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Schüler und Künstler

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Nach dem Lesen einiger Werke von Renate Welsh („Johanna“, „Ende gut — gar nichts gut“) schien sie mir eine sehr kritische Frau zu sein, die alles negativ sieht und sich ausschließlich mit der Schattenseite des Lebens auseinandersetzt. Nach der heutigen Dichterlesung, konfrontiert mit der Persönlichkeit dieser Autorin, habe ich meine Meinung revidiert. Sie ist kritisch, das stimmt. Aber ich glaube, daß sie nicht alles negativ sieht, sondern realistisch. Renate Welsh ist der Welt und ihren Mitmenschen gegenüber aufgeschlossen. Sie beschäftigt sich mit der Umwelt und den damit verbundenen Problemen.“

Eine Schülerin des „Kollegium Kalksburg“ in Wien berichtet über ihre Eindrük-

ke von einer Dichterlesung. Renate Welsh hat dabei erfolgreich versucht, die Intentionen ihrer Arbeit zu verdeutlichen. Die Schülerinnen und Schüler zeigten Verständnis, waren offenbar von den vorgetragenen Texten und deren Autorin gefesselt.

Das Gespräch zwischen ihnen und der Schriftstellerin über Inhalte und formale Aspekte ihrer Arbeit hat also funktioniert. Das ist nicht zuletzt Verdienst des vom Unterrichtsministerium gegründeten „österreichischen Kulturservice“. Dieser Verein wurde 1977 ins Leben gerufen und sieht sich als zentrale Vermittlungsstelle für die Begegnung von Schülern mit österreichischer Kunst und Kultur.

Natürlich sind die Aktivitäten nicht allein auf Wien beschränkt. Zweigstellen existieren bereits in Graz, Klagenfurt, Innsbruck, Salzburg und Vorarlberg. Hier soll in Hinkunft die Chance wahrgenommen werden, auch die Jugendlichen aus ländlichen Regionen mit künstlerischem Schaffen zu konfrontieren.

Das „österreichische Kulturservice“, so Geschäftsführer Michael Wimmer, verfügt über ein Jahresbudget von acht Millionen Schilling und kann für das Schuljahr 1987/ 88 eine beachtliche Bilanz präsentieren. In dieser Zeitspanne wurden nämlich mehr als 2.000 Workshops, Seminare, Gespräche und Lesungen in allen Kunstsparten durchgeführt.

Was natürlich auch manche Schwierigkeiten aufwirft. Herrscht bei den Schülern Dankbarkeit und manchmal vielleicht auch Ratlosigkeit, so gebrauchen die Lehrer mitunter den Regelunterricht als Ausrede, um sich vor unkonventionellen Begegnungen mit Künstlern zu drücken.

Schließlich motiviert der Kulturservice auch zu künstlerischer Kreativität. „Der morgige Tag“, eine im Wiener Regierungsgebäude am Stubenring eben eröffnete Ausstellung zum Gedenkjahr 1988, zeigt Schülerarbeiten zum Thema. Kinder und Jugendliche haben Lehren aus den Ereignissen von 1938 für die Gegenwart einerseits in naiver Klarheit (Malereien von Volksschulklassen), andererseits mit dem intellektuellen Anspruch moderner Objektgestaltung (Videos) zum Ausdruck gebracht (bis 18. März).

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