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Schwarze Großwetterlage?

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Es lief alles, wie es die ÖVP-Stra-tegen „am Sandkasten“ geprobt haben: Der Landtag hat — wenn auch in einer recht turbulenten Sitzung — seine vorzeitige Auflösung beschlossen. Und da die Sozialisten mitstimmten, hat dann auch die Bundesregierung keinen Einspruch erhoben. Die Landesregierung kann die Wahlen für den 9. Juni ausschreiben — die SPÖ ist zwar mit dem Termin nicht einverstanden, aber hier genügt ein Mehrheitsbeschluß im Kabinett — und der Fristenlauf kann beginnen. Es liefe wirklich alles wie am Schnürchen, wenn nur die Maul- und Klauenseuche der Volfespartei keinen Stich durch die Rechnung macht!

Imerhin, in den Bezirken Mistelbach und Bruck an der Leitha mußten bereits einige Veranstaltungen abgesagt werden, darunter eine Diskussion der Sozialisten über ihren neuen Nö.-Plan, der der linken Reichshälfte in Niederösterreich als landespolitische Basis für die nächsten Jahre dient. Nun, wem könnte ein „gebremster Wahlkampf“ nützen? Vielleicht sogar der ÖVP? Wenn es stimmt, daß der Spitzenkandidat der SPÖ, Hans Czettel, in der Popularität mit 88 Prozent deutlich hinter Landeshauptmann Maurer (96 Prozent) liegt? Jedenfalls soll das ein Meinungsforschungsergebnis erbracht haben.

Nun, ein Wahlkampf, der nur da-hinplätschert und der durch die Seuche empfindlich eingeschränkt würde, könnte tatsächlich eine niedrigere Wahlbeteiligung bewirken. Bis jetzt ist freilich noch kein Grund zur Panik.

Der eigentliche Wahlkampf in Niederösterreich soM ja auch — nach dem Willen der ÖVP — erst im Mai beginnen, also kurz und kostensparend sein. Das ist einer der Gründe der Wahlvorverlegung. Jetzt, ja schon seit längerer Zeit, lebt Niederösterreich im Zustand eines Vorwahlkampfes. Da ist es ähnlich wie bei den nichterklärten Kriegen. Es wird zwar schon scharf geschossen,aber man gibt vor, noch im tiefsten Frieden zu leben. Der ÖVP-Klubob-mann Stangler und der Landesparteisekretär der Volkspartei, Bernau, haben sich übrigens in der jüngsten Landtagssitzung an Hand von Flugschriften der SPÖ auch sehr bemüht, dam politischen Gegner die

„Waffenstillstandsverhandlungen“ nachzuweisen. (Finanziert haben die Sozialisten jene Postwurfsendungen mit den Millionen, welche der Landtag einstimmig unter anderem für die Öffentlichkeitsarbeit der Klubs beschlossen hat.)

Die These der ÖVP, die durch dieses „Beweismaterial“ untermauert werden sollte, lautet etwa: Ein langer Wahlkampf bis in den Herbst hinein würde nicht nur hohe Kosten verursachen, er würde auch für Niederösterreich notwendige Entscheidungen verzögern und außerdem zu einer schweren Belastungsprobe für die Zusammenarbeit der beiden großen Parteien in der Landesregierung werden.

Die Gegenargumente der Sozialisten sind vielfältig. Zuerst sprach die SPÖ davon, die Volkspartei wolle offenbar einen Preiswahlkampf gegen die Bundesregierung führen, doch sei ja der Landeshauptmann die oberste Preisbehörde im Lande. Das heißt also, im Falle eines Preiswahl-kaimpfes würden die Sozialisten versuchen, den Spieß umzudrehen.

