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„Schwert, nicht Friede“

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Daß in Kroatien Jakov Blazevic zum „Präsidenten des Präsjdiumsder Repu­blik“, also zum formellen Staatsober­haupt dieses überwiegend katholischen Teilstaates Jugoslawiens gemacht wurde, war schon in sich eine instinkt­lose und beinah provokatorische Hand­lung der Staatsmacht: Denn der Alt­kommunist war seinerzeit Ankläger im Schauprozeß gegen den damaligen Erz­bischof von Agram und kroatischen Primas, Kardinal Stepinac.

Blazevic selbst tat dann noch einiges, um, die Provokation unerträglich zu machen. Anläßlich der Veröffentli­chung seiner Memoiren unter dem be­zeichnenden Titel „Schwert, nicht Friede“ richtete er unqualifizierte Vor­würfe gegen die katholische Kirche.

Er kritisierte eine Reise des Agramer

Erzbischofs Dr. Franjo Kuharic nach Übersee, zu den kroatischen Emigran­ten, die er ohne viel Federlesen zu „de­moralisierten Abfällen unseres Lan­des“ und „Faschisten“ verteufelte.

Blazevic klagte die katholische Kir­che an, sich nicht verändert zu haben, sondern jugoslawienfeindlich und „kle­rikalfaschistisch“ geblieben zu sein. Er behauptete, das ehemalige Konzentra­tionslager Jasenovac sei ein „Symbol der Stepinac-Politik“ und erfrechte sich zu der Lüge, daß die „Hierarchie der katholischen Kirche dieses Landes seit Jahrhunderten den Kampf gegen das kroatische Volk“ führe.

Die Ausfälle des kroatischen Staats­präsidenten gegen die Kirche haben vermutlich mehrere Gründe:

• Die jugoslawischen Kommunisten machen sich Sorgen über den anhalten­den und sogar wachsenden Einfluß der Kirche und fürchten - besonders in Kroatien - einen „Wojtyla-Effekt“.

Jüngster Ausdruck dafür: Der für re­ligiöse Fragen zuständige Ausschuß des „Sozialistischen Bundes der Werktäti­gen Jugoslawiens“ polemisierte etwa, daß ohne Rücksicht auf die schwere wirtschaftliche Lage Jugoslawiens wei­terhin selbst dort teure Gotteshäuser gebaut würden, „wo kein Bedarf be­steht“.

Die Kirchenpresse stelle „die Reli­gion als ewig“, die Partei aber als vor­übergehende Erscheinung dar. „Glau­bensmanifestationen, Meditationstref­fen, kulturelle und künstlerische Veran­staltungen der Kirche“ fänden statt, „was alles nicht in Übereinstimmung mit den Gesetzen steht.“

• In der kollektiven Führungsspitze Ju­goslawiens tobt ein Kampf zwischen „Liberalen“ und „Dogmatikern“, der noch unentschieden ist. Wenn Blazevic noch einmal die Härte verteidigt, mit der er Kardinal Stepinac verfolgte, ver­urteilt er gleichzeitig jene in den eigenen Reihen, die es heute auf bessere Bezie­hungen zu den Gläubigen angelegt ha­ben - etwa den amtierenden gesamtju­goslawischen Staatspräsidenten Mija­tovic, der kürzlich von Papst Johannes Paul II. empfangen wurde.

• Blazevic ist vermutlich auch deshalb gegen den Agramer Erzbischof Kuha­ric in die Offensive gegangen, weil die­ser ein in Jugoslawien gerade jetzt höchst brisantes Thema aufgegriffen hat: Erzbischof Kuharic setzte sich für politische Gefangene ein, indem er etwa in einer Predigt ausführte: „Ich stelle die Frage, ob die Regierung genügend Sorge trägt, daß in den Gefängnissen nicht gewissenlose Personen ungesetz­

lich und unmenschlich mit den Häftlin­gen umgehen.“

Damit hat Erzbischof Kuharic am sorgfältig gepflegten Image Jugosla­wiens gekratzt, das sich gerne als das „liberalste und menschenwürdigste kommunistische Regime“ (was. auch der Westen gerne eilfertig bestätigt) verkauft.

• Schließlich dürfte Blazevic in den Ausführungen von Kuharic auch wie­der erwachenden „Nationalismus“ ge­wittert haben, da der Kirchenmann für sich und seine Priester meinte: „Mit un­serer Geburt werden wir in unser Volk entsandt, in seine Geschichte, in seine Freuden und Leiden. Wir alle sind Söhne der kroatischen Nation. Darin liègt unsere Würde.“

• Éin letzter Grund für die kirchen-

feindliche Offensive dürfte darin zu su­chen sein, daß das in Vorbereitung be­findliche „Gesetz über gesellschaftliche Organisationen und Vereinigungen von Bürgern“ bei der ersten Diskussion zwischen Partei- und Kirchenvertretern bei den Religionsgemeinschaften wenig Anklang fand.

Das Gesetz sieht etwa die Möglich­keit religiöser Bürgervereinigungen (die Rolle der Kirche in Jugoslawien war ja bisher per Gesetz streng auf ihre Mauern beschränkt und sie durfte bis­her nach Auffassung der Partei kejne pädagogischen, karitativen oder son­stige „gesellschaftlichen“ Aufgaben wahrnehmen) vor - aber nur für den Fall, wenn der „Sozialistische Bund der Werktätigen“ seine Zustimmung gibt.

Es ist kein Wunder, daß sich von al­len Religionsgemeinschaften her nun Widerstand zu formieren beginnt. Er reicht von den Orthodoxen bis natür­lich hin zu den Katholiken in Kroatien.

Die katholischen Geistlichen Kroa­tiens haben daher unter der Führung von Monsignore Stankovic und mit Duldung des Bischofs von Djakovo, Cyril Kos, an die Staatsmacht einen of­fenen Brief gerichtet, der - im Westen bisher weitgehend unbekannt - von der FURCHE im Wortlaut gebracht wird.

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