6807405-1972_15_04.jpg
Digital In Arbeit

Schwache Flanken

Werbung
Werbung
Werbung

Manche nennen ihn scherzhaft den „Bauerngeneral“. Er selbst lehnt sowohl diesen Rang als auch den eines „Wehrexperten“ ab und will sich nur als Wehrsprecher seiner Partei verstanden wissen. Othmar Tödling, jovialer oststeirischer Obstverwer-ter, ist dennoch für die Sozialistische Korrespondenz der „Hauptpanikmacher“ in der Bundesheerfrage. Die mit wechselndem Geschick vorgebrachte und nicht immer von überzeugender Sachkenntnis getragene Kritik des ÖVP-Abgeordneten ist derzeit offenbar das einzige Korrektiv, das den Vorstellungen Kreiskys und seiner Platzhalter auf der Dominikanerbastei gegenübersteht. Die Freiheitlichen, in der umstrittenen Wehrgesetznovelle 71 noch Bundesgenossen der Sozialisten, sind heute von ihrer eigenen Tagesoppor-tunität vergangenen Jahres wenig beglückt. Mit Hilfe von mehr oder weniger ihrem Lager nahestehenden Offizieren versuchen sie nun, mit Sachzwängen, künftigen freiheitlichen Initiativen im Landesverteidigungsrat ein wehrpolitisches Image zu geben.

Auch die ÖVP besinnt sich langsam wieder des von ihr in der Ära Prader zum Teil verschreckten und verärgerten Lagers der Experten. Aus dienstlicher wie auch aus persönlicher Loyalität zum einstigen Offizierskameraden Lütgendorf ließen sich viele jedoch auf den Minister einschwören. Die ÖVP erlebt daher nicht zu Unrecht die böse

Überraschung, daß ihr in der politischen Konfrontation nun Initiativen und Vorschläge geboten werden, die bereits vor Jahren in ihrem Schoß — mangels an Sachkenntnis und Interesse — verworfen wurden. Bei allzu unbedacht gespielter Opposition läuft die Volkspartei Gefahr, dieses Stilbruchs geziehen zu werden. Anderseits verspürt man in der Kärntnerstraße wenig Lust, der Regierung Vorstellungen zu präsentieren, die dann nach dem Motto: „Die Guten ins Kröpfchen, die Schlechten ins Töpfchen“, behandelt werden. Verunsichert durch den politischen Magier Kreisky, der es versteht, nicht nur mit seinen eigenen, sondern auch mit den Karten des Gegners zu spielen, scheint sich das Pendel in der ÖVP-Wehrstrategie von der konstruktiven Alternative zur sturen Opposition zu verlagern. Dazu hat zweifelsohne die überraschende, fast staatsmännische Besinnung des Bundeskanzlers beigetragen, in der Landesverteidigung mehr als ein gutes Wahlkampfthema zu sehen. Nun gilt es, diesen Wind zu mehren, um das festgefahrene Schiff der Verteidigungspolitik wieder flottzubekommen. Parteitaktische Überlegungen, einschließlich von Bedenken, eigene Initiativen könnten auf der Gegenseite zu Buche schlagen, zeigen nur, wie wenig man noch die Rolle der Opposition gelernt hat.

Konkret gesprochen: die Grundsatzerklärung des Bundeskanzlers

ÖVP-Wehrexperte Tödling: Kummer mit Experten

Photo: Waschel zur umfassenden Landesverteidigung sollte nicht zerpflückt und kritisiert, sondern als Aufhänger für die weitere Arbeit zu einer Effek-tivierung der gesamtstaatlichen Sicherheitsanstrengungen gesehen werden. Die ÖVP täte gut daran, Fehler und Versäumnisse, die in ihrer Regierungszeit geschahen, nicht zu beschönigen. Die Bürger dieses Staates honorieren immer mehr das Bild der Zukunft als den Blick zurück oder die Kritik am Vergangenen. Und übermäßig viel Geld war ja auch in der Regentschaftszeit der Volkspartei nicht für die Landesverteidigung zu finden. Die Mannen um Schleinzer täten auch gut daran, verstärkt die Jugend in den eigenen Reihen nicht nur mit dem Thema Bundesheer zu konfrontieren, sondern sie auch echt an der Meinungsbildung teilhaben zu lassen. Oder hat Schleinzer vergessen, daß er mit knapp 36 Jahren der jüngste Verteidigungsminister der 2. Republik war? Die Jugend ist es, die unter den Zielvorstellungen der älteren Generation den Wehrdienst abzuleisten hat und für eine Sache eintreten soll, mit der sie sich unter

Umständen nicht identisch fühlt. Das soll nicht heißen, etwa damit einer schrankenlosen Agitation einer mehrheitlich dem Wehrgedanken kritisch, ja bereits ablehnenden Generation Tür und Tor zu öffnen. Dieser Bewußtseinswandel in der Jugend ist auch damit nicht zu stoppen, wenn man ihm die Gesellschaftsfähigkeit versagt. Erst im Übertragen von echter Verantwortung, im Teilhaftigwerden an der Meinungsbildung und Entscheidungssache kann man diesen Prozeß stoppen. Doch hiezu bedürfte es jüngerer und kreativerer Leute im Wehrausschuß der Kärntnerstraße.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung