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Schwere Zeiten für alleinstehende Mütter
Alleinerzieherinnen sind keine Randgruppenerscheinung mehr. Die Zahl derer, die ihr Kind ohne Partner erziehen (müssen), steigt. Meist drücken die Mütter große finanzielle Sorgen.
Alleinerzieherinnen sind keine Randgruppenerscheinung mehr. Die Zahl derer, die ihr Kind ohne Partner erziehen (müssen), steigt. Meist drücken die Mütter große finanzielle Sorgen.
„Während Erwerbsbeteiligung und Arbeitszeiten der Alleinerzieherinnen verglichen mit anderen Müttern erheblich über dem Durchschnitt liegen, ist ihr Haushaltseinkommen vergleichsweise sehr gering, zu einem bedeutenden Teil sogar nahe oder unterhalb der Armutsgrenze." Das ist die Kemaussage eines kürzlich präsentierten Forschungsberichts im Auftrag des Sozialministeriums. Erstellt wurde die Studie von Universitätsdozentin Liselotte Wilk und ihrer Mitarbeiterin Martina Beham.
Alleinerzieherinnen sind in Österreich keine Randgruppenerscheinung mehr. Dies zeigt folgende Untersuchung: 1988 lebten in Österreich 103.000 Alleinerzieherinnen mit Kindern unter 15 Jahren, davon 46,5 Prozent unverheiratet, 35,5 Prozent geschieden, 10,1 Prozent verwitwet und 8,9 Prozent vom Ehegatten getrennt. Der Großteil der Alleinerzieherinnen ist jünger als 39 Jahre, die Unverheirateten unter ihnen sind meistens jünger als 30.40 Prozent der Alleinerzie-herinnnen können nur den Pflichtschulabschluß vorweisen, der Anteil der Akademikerinnen ist mit 4,7 Prozent äußerst gering.
Aus diesen Zahlen schloß Ex-Minister Walter Geppert im Vorwort dieser Studie, daß die Bedeutung von Heirat und Ehe tendenziell abnimmt. Neue Formen des Zusammenlebens ergeben sich, meinte er. Die Gesellschaft wird dadurch vor andere Anforderungen gestellt. Dozentin Wilk jedoch ist überzeugt, daß nach wie vor die Ehe die bedeutendste Lebensgemeinschaft bleiben wird, wenngleich erst nach ein paar Jahren des Zusammenlebens geheiratet wird. Meist ist der Wunsch nach gemeinsamen Kindern das auslösende Moment für den Schritt zum Standesamt.
Entschieden dementiert die Soziologin, daß der Trend „Kind-Ja, Mann-Nein, Danke!" in letzter Zeit zugenommen habe. Alleinerzieher zu werden, liegt nicht im Interesse der Eltern, sondern „passiert" aufgrund persönlicher Umstände (Trennung, Scheidung, Todesfall...). Die Zahl derer, die ihr Kind ohne partnerschaftliche Hilfe erziehen müssen, steigt dennoch kontinuierlich an. Die menschliche Not wird noch vergrößert durch die materiellen Sorgen.
Regionale Unterschiede
Das Pro-Kopf-Einkommen von alleinerziehenden Arbeitnehmerinnen ist um ein Drittel geringer als das von Durchschnittshaushalten, fast jeder dritte der Alleinerziehenden lebt in der Nähe oder sogar unterhalb der Armutsgrenze. Um die finanzielle Situation zu verbessern, werden zwar Unterstützungszahlungen und Sozialhilfe gewährt, die Sozialhilfe-Richtsätze und die Anspruchsvoraussetzungen sind aber von Bundesland zu Bundesland verschieden:
Bekommt eine alleinerziehende Mutter im Burgenland nur4.375 Schilling, so darf sich die Salzburgerin über 6.615 Schilling freuen. Die wichtigsten Förderungen der öffentlichen Hand sind die „familienfördernden Maßnahmen", dazu gehören unter anderem Wochengeld, Geburtenbeihilfe und Karenzurlaubsgeld sowie verschiedene Sachleistungen (Schülerfreifahrt, Schulbuchaktion). Es gibt nur wenige Leistungen, die ausschließlich Alleinerzieherinnen offenstehen. Meist sind sie entweder Frauen, Alleinverdiener/innen und einkommensschwachen Personen generell zugänglich. So erhält diese Gruppe bei der Familienbeihilfe 200 Schilling zusätzlich, wenn das Jahreseinkommen 96.000 Schilling nicht übersteigt. Alleinerzieherinnen steht erhöhtes Karenzgeld (monatlich um 2.310 Schilling mehr) zu, die Teilzeitbeihilfe für Bäuerinnen und Selbständige wurde von 78 auf 116 Schilling täglich aufgestockt.
