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Schwert mit zwei Schneiden

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Karl Böck ist ein bekannter und erfahrener Rechtsanwalt in Pressesachen. Er kennt die Probleme sowohl aus der Sicht der Medien wie auch jener, die sich gegen Medien wehren wollen. Für die FURCHE erläutert er hier die wichtigsten Punkte des neuen Mediengesetzes, das am 1. Jänner 1982 in Kraft treten wird.

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Karl Böck ist ein bekannter und erfahrener Rechtsanwalt in Pressesachen. Er kennt die Probleme sowohl aus der Sicht der Medien wie auch jener, die sich gegen Medien wehren wollen. Für die FURCHE erläutert er hier die wichtigsten Punkte des neuen Mediengesetzes, das am 1. Jänner 1982 in Kraft treten wird.

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Das neue Mediengesetz bringt eine wesentliche Änderung der bestehenden Rechtslage gegenüber dem Pressegesetz aus dem Jahre 1922 und auch gegenüber dem Rundfunkgesetz, soweit dieses sich auf das Entgegnungsrecht bezieht. Eine vollständige Aufzählung aller dieser Änderungen der bestehenden Rechtslage würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen, sodaß nur jene Teilgebiete herausgegriffen werden sollen, in denen der Staatsbürger unmittelbar mit den Medien in Berührung kommen kann: das Entgegnungsrecht und das weite Feld des Ehrenschutzes.

Seit Jahrzehnten war es ein Anliegen der Presse, das Entgegnungsrecht dahingehend zu ändern, daß Zeitungen nicht mehr gezwungen werden können, eine unwahre Entgegnung auf eine wahre Tatsachenbehauptung zu veröffentlichen. Diesem Grundsatz trägt das neue Mediengesetz Rechnung, indem es eine Art Bescheinigungsverfahren einführt.

Nach dem gegenwärtig noch geltenden Pressegesetz, und auch nach dem Rundfunkgesetz, kann das Medium, von einer einzigen Ausnahme abgesehen, im Entgegnungsverfahren nicht einwenden, daß die Entgegnung unwahr ist. Erst wenn eine Zeitung eine Entgegnung veröffentlicht hat, steht ihr die Möglichkeit zur Verfügung, im Wege eines Zivilprozesses nach § 24 (7) Pressegesetz den Ersatz der Inseratengebühren für die bereits veröffentlichte Entgegnung zu begehren, und die Befugnis zu erhalten, das über diese Inseratenklage ergangene Urteil auf Kosten des Entgegnungswerbers zu veröffentlichen.

Diese Inseratenklage ist aber ein sehr schwaches Hilfsmittel gegen unwahre Entgegnungen, weil das Urteil in diesem Zivilprozess erst lange Zeit nach Veröffentlichung der Entgegnung gefällt wird.

Das neue Mediengesetz jedoch bestimmt in seinem § 9 ausdrücklich, daß jede durch eine Tatsachenmitteilung in einem periodischen Medium betroffene Person Anspruch auf unentgeltliche Veröffentlichung einer Entgegnung hat, es sei denn, daß die Entgegnung unwahr ist. In einem gerichtlichen Verfahren wegen Verweigerung einer Entgegnung kann nunmehr das Medium auch einwenden, daß die Entgegnung unwahr ist, und das Gericht kann den Antrag auf Veröffentlichung der Entgegnung abweisen, wenn dem Medium der Beweis der Unwahrheit der Entgegnung gelingt.

Allerdings müßte der vom Medium zum Beweis der Unwahrheit der Entgegnung angebotene Beweis innerhalb einer Frist von 14 Tagen aufgenommen werden. Wenn der Beweis der Unwahrheit der Entgegnung dem Medieninhaber in dieser Frist nicht möglich ist, kann er dann in einem fortgesetzten Verfahren vor dem Strafrichter, allerdings erst nach Veröffentlichung der Entgegnung, noch immer den Beweis der Unwahrheit erbringen. Dieses fortgesetzte Verfahren tritt an die Stelle der erwähnten Inseratenklage des gegenwärtigen Rechtes.

