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Schwacher Nestroy

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In der Zeit der Tourneetheater und des Fernsehens gibt es kaum noch wandernde Schmierenbühnen. Würde man doch solch eine Truppe aufstellen, müßten sich eine Fülle von komischen Situationen im Ineinander von unbeholfenem Schein und bedeutungslosem Sein ergeben, das auch Heutiges entlarven könnte. Aber die Posse „Theaterg'schichten durch Liebe, Intrige, Geld und Dummheit“ von Johann Nestroy, die derzeit vom Volkstheater in den Wiener Außenbezirken vorgeführt wird, ist ein schwaches Stück. Das vorletzte der 83, die Nestroy schrieb.

Bei der Umsetzung der epischen Vorlage greift das Komische nicht recht, man spürt zu sehr die Masche. Da springt der theaternarrische Damisch, eines Apothekers Mündel, in einer Schmierenvorstellung als dilettantischer Phaon ein, weil der „Heldenspieler“ ausgerissen ist. Da wird ihm, der mit der Apothekerstochter verlobt ist, die Liebe zu der Schmierendiva auf läppische Weise ausgetrieben. Da möchte sich der Schmierendirektor Schofel wegen arger Verschuldung in einer Irrenanstalt internieren lassen und derlei mehr. Nun ist ja das Geschehen bei Nestroy nicht entscheidend, sondern die Weltsicht, die

im grandiosen, mitunter infernalischen Wortwitz aufsprüht. Hier aber bietet der Dialog nicht viel, er ist ganz unnestroyisch. Doch gibt es ein Couplet von der Jugend, der man ja aU's auf der Welt verzeiht, und eines über all das, wozu sich ein Kern auswachsen kann. Da ist dichter Nestroy.

Zweifellos bot das Volkstheater unter den Wiener Bühnen immer wieder hervorragende Nestroy-Aufführungen. Diesmal kommt unter der Regie von Eduard Loibner nur eine unausgeglichene Wiedergabe zustande. Walter Langer ist ein wendiger Dominik, Harry Fuss ein droUig von sich eingenommener Schmierenprinzipal. Besonders Fuss überzeugt im Vortrag der Couplets, was man dagegen von Adolf Lukan, der den Sohn des Apothekers spielt, keineswegs behaupten kann. Joseph Hendrichs wirkt ebenfalls etwas fremd in einer Nestroy-Posse. Trude Hajek karikiert die Schmierendiva, Gerhard Steffen übersteigert seine Karikatur des Irrenarztes ins Unerträgliche. Das ist völlig fehl, fällt heraus. Die schlichten Bühnenbilder entwarf Maxi Tschunko. Einrichtung und Leitung der hebenswürdig-melodiösen Musik von Carl Binder durch Norbert Pawlicki, der auch aktuelle Coupletstrophen verfaßte.

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