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Schutz für die Marchauen

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Der „Dornröschenschlaf" der Marchauen soll nicht abrupt un- terbrochen werden, auch wenn ab Mitte Mai 1990 Paddelboote den Fluß befahren dürfen. Für den „sanften Tourismus" machen sich Franz Blochberger, niederösterrei- chischer Landesrat, und auf slo- wakischer Seite Gustav Sladek, Vizeminister für Fremdenverkehr, stark. Trotz diesem Versprechen sehen Naturschützer auf beiden Seiten des Flusses diese Entwick- lung jedoch mit Sorge.

Die March, Grenzfluß zwischen Österreich und der Slowakei, ist eine Touristenattraktion. Nur ei- nen Steinwurf sind das slowaki- sche und österreichische Ufer von- einander entfernt und die Frage drängt sich auf, warum sind hier nicht mehr Menschen über den Fluß gekommen in einer Zeit, in der Flucht der einzige Weg in die Frei- heit war?

Daß das Ende einer Welt mit dichtem Stacheldraht markiert war und eine Flucht über dieses Ende hinaus von gnadenlosen Ma- schinengewehrsalven begleitet wurde, ist vergessen.

Für die Tiere, die entlang des Flusses ihre Nistplätze haben, gab es diese Grenzen nie. Reiher suchen Futter frei von ideologischen Über- legungen, Wasserschlangen, Sumpfschildkröten, Fische, Stör- che und Wildenten finden sich dort ein, wo sie ihre Lebensgrundlagen vorfinden. Hier in den Marchauen ist die Welt noch in Ordnung. Wie lange noch?

Nicht immer ist es böse Absicht wenn eine Gruppe, die nicht laut- hals schreit, „unter die Räder kommt".

Der World Wildlife Fund, als Anwalt der Tiere, hat, um so etwas zu verhindern, entlang der March ein etwa zwölf Kilometer langes Gebiet aufgekauft und zum WWF- Schutzgebiet „Marchauen" erklärt.

Seit nunmehr 20 Jahren gibt es hier die einzige mitteleuropäische Baumhorstkolonie der Weißstör- che, die sonst nur mehr auf Wagen- rädern und Schornsteinen nisten. Unbedingt zu schützen sind auch die Reiherkolonie mit zirka 100 Horsten, Schwarzstörche, Kormo- rane, um nur die seltensten Vertre- ter der Aubewohner zu nennen.

Im Morgengrauen, wenn die Ne- belschleier über dem träge da- hinfließenden Wasser hängen und die dampfende Feuchtigkeit der Au noch nicht von der Sonne ver- schluckt wurde, erwachen die Tie- re. Die Schreie der Reiher, das ge- schäftige Geschnatter der Wild- enten, Vogelgezwitscher und viele nicht genau definierbare Geräusche erfüllen die Luft. Die Natur erwacht zum Leben!

Kein Wunder, daß auch der Tou- rismus diese reizvolle, unberührte Landschaft entlang der March ent- deckt. Bemerkenswert jedoch das einmütige Bekenntnis von österrei- chischen und slowakischen Politi- kern, hier dem „sanften Tourismus" das Wort zu reden. Die Horrorvi- sion von gröhlenden, trampelnden, Getränkedosen und Nylonsackerln verstreuenden Horden scheint den Verantwortlichen gegenwärtig.

Aber auch „sanfter Tourismus" ist schon eine Gefahr für dieses sensible Gebiet. Die Marchauen sind nicht sehr breit. Die breiteste Stelle im WWF-Schutzgebiet mißt nur 1,5 Kilometer.

Wichtig für die Erhaltung der Tierwelt ist deshalb die Zusam- menarbeit und das Verständnis der slowakischen Nachbarn. Eine zwei- einhalbstündige Fahrt von March- egg bis Devin, wo die March in die Donau mündet, bot Gelegenheit, mögliche Kooperationen zu disku- tieren. Die uns begleitenden Stör- che, Reiher und Wildenten, das Geplätscher des Wassers entlang des Buges und das Vogelgezwitscher aus den Auen trugen dazu bei, daß selbst die geschäftigsten Manager ruhig wurden.

Bleibt nur die bange Frage: wann holt die Wirklichkeit uns ein?

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