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Schutzfunktion fiir die Embryonen

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Vor genau einem Jahr hat die FURCHE mit einem Gesetzesentwurf für Aufsehen gesorgt: alle Diskussionen und Initiativen in Sachen „künstliche Befruchtung“ seither bestätigen das Grundanliegen.

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Vor genau einem Jahr hat die FURCHE mit einem Gesetzesentwurf für Aufsehen gesorgt: alle Diskussionen und Initiativen in Sachen „künstliche Befruchtung“ seither bestätigen das Grundanliegen.

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Das Grundanliegen des FUR-CHE-Entwurfs für ein „Bundesgesetz über die künstliche Befruchtung beim Menschen“ (FURCHE 48/1985) war und ist der kompromißlose Schutz ungeborenen Lebens wenigstens dort, wo diesem kein unmittelbar gegenläufiges Interesse — wie etwa bei der Fristenregelung - gegenübersteht. Die aktuelle Bedeutung dieses Anliegens wurde gerade durch die jüngsten Entwicklungen in Österreich bestätigt.

Eine von der österreichischen Rektorenkonferenz eingesetzte „Kommission für In-vitro-Fertilisation“ (FURCHE 26 und 32/ 1986) hat Richtlinien erarbeitet, die sogenannte „verbrauchende Experimente“ mit „überzähligen Embryonen“ — freilich nur als ultima ratio — nicht ganz ausschließen. „Die Forschung an überzähligen Embryonen“ — so heißt es dort — „ist insbesondere dann zulässig, wenn ein Transfer aus medizinischen Gründen nicht vorgenommen werden kann.“

Diese Empfehlung ist insofern erstaunlich, als der im Bereich künstlicher Befruchtung führende österreichische Gynäkologe1 Wilfried Feichtinger bereits Monate vor Ende der Beratungen der Kommission der Rektorenkonferenz darauf hingewiesen hat, daß es nunmehr möglich sei, unbefruchtete Eizellen einzufrieren und diese nach dem Auftauen „in der medizinisch notwendigen Anzahl“ zu befruchten (FURCHE 15/ 1986), sodaß sich das Problem „überzähliger“ Embryonen, die man mit Rücksicht auf die Gefahren einer Mehrlingsschwangerschaft nicht mehr reimplantieren möchte, eigentlich nicht mehr stellt.

Auch an der II. Universitätsfrauenklinik in Wien (Vorstand: Herbert Janisch) wurden zum Beispiel schon seit jeher alle im Zuge des künstlichen Befruchtungsvorganges gewonnenen Eizellen der Eizellenspenderin reimplantiert, ohne daß dies signifikante Auswirkungen auf die Erfolgsquote behabt hätte.

Dabei geben auch die dort tätigen Ärzte gerne zu, daß die Möglichkeit, befruchtete Eizellen zurückzuhalten, um sie entweder für einen weiteren Implantationsversuch tieffrieren oder auch damit experimentieren zu können, für jeden Wissenschafter verlockend ist.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, daß gerade die Klinik Janisch in der Kommission der Rektorenkonferenz nicht vertreten war.

Uber eines muß man sich jedenfalls im klaren sein: wenn man es einmal dem Arzt überläßt, wie viele der gewonnenen befruchteten Eizellen er in die Gebärmutter der Eizellenspenderin reimplantiert und wie viele er für experimentelle Zwecke zurückhält, so wird zwangsläufig der Experimentierzweck als das Interessantere in den Vordergrund rük-ken.

Die eigentliche Frage ist daher nicht mehr nur die, ob der Gesetzgeber die künstliche Befruchtung gesetzlich regelt und in welcher Form er sie beschränkt, sondern vielmehr die, ob er die gezielte experimentelle Abtötüng von Embryonen für Zwecke der medizinischen Forschung zulassen will oder nicht.