In der recht heißen Debatte über den Auflösungsantrag der ÖVP-Ab-geordneten im Regionalparlament behauptete Vizelandeshauptmann Czettel, daß durch die Schuld der ÖVP „substantielle Punkte“ des Par-teienübereinkommens (aus dem Jahr 1969) über die gemeinsame Arbeit im Landhaus nicht erfüllt worden seien. Er nannte die Reform der Landesverfassung (hier liegen Entwürfe der beiden Parteien vor), die Verwaltungsreform (sie wird eben vom neuen Landesamtsdirektor Schneider in Angriff genommen) und die Postenausschreibung im Landesdienst.

Der SPÖ-'Klubobmann Brezovsky warf der Volkspartei „eine Flucht vor der Verantwortung“ vor, verwies darauf, daß die Verhandlungen mit dem Bund über die Grenzlandhilfe noch nicht abgeschlossen seien.

In der Volkspartei betont man dazu, daß Niederösterreich nach wie vor eine funktionsfähige Regierung habe, daß dem Abschluß der Gespräche mit dem Bund nichts im Wege stehe. Dem Vernehmen nach ist der Entwurf — er sieht unter anderem 100 Millionen an ERP-Krediten und Bundeshilfen für infrastrukturelle Maßnahmen vor — ohnehin schon fertig. Es bedürfe nur noch des „Segens“ von Kanzler Kreisky und Landeshauptmann Maurer, die beide bei der jüngsten Verhandlungsrunde nicht dabei waren.

Bei den Diskussionen im Landtag und bed den Parteiveranstaltungen in den Bezirken beginnen sich mittlerweile auch schon deutlich die Frontstellungen und Wahlparolen abzuzeichnen. Die ÖVP reklamiert die beachtliche Erfolgsbilanz der letzten fünf Jahre für sich. Hier nur einige Fakten und Zahlen: durch die größte kommunale Strukturreform in der Geschichte des Landes wurde die Zahl der Gemeinden von 1652 auf 571 gesenkt. Die Gemeinden erhielten über eine Milliarde Schilling an billigen Krediten. 116 neue Schulen und 80 Kindergärten wurden gebaut, das Straßennetz ist besser geworden, drei neue Donaubrücken wurden errichtet. Fremdenverkehr, Landwirtschaft und Industrie — Aktion zur Schaffung neuer Arbeitsplätze im Grenzland — erhielten wesentliche Impulse. Durch sieben regionale Raumordnungsprogramme wurde die Grundlage für eine sachorientierte Förderungspolitik auf verschiedenen Ebenen, wie etwa auch auf dem Gebiet der Gesundheitsversorgung, gelegt.

Doch nun beginnt der Streit um den Loorbeerkranz. Die Sozialisten behaupten, sie seien es vornehmlich gewesen, die die Weichen für ein modernes Niederösterreich gestellt haben. Und schließlich habe der Bund das Geld für den Bau der drei neuen Brücken zur Verfügung gestellt. Die ÖVP aber sei „eine erzkonservative Partei“ und verwalte Niederösterreich „wie einen Bauernhof“.

Wer nicht alles durch eine Parteibrille sieht, wird einräumen, daß die SPÖ viele konstruktive Beiträge zur Zusammenarbeit leistete, wie etwa Czettels Vorschlag, einen Ge-memdetnvestitiansfonds zu bilden. Trotz der Verschiedenheit der Standpunkte haben sich die beiden Parteien in harter gemeinsamer Arbeit zu großen Reformen — wie jener auf Gemeindeebene — durchgerungen.

Die Hauptveran'twortung trägt freilich die Mehrheitspartei. Unter Johann Steinbock mag die ÖVP-Niederosterreich noch einem „konservativen Bauernhof“ geglichen haben — damals wehrten sich ja auch noch die Landbürgermeister gegen eine Hauptschule oder gegen einen Industriebetrieb. Heute nehmen die Rauimordnungspoliitik und die Industriepolitik, die vom ÖAABler Landeshauptmannstellvertreter Ludwig geleitet wird, eine Schlüsselstellung in dieser Partei ein. Und der Landeshauptmann entscheidet nicht mehr „nach dem Gefühl“, sondern hält viel vom Bat der Experten.

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