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Schwierigkeiten mit der Bildung einer neuen Koalition

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„Wir wollen eine große Koalition, wenn wir schon kein nationales Notstandskabinett aufstellen können“, erklärte Menachem Begin, unumschränkter Listenführer des Likud- wahlblocks, kurz nach seinem überragenden Wahlsieg vom 17. Mai.

Dann begannen die Koalitionsverhandlungen mit der drittgrößten Fraktion, der Demokratischen Erneuerungsbewegung, die 15 Parlamentssitze erringen konnte. Doch früher noch kam es zu unvorhersehbaren Zwischenfällen: Entgegen allen Erwartungen erklärte der designierte Ministerpräsident drei Tage nach den Wahlen, daß nun ganz Westjordanien für jüdische Neuansied- lungen offenstehe und daß dieses besetzte Gebiet einen integralen Bestandteil Israels bilde. Diese Erklärung erregte die Gemüter in der Demokratischen Erneuerungsbewegung, ging es doch hier um den wichtigsten Streitpunkt zwischen den beiden Parteien. ‘

Es folgten Koalitionsverhandlungen mit der Religiös-Nationalen Partei, die zwar prinzipiell geneigt ist, einer Koalition mit dem Likud beizutreten, doch wünschen die Gemäßigten unter den Religiös-Nationalen ei- „nen solchen Beitritt nur unter der Bedingung, daß auch die Demokratische Emeuerungsbewegung sich der Koalition anschließt. Einen Tag vor Verhandlungsbeginn erlitt Menachem Begin dann jenen dramatischen Schwächeanfall, der um so ernster zu bewerten war, als er schon zwei Monate früher mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Die Likudfraktion führte nun vorübergehend die Koalitionsverhandlungen ohne Begin, holte aber seinen Rat ein. Hauptproblem dieser rechtsorientierten Fraktion ist es ja, eine Regierung zu bilden, die im-

verhüten.

Menachem Begins Persönlichkeit ist innerhalb des Likudwahlblocks, bestehend aus drei größeren Parteien und Splittergruppen, so dominant, daß eben nur er mit einer gemeinsamen Anerkennung als .Listenführer rechnen kann. Seine Cherutpartei ist zwar die weitaus größte und stärkste innerhalb des Likud, doch genießen alle anderenPersönlichkeiten, die auf der Liste des Cherut stehen, wenig Vertrauen bei ihren Blockpartnern.

Dennoch verhandelten während Begins Erkrankung der Führer der liberalen Partei, Simeha Ehrlich, und der zweite Spitzenkandidat auf der Cherutliste, Ezer Weizmann, gemeinsam weiter. Beide kommen allerdings als Ministerpräsidenten kaum in Frage.

Begins maximalistische Erklärungen in bezug auf die israelische Ansiedlung in Westjordanien haben nicht nur im Ausland und bei den gegnerischen Parteien Bestürzung ausgelöst, sondern auch bei den eigenen Blockpartnem. Eine Konfrontation unterblieb jedoch bis zu Begins Genesung.

Im Laufe der Koalitionsverhandlungen stellte sich übrigens heraus, daß einer der beiden Diskussionspunkte - die Einführung des Regionalwahlsystems - vom Likud diskussionslos akzeptiert wurde. Die Verhandlungspartner ‘ waren sich darüber einig, daß die nächsten Wahlen erst nach ‘Ablauf von vier Jahren stattfinden sollen, so daß sich die Diskussion also auf die politischen Definitionen konzentrieren konnte. Der Likud propagiert eine Einverleibung Westjordaniens und des Gazastreifens und will territoriale Konzessionen nur auf der Sinaihalbinsel und auf den Golanhöhen akzeptieren. Damit hat er auch die Frage beantwortet, ob in Westjordanien ein palästinensischer Staat errichtet werden soll. Dagegen will er den Arabern Westjordaniens volle politische Gleichberechtigung gewähren.

Die Demokratische Emeuerungsbewegung hingegen hat sich zum Ziel gesetzt, den größten Teil Westjordaniens nach Friedensschluß den Jordaniern zurückzugeben und nur militärische Stützpunkte im Jordantal zu belassen. Der Jordan wäre dann nicht staatliche, wohl aber militärische Grenze Israels.

Daß die Demokratische Emeuerungsbewegung Bedenken hat, der rechtsorientierten Koalition beizutreten, ist somit verständlich. Doch wollten die Wähler dieser Partei eine politische Gesundung herbeiführen, nicht aber eine neue lautstarke Opposition bilden.

In Form von Anzeigen in der Presse und von Petitionen versuchten Wählerinitiativen die Demokratische Erneuerungsbewegung in eine Koalition zu lotsen, um so einen allgemeinen weiteren Rechtsruck zu vermeiden. Vor den Gewerkschaftswahlen vom21.Juniwills ich jedoch n iem and endgültig festlegen.

Zweitstärkste Persönlichkeit innerhalb der neuen Kombinationen ist der Spitzenkandidat der Demokratischen Emeuerungsbewegung, Professor Jigal Yadin, ein weltbekannter Archäologe, dessen großartiges Buch über die „Zitadelle Salomos“ unlängst von der FURCHE besprochen wurde. Seine Partei ist zwar kleiner als der Likud, doch steht er dank seiner außergewöhnlichen Persönlichkeit über allen Parteizwistigkeiten.

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