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Schuldenberg und Zukunftssorgen

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Kaum hatte das Wirtschaftsforschungsinstitut seine erste Prognose über die wirtschaftliche Entwicklung im Jahre 1977 vorgelegt, sah es sich auch schon gezwungen, diese nach unten zu korrigieren. Große Unsicherheit über die nächste wirtschaftliche Zukunft hat sich wieder allerorts breitgemacht; durchaus seriöse Konjunkturexperten fürchten, daß der nächste Rückschlag nicht erst 11)78, wie ursprünglich geglaubt, sondern schon 1977 eintreten könnte. Denn in vielen Staaten und Branchen sind die Produktionskapazitäten weit von einer nur unterdurchschnittlichen Auslastung enfernt, um das Investitionsklima ist es schlecht bestellt, nur die Preise steigen rascher als erwartet.

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Kaum hatte das Wirtschaftsforschungsinstitut seine erste Prognose über die wirtschaftliche Entwicklung im Jahre 1977 vorgelegt, sah es sich auch schon gezwungen, diese nach unten zu korrigieren. Große Unsicherheit über die nächste wirtschaftliche Zukunft hat sich wieder allerorts breitgemacht; durchaus seriöse Konjunkturexperten fürchten, daß der nächste Rückschlag nicht erst 11)78, wie ursprünglich geglaubt, sondern schon 1977 eintreten könnte. Denn in vielen Staaten und Branchen sind die Produktionskapazitäten weit von einer nur unterdurchschnittlichen Auslastung enfernt, um das Investitionsklima ist es schlecht bestellt, nur die Preise steigen rascher als erwartet.

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Was immer im kommenden Jahr in Österreich geschehen wird, das Wirtschaftsforschungsinstitut hat der Bundesregierung jetzt schon eine Mitschuld an einer sehr gefährlichen wirtschaftlichen Zukunft abgesprochen. Wörtlich heißt es im jüngsten Konjunktur-Kommentar: „Die weitere Konjunkturentwicklung in Österreich hängt weniger von inländischen Faktoren als überwiegend vom Verlauf der internationalen Entwicklung ab.“ Demnach wäre die Qualität der österreichischen Wirtschaftspolitik völlig irrelevant, da doch ohnedies alles vom Ausland abhängt. Fragt sich nur, welches Ausland gemeint ist: das stabile der Schweiz und Deutschlands oder das instabile in Italien, Großbritannien und Frankreich?

Der Bundeshaushalt für das Jahr 1977, Ende Oktober dem Ministerrat und dem Parlament in erster Lesung vorgelegt, nun im parlamentarischen Finanz- und Budgetausschuß ressortweise diskutiert, entspricht völlig einer nun schon seit Jahren vertretenen Auffassung, daß „man eh nix machen kann“, weil Zweckbindungen und die Notwendigkeit der Arbeitsplatzsicherung den Rahmen der Budgetpolitik abstecken müssen. Über die Höhe der durch die Budgetpolitik der letzten Jahre „geretteten“ Arbeitsplätze gehen die politischen und politwissenschaft-liehen Meinungen auseinander: Finanzminister Dr. Hannes Androsch meint, seine Budgetpolitik habe eine größere Arbeitslosigkeit von Österreich femgehalten, spricht auch davon, daß dadurch zumindest 100.000 Arbeitsplätze gesichert wurden, Prof. Frisch von der Technischen Universität glaubt an die Rettung von rund 60.000 Arbeitsplätzen, das Institut für Höhere Studien und das Wirtschaftsforschungsinstitut meinen dagegen, daß es sich dabei bestenfalls um 16.000 Arbeitsplätze handeln könne; beide verwiesen gleichzeitig und korrekterweise darauf, daß darüber keine gesicherten Aussagen zu machen seien.

Fundiert ist dagegen die Feststellung, daß der Bundesvoranschlag für das Jahr 1977, so wie er dem Parlament vorliegt, nicht geeignet ist, das konjunkturelle Geschehen in Richtung auf eine Verstärkung des Aufschwungs zu manipulieren. Auf der Einnahmenseite saugt der Budgetentwurf überall dort, wo der Finanzminister etwas entdecken konnte, letzte besteuerungsfähige Einkommens- und Vermögensreserven auf: Entscheidend erhöht wurden die Stempel und Gebühren auf die mei--sten Rechtisvorgänge, um ein Drittel angehoben der Vermögemssteuersatz, angehoben wurden aber auch diverse Tarife. Der im Finanzministerium bereits ausgearbeitete Entwurf für eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf 20 Prozent wunde dagegen zurückbehalten. Angesichts einer mageren Lohnrunde hätte man sich vom Finanzminister eine Progressionsmilderung bei der Einkommensteuer erwarten dürfen. Dazu soll es nicht vor 1978 kommen.

Der Bundeshaushalt ist außer Rand und Band geraten, das präliminierte Budgetdefizit hat mit 43,6 Milliarden Schilling eine neue Rekordhöhe erreicht, die Staatsschuld wird mit 167,7 Müliarden Schilling angegeben; nun beträgt sie bereits das Vierfache der Höhe des Jahres 1970. Finanzminister Dr. Androsch salh sich veranlaßt, ein „Sparbuidget“ zu präsentieren. Dafür gibt es angesichts der erdrückenden Schuldenlast sehr gute Gründe, aber ein sehlechtes Motiv: Dieses Budget ist nicht geeignet, den bereits sehr stockenden Aufschwung wieder zu beleben. Im Gegenteil: es konterkariert ihn. Es bremst die private Nachfrage, unterdrückt jede Form der Förderung, vor allem der öffentlichen und auch der privaten Investitionen.

Der Bundeshaushalt für das Jahr 1977 will erst gar nicht den Anschein erwecken, konjunkturpolitische Aufwärtskräfte entfachen zu können. Er bescheidet sich mit der Rolle einer statischen Aufzeichnung von Einnahmen und Ausgaben, wirkt so, als sollte ein Budgetvolumen von immerhin 241 Milliarden Schilling (der Finanzminister bzw. die Bundesregierung bewirtschaftet damit ein Drittel des heimischen Sozialprodukts) an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung „ungestraft“ vorbeiführen dürfen.

Der Bundeshaushalt für das Jahr 1977 ist ideologisch betrachtet weder „sozialistisch“ noch konsumentenfreundlich oder wirtschaftsfeindlich. Er ist schlicht und einfach falsch programmiert!F. R.

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