Außerdem wurde in letzter Zeit versucht, die Arbeitszeitbedingungen für Frauen generell, besonders aber von Alleinerzieherinnen, zu verbessern. Teilzeitbeschäftigt sind vor allem verheiratete Frauen, da das Einkommen für Alleinverdienende zu gering wäre.
Soziologin Wilk befürwortet deshalb das Einführen einer Ausgleichszulage für Teilzeitbeschäftigte. Diese soll aufgrund der Alleinerzieherleistung gewährt werden. Der Einstieg in das Berufsleben soll den karenzierten Frauen durch flexible Arbeitszeiten erleichtert, die Betreuungseinrichtungenfür Kinder müßten verbessert werden. Unbedingt sollten aber Mütter die ihnen zur Verfügung stehende Karenzurlaubszeit in Anspruch nehmen. „Den Verlust, den ein Kleinkind in diesen beiden ersten Jahren durch eine kollektive Betreuung erleidet (Krabbelstube, Babypension), ist prägend für das weitere Leben und nie mehr wieder aufzuholen. Ersteht in keinem Vergleich zu dem, was eine Mutter in der Karenzzeit entbehrt. Überhaupt kommen die Kinder zu kurz. In erster Linie soll man die Bedürfnisse des
Kleinkindes, dem schwächsten Glied der Gesellschaft, befriedigen. Es ist stumpfsinnig, wenn Frauen -und Familienpolitik gegeneinander arbeiten", warnt die Soziologin.
Nichts wendet sie jedoch gegen die Ganztagsschulen ein, in denen Schüler bis 16 Uhr unter qualifiziertem Aufsichtspersonal beschäftigt werden. „Das kann man Kindern im schulpflichtigen Alter ruhig zumuten", antwortet sie auf die Frage, ob dies nicht ein Widerspruch zum vorher Geforderten sei. Durch das Einführen von Ganztagsschulen kann die Dreifachbelastung der Mütter (Kind, Beruf, Haushalt) gemindert werden.
Unerfüllte Forderungen
Obwohl seit den siebziger Jahren eine Bewußtseinsänderung in der Bevölkerung hinsichtlich des Status der Alleinerzieherinnen stattgefunden hat (von „ledigen Müttern" zu „Ein-eltemteil-Familien") und auch durch gesetzliche Veränderungen die Rechte der unehelichen Kinder betont wurden, sind noch viele Forderungen unerfüllt. So zum Beispiel Karenzgeld ohne vorherige Erwerbstätigkeit und ein Grundeinkommen für Kinder als finanzielle Absicherung beziehen zu können.
Die Anliegen der Alleinerziehenden werden übrigens auch von der „Österreichischen Plattform für Alleinerziehende" (ökumenische, überparteiliche Vereinigung) unterstützt und an die Öffentlichkeit gebracht. Die seit 1987 bestehende Interessenvertretung in Graz hat neben ihrer politischen Tätigkeit zum Beispiel auch andere Aufgaben: Beratung, Infor-mations-und Erfahrungsaustausch unter den Alleinerziehenden, Veranstaltung von Workshops und Seminaren mit praxisbezogenen Themen.
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