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Schüsse aus dem Führerbunker

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Mitten in die Totenstille hinein, die die FPÖ seit den Veröffentlichungen über die Aktivitäten ihres Bundesparteiobmanns Friedrich Peter in den Tagen des Zweiten Weltkriegs umgibt, platzte der niederösterreichische Landesobmann Fritz Rotter le Beau mit Bemerkungen über das Unbehagen des FP-Parteivolks hinaus. „Ich habe“, sagte Rotter le Beau, „das Ohr am Maul des Volkes und die Leute wollen eine Änderung.“

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Mitten in die Totenstille hinein, die die FPÖ seit den Veröffentlichungen über die Aktivitäten ihres Bundesparteiobmanns Friedrich Peter in den Tagen des Zweiten Weltkriegs umgibt, platzte der niederösterreichische Landesobmann Fritz Rotter le Beau mit Bemerkungen über das Unbehagen des FP-Parteivolks hinaus. „Ich habe“, sagte Rotter le Beau, „das Ohr am Maul des Volkes und die Leute wollen eine Änderung.“

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Friedrich Peter, im Führerbunker seiner Partei einbetoniert, schoß mit scharfer Munition zurück, nannte die Äußerungen Rotters parteischädigend und meinte, sie müßten im Parteivorstand diskutiert werden. So

scharf er auch schoß, einen Solida-risierungseffekt mit den anderen Landesobmännern der FPÖ erreichte er nur zum kleineren Teil. Kärntens Ferrari-Brunnenfeld, Vorarlbergs Werner Melter, auch Intim-Freund Tassilo Broesigke aus Wien übten zwar am Zeitpunkt und am Stil der Rotterschen Äußerungen Kritik; nannten ihn, was stimmen dürfte, einen schlechten Organisator und erfolglosen Politiker, in der Substanz aber ließen sie Rotters Äußerungen

unibehelligt. Natürlich, so hieß es unisono, liegt es am Parteiobmann, den Zeitpunkt seines Rücktritts selbst zu bestimmen. Man werde ihn daran jedenfalls nicht hindern, ihn aber vorläufig auch nicht dazu auffordern. Wie in kleineren Kaderpar-teien üblich, wurde die Parteieinigkeit in allen Stellungnahmen beschworen und jede Einmischung in die Angelegenheiten der FPÖ scharf kritisiert.

Erst wollte Friedrich Peter, daß Rotter le Beau gleich bei einer Sitzung des niederösterreichischen Lan-desparteivorstandes getadelt und zum Abtreten aufgefordert werden sollte. Dies mißlang. Nun beraten in dieser Woche der Bundesparteivor-stand und eine Landesobmännerkonferenz der FPÖ personalpolitische Konsequenzen. Am kommenden Sonntag soll dann die niederösterreichische FP-Landesparteileitung über Rotters Äußerungen urteilen. Nach Otto Scrinzi dürfte er der zweite hohe FP-Funktionär sein, der wegen seiner Führer-Kritik zum Abdanken aus den politischen Ämtern veranlaßt werden dürfte.

Die ganze Vorgangsweise erinnert irgendwie an Machtkämpfe im Zen-tral-Komitee einer kommunistischen Ostblock-Partei. Wer in der „Freiheitlichen“ Partei sagt, was ohnehin alle denken, daß Friedrich Peter überfällig sei, muß mit den schärfsten Repressionen rechnen. Dagegen nehmen sich auch Personal-Diskussionen in der KPÖ zutiefst demokratisch aus.

Friedrich Peter, Langzeit-Obmann der FPÖ, ist äußerst sensibel geworden. Um jeder Diskussion über seine Person aus dem Weg zu gehen, sucht er das Vergessen; meidet Auftritte in den Massenmedien, aber auch bei Veranstaltungen in seiner Partei. Als Oppositionspartei ist die FPÖ seit

dem 5. Oktober 1975 völlig abgetreten; davor war sie es ohnedies nur de jure, heute ist sie zum Ziel einer sehr breit angelegten Opposition der öffentlichen Meinung geworden. Hätte die Idee einer dritten Partei in Österreich nicht so viel für sich, so müßte man sagen, daß die Art, wie sich die FPÖ zur Zeit hinrichtet, tatsächlich niemandem etwas angeht. So aber muß man um ihre Gegenwart und um ihre Zukunft fürchten.

Möglicherweise liegt es noch in Friedrich Peters Entscheidungsspielraum, seinen Nachfolger zu bestimmen. Nach seinen immer wieder geäußerten Vorstellungen sollte es sein Exschwiegersohn Horst Sehender sein, ein Mann, der seit seinem Landtagswahlkampf im Herbst 1973 auch von der oberösterreichischen Politik-Bildfläche zu verschwinden droht. Jüngst urteilten die „Oberösterreichischen Nachrichten“, daß die FPÖ im Landtag in der Zeit vor Horst Sehender bedeutend aktiver war und heute so etwas wie das

fünfte Rad am Landtag-Wagen darstellt. Horst Sehender ist aber so wie sein Salzburger Kollege Waldemar Steiner noch aus einem anderen Motiv sehr umstritten. Mit diesen beiden Vierzigern schaffe die FPÖ niemals ein liberales Image, heißt es in der FPÖ: „Die sind doch deutschnationaler eingestellt, als es die Generation der Kriegsteilnehmer in der FPÖ heute ist.“

Was bleibt, sind: Der „ewige Kronprinz“ Alexander Götz, vielleicht auch noch Gerulf Stix aus Tirol. Beide haben in der FPÖ starke Positionen; nur: der eine zögert, ganz abgesehen davon, daß er mit Friedrich Peter auf Kriegsfuß steht, und der andere gilt noch als zu unerfahren. Broesigke, Scrinzi und Zeillinger, allesamt hervorragende Nationalräte, wollen mit dem Ende der Legislaturperiode im Jahre 1979 ganz aus der Politik ausscheiden. Unter diesen sehr ungünstigen Vorzeichen ist es tatsächlich nicht ausgeschlossen, daß in der FPÖ auch künftighin aller Glaube an die Vernunft in der Politik enttäuscht bleiben wird. Das ist nicht nur für die FPÖ sehr schlecht, das ist arg für die Demokratie in Österreich, dessen Parlamentarismus eine handlungsfreie dritte Partei so bitter nötig hätte.

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