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„Schwarze Mander“

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Während in Niederösterreich plötzlich ein hektischer Wahlkampf ausgebrochen ist, nachdem die ÖVP eine Vorverlegung der Landtagswahl vom Oktober auf den 9. Juni beschlossen hat, haben zwei andere Bundesländer den Rummel bereits in rund zehn Tagen hinter sich: Salzburg und Tirol. Am 31. März wählen die Salzburger ihren neuen Landtag und damit auch jenen Mann, der dann als Landeshauptmann in den Chiemseehof einzieht. Die Tiroler werden an diesem Tag ihre Gemeindevertretungen neu formieren. In beiden Fällen sind Wahlmanager der ÖVP insgeheim optimistisch: sie glauben den Sieg schon in der Tasche zu haben.

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Während in Niederösterreich plötzlich ein hektischer Wahlkampf ausgebrochen ist, nachdem die ÖVP eine Vorverlegung der Landtagswahl vom Oktober auf den 9. Juni beschlossen hat, haben zwei andere Bundesländer den Rummel bereits in rund zehn Tagen hinter sich: Salzburg und Tirol. Am 31. März wählen die Salzburger ihren neuen Landtag und damit auch jenen Mann, der dann als Landeshauptmann in den Chiemseehof einzieht. Die Tiroler werden an diesem Tag ihre Gemeindevertretungen neu formieren. In beiden Fällen sind Wahlmanager der ÖVP insgeheim optimistisch: sie glauben den Sieg schon in der Tasche zu haben.

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Wer die Fernsehdiskussion der Salzburger Spitzenkandidaten verfolgt hat, fand ein Spiegelbild des politischen Klimas im Lande vor: Fast automatisch, ohne daß Diskussionsleiter Günter Ziesel viel zu tun hatte, ergab es sich, daß Landeshauptmann Lechner die gültigen Ab-schlußerklärungen zu jedem Gesprächsthema abgab. Schüchterne Widerspruchsversuche seines sozialistischen Stellvertreters und Wahlkampfgegners Steinocher kamen nicht zum Tragen oder wurden von Lechner geflissentlich überhört. Lechner ließ sich auch kaum auf das Hervorkehren seiner Partei ein, er sprach einfach als „Landesvater“, als den ihn jeder Salzburger kennt. Trotz der Tatsache, daß die Sozialisten bei der Nationalratswahl 1971 im Land Salzburg die ÖVP um mehr als 6600 Stimmen überrundeten und schon bei der Landtagswahl im Jahr 1969 an die Volkspartei ganz knapp herankamen, ist Lechner auch heute unbestritten der populärste Politiker im Land. Für die ÖVP war es daher von vornherein klar: es konnte nur einen Persönlichkeitswahlkampf mit und rund um Landeshauptmann Lechner geben.

Clevere Texter erfanden den preußisch-kurzen Slogan: HL wieder LH. Allein die Tatsache, daß sich die ÖVP trauen konnte, mit einem solchen Text in den Wahlkampf zu ziehen, zeigt, wie bekannt Lechner in der Bevölkerung ist. Vor dem Überhang an SPÖ-Stimmen bei der Nationalratswahl fürchten sich die Salzburger ÖVP-Wahlkämpfer nicht. Sie vertreten nämlich die Auffassung, daß damals, 1971, die Person Bundeskanzler Kreiskys viele veranlaßt hat, SPÖ zu wählen. Jetzt, da es aber um die Landespolitik geht, haben diese Überlegungen bei der Bevölkerung keinen Platz. Trotzdem werden so ganz im Hintergrund einige kleine Attacken auf die Bundespolitik geritten. Vor allem die Teuerung und die Steuerprogression bieten sich als dankbare Themen für die ÖVP an. Mit dem Einsatz von Bundespolitikern in diesem Salzburger Wahlkampf geht die ÖVP besonders sparsam um, wie das auch schon die oberösfoerreichischen Parteifreunde vor einem halben Jahr bei ihrer Landtagswahl gehandhabt haben. Und die sind ja damals offenbar gut gefahren mit dieser Methode.

Denn: eine Parteiführung, die nicht an der Regierung ist, hat naturgemäß auch für einen Landtagswahlkampf wenig Sensationswert. Und es beeindruckt die Wähler kaum, wenn der Spitzenkandidat des Landes mit dem Parteichef auf du und du ist, wenn dieser nicht auch Bundeskanzler oder zumindest Minister ist und in einer solchen Funktion dem Bundesland sein besonderes Wohlwollen zum Ausdruck bringt.

In der SPÖ macht man sich mittlerweile wenig Illusionen über den Wahlausgang in Salzburg. Zwar wurden schon vor Monaten aufwendige Broschüren und Programme präsentiert, die Broschüren im neuen bunten bundeseinheitlichen SPÖ-Look. Gerade diese Art der Werbung ist aber im Alpenland Salzburg angeblich nicht so recht angekommen: alles war zu „geschniegelt“ modern und großstädtisch. Der sozialistische Spitzenkandidat und

Landeshauptmannstellvertre'ter Steinocher hat es auch ein wenig schwer, wenn er von Alternativen zur ÖVP reden soll. Schließlich gibt es im Salzburger Landtag ein besonders hohes Maß von einstimmig mit den Stimmen aller drei Parteien gefaßten Beschlüssen.

Die Freiheitlichen reiten auf der Anigstwelle. „Leitner muß bleiben!“ heißt die Parole, mit der sie ihre Wähler auffordern, den FPÖ-Sitz in der Landesregierung Salzburgs halten zu helfen. Indes: Leitner droht bei der traditionellen Stammwählerschicht, auf die die Freiheitlichen in Salzburg rechnen können, keine Gefahr — selbst wenn sie etwas weniger stark sein sollte.

Ähnlich unverzagt wie die Salzburger Kollegen sehen auch die Tiroler ÖVPler in ihre kommunale Zukunft, die nach dem 31. März beginnt. Zwar konnten die Sozialisten in diversen Fremdenverkehrs- und Industrieorten Einbrüche in die ÖVP-Phalanx erzielen, doch zeigt schon ein Vergleich der Zahl der Listen, die für diese Gemeinderatswahlen im „heiligen Land Tirol“ eingereicht wurden, daß keine Gefahr für die „Schwarzen Mander“ droht. Von 1064 eingereichten Kandidatenlisten tragen 481 die Bezeichnung ÖVP oder es geht ihre Zugehörigkeit zur Volkspartei aus der Bezeichnung zumindest eindeutig hervor. Dagegen hat die SPÖ in diesem Bundesland nur 182 Listen zustande gebracht, die Freiheitlichen überhaupt nur 44. Dagegen gibt es eine unerhört hohe Anzahl von Namenslisten, von denen auf jeden Fall rund 80 ganz parteifrei genannt werden können. In einem Teil davon sind reine Interessengruppen vertreten, ein Teil der Namenslisten beinhaltet Namen von Mitgliedern mehrerer Parteien.

In den 277 Tiroler Gemeinden stellen sich insgesamt rund 20.000 Kandidaten den 260.000 Wahlberechtigten. Das Interesse für eine Betätigung im öffentlichen Leben ist hierzulande mancherorts so groß, daß oft jeder vierte wahlberechtigte Bürger auf einer Kandidatenliste zu finden ist.

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