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Schweine am Werk

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Viele Schweine machen den Trank dünn. Kenner der Szene behaupten, dies sei bloß eine Frage des Standpunkts. Die Szene, wie sie wahrgenommen wird: Schweine am Werk. Die Kenner, nicht unbedingt professionell tätige Aufreißer von Geschichten, als Köche von Schweinssuppen. Was Trüffel dem Eber, sind Skandale dem Kenner. Sind, so gesehen, Kenner der Szene ebenfalls Mitglieder der Gilde des Hl. Schweinhardus?

Alte Schweine haben harte Mäuler, das wissen die Kenner der Szene genau. Alte Eber haben gewaltige Hauer. Doch die Kenner der Szene lieben die Gefahr. Regelmäßig blasen sie zur lustigen Schweinehatz, täglich ist die

Zeit gelegen, muß doch jede Neuausgabe eines Blättchens wenigstens ein Skandälchen beinhalten und finden die Taten der Schweinigel dankbare Leser.

Natürlich können Handlungen dieser Täter durchaus Perlen für die Schweine sein. Denn trotz aller Information ändert sich nichts, der Schweinefraß bleibt giftig.

Und doch wird er jeden Tag begierig genossen und tief in sich hineingesogen. Bekanntlich mästet man das Schwein um des Schweines willen. Es wird zur Nahrung aufgezogen, gehütet, geweidet, gefüttert und schließlich geschlachtet und gebraten.

Eichel- und Buchmast verbessert den Geschmack des Fleisches, nichts kann die Würzmast ersetzen, und gefüllt mit Vögeln und Tieren wird ein solches Schwein zur Delikatesse.

Doch welche Schweine sind am Werk? Wo üben sie sich in ihren schändlichen Tätigkeiten, und vor allem, um welche Schweine handelt es sich? Sind es Stachel-, Moschus-, Bisam-, Nabel-, Dornoder Meerschweine? Vielleicht aber auch Mehr- oder Wenigerschweine? Sind es Land- oder Hausschweine, wilde oder zahme, fette, feiste, dicke, gefräßige, blinde, tolle, böse, blinde, schmutzige, faule, dumme Schweine?

Sind es die lustvollen Grunzer,

die sich's im Schweinekoben gutgehen lassen, weil sie bedient werden von Schweinehirten, oder sind es die satt vom Trog abgehenden und blöde quietschenden, wenn sie getreten werden?

Oder sind es die, die anscheinend lammfromm zur Suhle trippeln, um den dürren Brand zu stillen, genüßlich schnaufen und wühlen, ahnungslos wie hetzig die Stimmung beim Schweinestechen sein- kann?

Vielleicht erscheint nur einem schweinsaug'gen Ochsenkopf mit wahren Eselsohren die Welt als riesiger Schweinestall, der wieder einmal anständig ausgemistet gehört? Vielleicht ist die Welt aber auch bloß ein riesiger Schweinekessel, wo ständig herumgerührt wird, um den richtigen Brei für Schweinekunz und Saujost zu bereiten?

Besser den Schweinemagen voll Sautrank, die Schweinelaus im Pelz und den drohenden Verschnitt in der täglichen Verdrängung, als Hunger zu leiden. Ist das Leben nicht lebenswert als Esel im Schachspiel — das ist natürlich Teil einer anderen Geschichte — und als Schwein, das Maultrommel spielt?

Ach was, Durchblick! Genügt nicht das Wissen, mit vielen Zeitgenossen noch nicht Schweine gehütet zu haben, weshalb noch zahlreiche amüsante Begegnungen möglich sind, mit Freunden am Abend in Stadt und Land Schweinchen treiben gehen zu können und selbst als blindes Schwein hin und wieder in freier Natur eine Eichel zu finden, während man sonst zufrieden aus dem gefüllten Nursch frißt?

Das Selbstverständnis, ein armes, getretenes Schwein zu sein, hat den Vorteil der Gewißheit, in einer Herde zu leben, wo das Oben für die, die im Sumpf leben, nur erreichbar ist, wenn sie Schwein haben, während die anderen bloß zusehen können, wie heiter, gelöst und flott es zugeht, wenn Schweine am Werk sind.

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