Einer der Leitgedanken des neuen Mediengesetzes ist die Entkriminalisierung auf diesem Rechtsgebiet. Während nach dem gegenwärtigen Pressegesetz die Verweigerung der Veröffentlichung einer Entgegnung oder deren nicht frist- oder formgerechte Veröffentlichung eine strafbare Handlung darstellen, für die der Verantwortliche Redakteur zur Verantwortung gezogen werden kann, hat das neue Mediengesetz den Begriff des verantwortlichen Redakteurs abgeschafft. Das ganze Entgegnungsrecht steht daher nicht mehr unter Strafsanktion. '

Wegen Verweigerung der Veröffentlichung einer Entgegnung, oder wegen nicht frist- oder formgerechter Veröffentlichung, soll nicht mehr eine Pri vatanklage eingebracht werden können, sondern lediglich ein Antrag, gerichtet auf Veröffentlichung und Kostenersatz. Über diesen Antrag entscheidet zwar der Strafrichter, er kann aber nicht mehr eine Strafe verhängen, sondern nur die Veröffentlichung der Entgegnung anordnen, über die Kosten entscheiden und dem Antragsgegner eine Geldbuße auferlegen. Antragsgegner ist in einem solchen Verfahren der Medieninhaber.

Die wesentlichen Änderungen des Entgegnungsrechtes nach dem neuen Mediengesetz sind also einerseits die

Möglichkeit für das Medium, schon im Entgegnungsverfahren selbst den Beweis für die Unwahrheit der Entgegnung zu erbringen, und andererseits die erwähnte Entkriminalisierung.

Beide Neuerungen sind für die Medien eine wesentliche Verbesserung der gegenwärtigen Rechtslage. Es gibt gegenwärtig Berufsjournalisten, deren Strafkarte zahlreiche Vorstrafen wegen strafbarer Handlungen gemäß § 24 Pressegesetz aufweist, weil diese Journalisten eben für längere Zeit die Funktion des verantwortlichen Redakteurs ausübten.

Das alte Pressegesetz kam mit zwei Paragraphen für das Entgegnungsrecht aus, im Mediengesetz sind dem Entgegnungsrecht acht Paragraphen gewidmet.

Das ganze Entgegnungsverfahren ist freilich sehr kompliziert, sodaß es dem einfachen Staatsbürger kaum möglich sein wird, selbst, ohne die Hilfe eines Anwaltes, eine Entgegnung zu formulieren und deren Veröffentlichung vor Gericht durchzusetzen.

Der schon erwähnte Grundgedanke der Entkriminalisierung des Medienredakteurs führt auch dazu, daß für einen Zeitungsaufsatz, der nicht namentlich von seinem Verfasser gezeichnet wurde, keinerlei Strafsanktion mehr besteht,

Während nach der alten Rechtslage bei einem namentlich gezeichneten Aufsatz sowohl der Verfasser, als auch der verantwortliche Redakteur bestraft werden konnten, soll nunmehrbeieinem namentlich gezeichneten Aufsatz nur mehr die Bestrafung des Verfassers möglich sein. Ist aber der Aufsatz vom Verfasser nicht gezeichnet, fällt jede Strafsanktion weg. Überdies kann sich der Verfasser, sofern er Medieninhaber oder Medienmitarbeiter ist, nach dem neuen Recht auch auf die Erfüllung der journalistischen Sorgfaltspflicht berufen, um straffrei zu bleiben.

Nach der bisherigen Rechtslage konnte bei qualifizierter Öffentlichkeit einer üblen Nachrede, welche bei Veröffentlichung in einem Medium immer gegeben ist, nur der Wahrheitsbeweis zur Straflosigkeit führen. Nunmehr wird sich aber der Medieninhaber oder der Medienmitarbeiter auch darauf berufen können, daß bei Aufwendung der gebotenen journalistischen Sorgfalt für ihn hinreichende Gründe vorhanden sind, die Behauptungen für wahr zu halten. Allerdings kann er sich auf die Wahrnehmung der journalistischen Sorgfaltspflicht nur dann berufen, wenn ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung der betreffenden Mitteilung bestanden hat.

Dieser Beweis der Wahrnehmung der journalistischen Sorgfaltspflicht ist nur für den Medienmitarbeiter oder den Medieninhaber, nicht aber für einen Leserbriefschreiber möglich. Gelingt dem Verfasser zwar nicht der Wahrheitsbeweis, wohl aber der Beweis der Wahrnehmung der journalistischen Sorgfaltspflicht, also eine Art Beweis der guten Glaubens, dann wird der Medienmitarbeiter oder Medieninhaber zwar freigesprochen, es wird ihm aber der Kostenersatz auferlegt, und das Medium muß eine Feststellung veröffentlichen, daß der Wahrheitsbeweis nicht gelungen ist.

