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Schweden hält sich heraus

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Mit steigender Verwunderung und nicht ohne Unruhe beobachtet man in schwedischen Regierungskreisen amerikanische Bemühungen, die Frage der amerikanischen Kriegsgefangenen in Nordvietnam mit der Vermittlungsbereitschaft der schwedischen Regierung in Verbindung zu bringen.

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Mit steigender Verwunderung und nicht ohne Unruhe beobachtet man in schwedischen Regierungskreisen amerikanische Bemühungen, die Frage der amerikanischen Kriegsgefangenen in Nordvietnam mit der Vermittlungsbereitschaft der schwedischen Regierung in Verbindung zu bringen.

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So hat der Pressesekretär Präsident Nixons, Ronald Zaegler, der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß Hanoi die humanitären Angebote der schwedischen Regierung, bei der Lösung der Gefangenenfrage zu helfen, annehmen werde. Diese Angebote sollen darin bestehen, gefangene Amerikaner bis Ende des Krieges in Schweden zu internieren, wodurch der Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus Vietnam beschleunigt werden könnte.

Daziu teilt das schwedische Außenministerium mit, daß es in dieser Frage zu keinerlei Kontakten zwischen der schwedischen und der amerikanischen Regierung gekommen ist, und ebensowenig ist es zu schwedischen Vorschlägen über einen Abtransport und eine Internierung der Gefangenen gekommen. Stockholm stellt sehr bestimmt fest, daß man keine Lust hat, die Rolle einer Spielfigur auf dem internationalen oder dem innenpolitischen amerikanischen Feld zu übernehmen. Dahingehende Aussprüche Präsident Nixons seien ganz unbegreiflich und könnten nur als ein taktischer Zug um die öffentliche Meinung verstanden werden.

Schweden hat eine langjährige Tradition auf dem Gebiet humanitärer Einsätze in Kriegszeiten und würde sicher seine Hilfe nicht verweigern, wenn es von beiden Partnern in diesem Konflikt um eine solche gebeten würde. Doch es müssen eben beide Partner in diesem Konflikt sein, die um Hilfe nachsuchen, und eine Voraussetzung ist auch, daß sich diese Partner in Paris oder anderswo auf einen gemeinsamen Beschluß einigen. Keines dieser Länder hat jedoch bisher um Hilfe gebeten und Schweden hat auch keinerlei Vorbereitungen für einen Abtransport und eine Internierung der amerikanischen Gefangenen in Vietnam getroffen.

Der amerikanische Verteidigungsminister Laird hatte bereits früher erklärt, daß er eine Zusicherung über die Mitwirkung schwedischer Fahrzeuge erhalten habe. Auch davon ist der schwedischen Regierung nichts bekannt, obwohl man nicht ausschließt, daß hier private Unternehmen sich bereit erklärt haben, mitzuwirken.

Auf der gleichen Ljnie bewegen sich jene zahlreichen Vorsprachen amerikanischer Pilotenfrauen in Stockholm, die über die schwedische Regierung etwas über ihre verschollenen Männer erfahren wollen. Auch hier mußte die schwedische Regierung darauf verweisen, die eigene US-Regierung zu ehrlichen Friedensbemühungen im Vietnamkonflikt zu zwingen!

Seltsames US-Verhalten

Das Erscheinen von immer neuen Gruppen dieser „Pilotenfrauen“ in

Stockholm versetzt die schwedische Regierung — und hier besonders Regierungschef Olof Palme — allerdings in eine peinliche Situation. Palme hat bisher jede dieser Delegationen empfangen, ohne ihnen doch mehr sagen zu können, als daß er ihre Bitten um Auskünfte über das Schicksal der Gefangenen an die nordvietnamesische Regierung weitergeben wird.

Als jedoch auf eine schwedische Anfrage in Hanoi hin die Namen eine® Anzahl von Amerikanern in vietnamesischer Gefangenschaft bekanntgegeben wurden (darunter Namen von Gefangenen, von denen man seit ihrem Verschwinden vor einigen Jahren nichts mehr gehört hatte), kam von inoffizieller amerikanischer Seite der Hinweis, daß man über das Schicksal dieser Leute längst Bescheid wisse und also die schwedische Mitteilung an die Ange-

hörigen völlig wertlos sei. Es dauerte jedoch nicht lange, bis eine neue Frauendelegation in Stockholm aufkreuzte, ganz offenbar mit Hilfe einflußreicher amerikanischer Institutionen, und Palme ersuchte, doch etwas für die gefangenen Amerikaner zu tun.

Es kann niemanden verwundern, wenn unter diesen Umständen schwedische Regierungsstellen sich in der Kriegsgefangenenfrage sehr zurückhalten, weiß man doch nicht, welches die eigentlichen Absichten der amerikanischen Politik sind. Unter keinen Umständen will man sich bei einem Mißglücken einer Hilfsaktion von amerikanischer Seite den Schwarzen Peter zuschieben lassen. Man hat schon genügend Sorgen mit den amerikanischen Deserteuren in Schweden, deren Zahl sich Woche um Woche erhöht.

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