So gesehen liegt der FURCHE-Entwurf mit seinem Hauptanliegen, nämlich dem — auch strafrechtlich bewehrten - Schutz befruchteter Eizellen außerhalb des Mutterleibes völlig richtig. Dieser Schutz ist auch ungleich wichtiger als die — für Illustriertenleser zugegebenermaßen interessantere — Frage der „Doppelmutterschaft“ oder der „Doppelvaterschaft“.

So wurde denn auch von verschiedenen Seiten kritisiert, daß der FURCHE-Entwurf keine klaren familienrechtlichen Lösungen für die im Zusammenhang mit Fremdsamenbefruchtung und Mietmutterschaft auftauchenden Vater- und Mutterschaftsfragen enthält.

Allerdings sieht der Entwurf sehr weitgehende Registrierungsund tifckumentationspflichten vor, die derartige Statusfragen im Normalfall auf der Grundlage des geltenden Familienrechts zu lösen imstande sind. Nur in den wirklich seltenen Konfliktfällen ergeben sich daher Probleme.

Hier zeigt sich die unterschiedliche und unseres Erachtens falsche Prioritätensetzung derjenigen, die gesetzliche Neuregelungen für alle auch noch so seltenen Konfliktfälle, die bei Verwendung fremder Ei- oder Samenzellen auftreten können, als vordringlich erachten. Nichts dagegen, wenn man es tut; nur sollte man es erst tun, wenn der Embryo außerhalb des Mutterleibes gesetzlich ausreichend geschützt ist.

Ein Haupteinwand gegen den FURCHE-Entwurf war immer wieder der Einsatz des Strafrechts. Diese aus einer bestimmten Ecke ganz gezielt vorgetragenen Warnungen vor dem Einsatz des Strafrechts, die eher danach erfolgen, ob man das Strafrecht haben will oder nicht, als danach, ob man es wirklich braucht, muten schon deshalb seltsam an, wenn man weiß, daß das Strafrechtsänderungsgesetz 1986 schon wieder neue Straftatbestände (für Computerkriminalität etwa) vorsieht.

Was die konstruktive Kritik am FURCHE-Entwurf betrifft, so halten wir zwei Anregungen aus der Ärzteschaft für durchaus überlegenswert: nämlich die Forderung nach einer gesetzlichen Verankerung der Gewissensfreiheit für Ärzte, ohne irgendwelche Nachteile befürchten zu müssen, frei darüber entscheiden zu können, ob sie die künstliche Befruchtung durchführen oder nicht, sowie den Vorschlag nach einer Trennung zwischen dem beratenden Arzt und jenem, der letztlich die künstliche Befruchtung durchführt.

Insgesamt aber muß — auch aus heutiger Sicht - am FURCHE-Entwurf nach einem Jahr nichts geändert werden, weil er durchaus geeignet ist, „die gröbsten Auswüchse zu verhindern“ — was Weihbischof Helmut Krätzl als wichtigstes Anliegen eines solchen Gesetzes bezeichnet hat.

Es sei noch einmal darauf hingewiesen, daß der FURCHE-Entwurf von einer Maxime ausgeht, die nicht etwa höchstpersön-. liehen Wertvorstellungen entspringt, sondern ganz einfach dem geltenden Gesetz entnommen wurde: der nasciturus steht unter seinem Schutz (Paragraph 22 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch), und dieser — durch die Paragraphen 96 bis 98 Strafgesetzbuch auch strafrechtlich abgesicherte — Schutz wurde vom Gesetzgeber bisher nur aus Gründen durchbrochen (Fristenregelung), die im Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung keine Rolle spielen.

Das Lebensrecht und die Schutzbedürftigkeit befruchteter Eizellen außerhalb des Mutterleibes stellen den zentralen Punkt dar, nach dem sich die Interessen aller übrigen — Ärzte und Personen mit unerfülltem Kinderwunsch mit eingeschlossen — zu orientieren haben. Und nicht umgekehrt!

Der Autor ist Assistent an der Juridischen Fakultät der Universität Wien.

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