Das Mediengesetz hat damit beim Tatbild der üblen Nachrede und sohin bei Verletzung von Persönlichkeitsrechten die Möglichkeit einer Bestrafung sehr beschränkt, weil nur mehr der Verfasser, dem der Beweis der journalistischen Sorgfalt nicht gelingt, bestraft werden kann, dafür aber einen Entschädigungsanspruch geschaffen, welcher die immateriellen Schäden des Betroffenen abgelten soll.

Nach § 6 des Mediengesetzes hat der Betroffene gegen den Medieninhaber, also nicht gegen den Verfasser, einen Anspruch auf Entschädigung für die erlittene Kränkung, wenn in dem Medium der objektive Tatbestand der üblen Nachrede, der Verspottung oder der Verleumdung hergestellt wird.

Dieser Entschädigungsanspruch be steht nicht bei wahrheitsgetreuen Berichten über Verhandlungen in einer gesetzgebenden Körperschaft, und er besteht nicht, wenn die Veröffentlichung wahr ist oder ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung bestanden hat und auch bei Aufwendung der gebotenen journalistischen Sorgfaltspflicht für den Verfasser hinreichende Gründe vorhanden sind, die Behauptung für wahr zu halten.

Diese Einschränkung des Entschädigungsanspruches bringt nun den Medieninhaber in eine schwierige Situation. Handelt es sich um einen namentlich gezeichneten Artikel, stellt sich sicherlich kein Problem. Anders aber verhält es sich bei namentlich nicht gezeichneten Aufsätzen. In einem solchen Fall ist, wie bereits erwähnt, eine Strafbarkeit überhaupt nicht gegeben, und es kann daher der Entschädigungsanspruch nur in einem selbständigen Verfahren geltend gemacht werden.

Der Medieninhaber ist gemäß § 31 Mediengesetz, wo der Schutz des Redaktionsgeheimnisses festgelegt wird, nicht verpflichtet, den Verfasser eines Aufsatzes zu nennen. Wenn er ihn aber nicht nennt, bringt er sich selbst um die Möglichkeit, sich im Verfahren über den Entschädigungsanspruch auf die Aufwendung der gebotenen journalistischen Sorgfaltspflicht durch den Verfasser zu berufen.

Das gegenwärtig noch geltende Pressegesetz sieht für den Beweis des guten Glaubens, welcher allerdings nur für die Frage einer Geldbuße von Bedeutung ist, auch einen objektivierten guten Glauben vor, weil sich sogar jener verantwortliche Redakteur, der den Aufsatz nicht gelesen hat, auf den guten Glauben berufen kann.

Das Mediengesetz aber stellt ausdrücklich durch die Worte „für den Verfasser“ auf den guten Glauben des Verfassers ab. Er muß die journalistische Sorgfaltspflicht erfüllt haben, und daher muß der Medieninhaber, wenn er den Entschädigungsanspruch des Betroffenen abwenden will, diesen Verfasser nennen. Nennt er aber den Verfasser eines ursprünglich nicht namentlich gezeichneten Aufsatzes, dann kann der Betroffene gegen diesen Verfasser die Privatklage wegen übler Nachrede einbringen, weil ja die subjektive Verjährungsfrist für den Betroffenen erst in jenem Augenblick beginnt, zu dem ihm die Person des Täters bekannt wird.

Damit erweist sich die neue Regelung des Mediengesetzes als ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite sind alle nicht namentlich gezeichneten Aufsätze straffrei, doch muß der Medieninhaber selbst den Verfasser preisgeben, wenn er sich auf die Erfüllung der journalistischen Sorgfaltspflicht berufen will. Nennt der Medieninhaber den Verfasser jedoch nicht, dann muß er im selbständigen Verfahren über den Entschädigungsanspruch den Wahrheitsbeweis erbringen.

Die vorliegenden Ausführungen haben sich nur auf zwei Teilgebiete beschränkt und wollten vor allem darlegen, daß vielen Wünschen der Zeitung und Journalismen durch das Mediengesetz Rechnung getragen wurde. Ob und wie weit dadurch die Rechte des einzelnen Staatsbürgers beeinträchtigt werden, wird wohl erst die Anwendung des neuen Gesetzes in der Praxis zeigen.

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