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Schwarzmaler mit rosaroter Brille

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Die in diesen Tagen bekanntgewordenen Handelsbilanz-, Fremdenverkehrs- und Zahlungsbilanzdaten haben alle pessimistischen Prognosen der Schwarzseher unter den Zahlungsbilanzpropheten noch übertroffen. Manche der als Schwarzmaler denunzierten Experten hatten in Wirklichkeit eine rosarote Brille auf.

Jüngst, im Dezember 1977, schätzte das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung das Handelsbilanzdefizit des Jahres 1977 auf 68,7 Milliarden Schilling. Jetzt wissen wir, daß es 71,4, Milliarden Schilling geworden sind, um 18,8 Milliarden Schilling mehr als 1976,undschondamals verzeichnete das Handelsbilanzdefizit einen Rekordzuwachs. Erinnern wir uns daran, daß noch Ende Februar 1977 Prognosen, die eine Zunahme des Handelsbilanzdefizits um 6 bis 8 Milliarden Schilling für 1977 voraussagten, als Horrorprognosen verurteilt wurden.

Noch etwas größer war die Fehlschätzung der Dienstleistungsbilanz. Im Dezember 1977, also vor knapp zwei Monaten, schätzte man den Uberschuß der Leistungsbilanz auf 25,7 Milliarden Schilling, jetzt sind es bloß 22,2 Milliarden, gegenüber 28 Milliarden Schilling 1976. Damit deckt unsere Dienstleistungsbilanz nur noch. 31 Prozent des Handelsbilanzdefizits, weniger als ein Drittel!

Die gravierende Verschlechterung unserer Dienstleistungsbilanz ist vor allem eine Folge der zunehmenden Passivierung der Zinsenbilanz, nicht so überraschend bei einer Auslandsverschuldung Österreichs von rund 123 Milliarden Schilling per Ende 1977. Enttäuschend entwickelte sich bis zuletzt der Fremdenverkehr. Erstmals seit mehr als zwei Jahrzehnten gingen selbst die Bruttoeinnahmen aus dem Fremdenverkehr um 1,5 Milliarden Schilling zurück, während gleichzeitig die Ausgaben der Österreicher für Auslandsreisen um drei Milliarden Schilling anstiegen, so daß die Nettoeinnahmen um 4,5 Milliarden unter den Nettoeinnahmen des Jahres 1976 liegen und damit fast auf das Niveau des Jahres 1971 zurückfallen.

Unser Leistungsbilanzdefizit erreichte letztes Jahr 49 Milliarden Schilling, damit um fünf Milliarden mehr als man im Dezember 1977 glaubte, und um 22 Milliarden mehr als im Jahre 1976. Die Nationalbankprognose vom Februar 1977 für das Leistungsbilanzdefizit des Jahres 1977 lautete auf 26 Milliarden Schilling!

Als Folge dieser Entwicklung verminderten sich die Nettowährungsreserven nach der alten, seit 1. Jänner 1978 verpönten, Darstellung im Jahre 1977 um 20,8 Milliarden Schüling und wurde somit seit Ende 1976 (39,6 Milliarden) mehr als halbiert Die neue Darstellungsform der „zentralen Währungsreserven“ vernachlässigt die kurzfristige Verschuldung des österreichischen Kreditapparates (Ende Dezember 1977 mehr als 48 Milliarden), was natürlich nur zu einer optischen Verbesserung der Darstellung der internationalen Liquidität Österreichs führt.

Die Nettowährungsreserven Österreichs (nach der alten Berechnungsmethode) erreichten Ende 1977 nur noch 18,9 Müliarden Schilling. Sie entsprachen damit gerade noch dem Nominalwert der Goldbestände unserer Notenbank oder dem Stand unserer Nettowährungsreserven vom August 1961. .

Im Jahre 1961 betrugen Österreichs Jahresimporte aber bloß 38,6 Milliarden Schilling, gegen 234,8 Milliarden Schilling 1977. Die Netto Währungsreserven deckten damals 6 Monatsimporte, jetzt decken sie hoffentlich noch etwas mehr als die Importe eines Monats, wenn die Importe wie erwartet im ersten Halbjahr 1978 stark zurückgehen werden.

War das vergangene Jahr vom Standpunkt der Zahlungsbilanz ein sehr schlechtes, so sind die Aussichten für 1978 auch nicht die besten. Erwartete man bis vor wenigen Monaten eine zumindest vorübergehende Verbesserung der Zahlungsbilanz durch den Rückgang der Importe und den Anstieg der Exporte, so stagnieren letztere seit dem vierten Quartal 1977. Im ersten Quartal 1977 verzeichneten die Exporte noch eine Wachstumsrate von 16,8 Prozent, sie betrug im letzten Quartal nur noch 1,5 Prozent, in den Monaten Oktober und Dezember war sie sogar auf null Prozent gesunken. Auch hier die Spuren einer sehr mechanistisch konzipierten Hartwährungspolitik.

Diese Entwicklung bestätigt aber die von der Wirtschaft, der Opposition und jetzt auch von der OECD wieder vertretene Ansicht, daß man das hohe Leistungsbilanzdefizit Österreichs nicht durch Drosselung der Inlandsnachfrage und damit des Wirtschaftswachstums, sondern nur die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Unternehmen auf den Exportmärkten abbauen kann.

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