuführen sei. Die Kürzungen reichen aber trotz Einschränkungen der Sozialausgaben nicht aus, um den Bundeshaushalt ins Gleichgewicht zu bringen.

Die bestehenden Probleme geben weniger wegen ihrer Größenordnung als wegen ihrer unveränderten Tendenz zur Besorgnis Anlaß. Ein kräftiger Wirtschaftsaufschwung in den übrigen Industrieländern könnte allerdings zu einer wesentlichen Entschärfung beitragen.

Wie wirkt sich die amerikanische Wirtschaftspolitik auf Österreich aus?

• 70 Prozent des Wachstums in den OECD-Staaten waren in den beiden vergangenen Jahren auf die amerikanische Wirtschaft zurückzuführen. Davon hat auch Österreich profitiert.

• Begünstigt durch den Wirtschaftsaufschwung und den starken Dollar erhöhten sich die österreichischen Exporte 1984 um 60 Prozent und erreichten mit fast 13 Milliarden Schilling einen neuen Rekord.

• Die Einfuhren aus Amerika verzeichneten einen Anstieg von 17,1 Prozent und lagen um rund 800 Millionen Schilling über dem Wert der Exporte.

• Damit weist Österreich noch immer ein bilaterales Handelsbilanzdefizit gegenüber den USA auf. Dieser Umstand sollte nicht übersehen werden, wenn von amerikanischer Seite, insbesondere bei Stahl und Textil, protek-tionistischer Druck auf Österreich ausgeübt wird.

Chancen wahrnehmen

• Österreich ist aber trotz dieses sehr guten Ergebnisses am US-Markt noch immer auffallend unterrepräsentiert. So liefern Irland und Finnland rund 15 Prozent mehr, Norwegen das Dreifache, Dänemark doppelt soviel, Schweden, Belgien und die Schweiz mehr als das Vierfache und Holland sogar das Siebenfache des heimischen Exportwertes.

• Eine indirekte Auswirkung der amerikanischen Wirtschaftspolitik auf Österreich liegt am Beitrag der USA zur wirtschaftspolitischen Diskussion. Wer spricht heute noch von Steuererhöhungen. Man stellt sich vielmehr die Frage, ob nicht doch Steuersenkungen der bessere Weg zur Ankurbelung der Wirtschaft sind. Deregulierung und Entbürokrati-sierung werden auch in Europa erwogen.

• Auch in Österreich macht sich die „weltweite Renaissance des Unternehmertums” bemerkbar. Man beginnt wieder, die aktive Rolle der Unternehmer bei der Gestaltung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwelt zu erkennen.

Trotz des zunehmenden protek-tionistischen Drucks bieten sich für Österreich auf dem amerikanischen Markt schon viele Chancen. Für den Erfolg sind die Kenntnis der lokalen Bedingungen und ein darauf abgestimmtes Marketing von besonderer Bedeutung.

Was wir brauchen, ist in erster Linie mehr Selbstvertrauen, mehr Optimismus in unsere eigene Zukunft und mehr Mut und Risikofreude bei der Nutzung unserer Chancen und Möglichkeiten.

Aus einem Vortrag, den Botschafter Klestil im Haus der Wirtschaft in Wien gehalten hat.

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