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Schwierige Regierungsbildung

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war am 30. Juni, am Tag, an dem die Israelis ihr neues Parlament wählten: „Mit Gottes Hilfe habe ich ein Mandat bekommen, die neue Regierung zu bilden", erklärte ein übermüdeter Menachem Begin um 3 Uhr morgens im Wahlstab seines Parlamentsblocks Likud. Begins Zuversicht kam nicht von ungefähr: Er dürfte auch in Zukunft die israelische Regierung anführen - ein Kabinett allerdings, das auf jeden Fall auf wackligen Füßen stehen wird!

Im Gegensatz zu den Wahlen in den vergangen Jahren war es dieses Mal kein Ringen um Ideologie, sondern eine Diskussion um die Persönlichkeit der beiden Listenführer gewesen.

Da alle ideologischen Hintergründe in den Schatten gestellt wurden, die anderen Listenführer des Likudblocks kaum zu Wort kamen, wurde die Wahl mehr zu einer Volksabstimmung für und gegen Menachem Begin.

Die Arbeiterpartei hingegen versagte in ihrer gesamten Wahlpropaganda. Erst knapp zwei Wochen vor den Wahlen konnte sie mit den Parolen „Nur nicht Likud" und „Nur nicht Begin" ihre Wähler hinter sich vereinigen.

Das Ergebnis stand bei Redaktionsschluß dieser Ausgabe, noch nicht endgültig fest. Die offiziellen Resultate sollen erst bis Ende der nächsten Woche veröffentlicht werden und dann erst wird klar sein, ob die Arbeiterpartei 47 und Begins Likud 48 Mandate erhält.

Theoretisch wenigstens hat Menachem Begin mehr Aussichten, eine neue Regierung zu bilden. Er führte bereits" Verhandlungen mit der Religiös-Nationalen Partei, die bei diesen Wahlen von 12 auf sechs Mandate heruntergesackt ist. Dank ihrer heutigen Schlüsselstellung kann sie bei den Koalitionsverhandlungen mit ihren sechs Mandaten genauso große politische Ansprüche stellen wie seinerzeit mit 12 und drei Ministerposten fordern.

Die Unterstützung der orthodoxen „Agudat-Israel", die weitere religiöse Konzessionen fordert, bringt auch nur vier Mandate mit sich, so daß Begins Koalition dann 58 Mandate hat.

Die drei Mandate der orientalischen Tami-Partei könnten zwar eine Koalition ermöglichen, doch hat sich die Religiös-Nationale Partei noch nicht dazu durchringen können, mit dem heutigen Religionsminister Aharon Abuhazera an ein und demselben Tisch zu sitzen.

nachdem dieser in der letzten Minute seine Mutterpartei verraten und seine eigene Partei der Orientalisch-Religiösen gebildet hat.

Es wird Begin noch viele Überredungskünste kosten, bis er ein neues Kabinett bilden kann - wenn überhaupt! Und dann ist noch die Frage, wie lang kann sich eine Regierung mit einer Mehrheit von ein bis zwei Mandaten innerhalb des 120köpfigen Parlaments über Wasser halten kann. Denn es ist noch lange nicht sicher, ob jedes Parlamentsmitglied immer bereit ist. Begin in jeder Angelegenheit blind zu folgen.

Shimon Peres hat recht, wenn er den Versuch unternimmt, eine Arbeiterpartei-Regierung zu bilden, denn die meisten Wähler des Maarach haben den Arbeiterparteiblock gewählt - aus Angst, daß Begin weitere vier Jahre am Ruder bleibt und das Land zu einem wirtschaftlichen und politischen Bankrott führt.

Doch sind seine Schwierigkeiten bei einer Kabinettsbildung fast unüberbrückbar. Peres könnte eventuell mit Hilfe von Dayans Einmannfraktion sowie der Einmannfraktion der Bürgerrechtler und der eventuellen Zweimannfraktion der ehemaligen Partei Professor Yigal Yadins Schinui eine Koalition bilden. Aber dann hat er erst 51 Mandate; mit der passiven Unterstützung der kommunistischen Partei kann er bis zu 56 Sitzen kommen.

Wenn Peres sein Kabinett jedoch auch auf eine der religiösen Parteien aufbauen will, so besteht die Frage, wie weit es sich die Sozialistische Arbeiterpartei erlauben kann, den erpresserischen Forderungen der Religiösen nachzukommen.

Man nimmt im allgemeinen an, daß vorverlegte Wahlen die einzige Lösung sein werden, eine Regierung mit einer massiven Parlamentsmehrheit zu bilden.

Bei diesen Wahlen kamen^rneut die bisher umgangenen ethnischen Gegensätze, die auch sozial bedingt sind, zum Ausdruck.

Für die meisten orientalischen Wähler war Begin der Mann: Er verkörpert eine aggressive Antiaraberpolitik. Gerade die arabischen Juden, die in ihren Herkunftsländern lange Zeit unterdrückt waren, haben einen unbezähmbaren Araberhaß entwickelt.

Die orientalischen Juden sahen andererseits in der Arbeiterpartei das Establishment, das sie jahrzehntelang als zweitklassig behandelt hat und, statt ihre eigene Kultur zu fördern, versucht hat, ihnen die westliche „überlegene" Kultur aufzuzwingen.

Die gutsituierte alteingesessene Bevölkerung hingegen wählte die Arbeiterpartei, um auf diese Weise eine Le-vantisierung des Landes zu verhindern, sodaß die Gegensätze zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber völlig in den Hintergrund gerückt worden waren, und die Großhändler, Kaufleute und Industriellen sich zusammen mit den kleinen Angestellten, ungelernten und angelernten Arbeitern in einer Partei befinden.

Auf der anderen Seite der Barrikade standen die Kibbuzim, Kollektivdörfer, gutsituierte Landwirte, Intellektuelle sowie die besser gestellten Städtebewohner und ca. 20 Prozent orientalische Juden, die die Arbeiterpartei gewählt haben, weil sie bereits zum Establishment gehören. Die sozialistische Ideologie wurde hier fast völlig in den Hintergrund gedrängt.

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