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Sdimidt a la Adenauer?

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Die Weichen für den bundesdeutschen Bundestagswahlkampf 1976 sind offenbar endgültig gestellt. CDU, SPD und FDP haben ihre Wahlprogramme vorgelegt, und CDU und FDP haben auch schon ihren'Wahlparteitag hinter sich. Danach und nach einer Generaldebatte im Bonner Bundestag können sich die Wähler zwischen Boden-und Nordsee darauf einstellen, was bis Oktober an Verlockungen und Parolen über sie dahinprasseln wird.

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Die Weichen für den bundesdeutschen Bundestagswahlkampf 1976 sind offenbar endgültig gestellt. CDU, SPD und FDP haben ihre Wahlprogramme vorgelegt, und CDU und FDP haben auch schon ihren'Wahlparteitag hinter sich. Danach und nach einer Generaldebatte im Bonner Bundestag können sich die Wähler zwischen Boden-und Nordsee darauf einstellen, was bis Oktober an Verlockungen und Parolen über sie dahinprasseln wird.

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Am klarsten hat die CDU ihre Wahlkampfstrategie mit ihren Slogans „Freiheit statt Sozialismus“ und „Aus Liebe zu Deutschland“ abgesteckt und auf dem Parteitag in Hannover verdeutlicht. Sie sucht eine harte Konfrontation mit den bisherigen Regierungsparteien, denen sie vorwirft, eine sozialistische Gesellschaft vorzubereiten. Demgegenüber stellt sich die CDU als Wahrerin der Freiheit und der Rechte des einzelnen dar. Mit dem Appell an die Vaterlandsliebe soll vor allem die SPD getroffen werden, die ihr Zugpferd Helmut Schmidt als staatserhaltende und -fördernde Vater- und Leitfigur herausstellen will.

Die griffigen CDU-Parolen haben für die Union aber auch ihre Tücken. Die geringste davon ist, daß die „Liebe zu Deutschland“ an einen Slogan der Waschmittelfirma Henkel erinnert („Aus Liebe zur Wäsche“), bei der CDU-Generalsekretär Biedenkopf einst Manager war. Die Freiheit-Sozialismus-Alternative, die sich im Baden-Württembergischen Wahlkampf so bewährt hat, könnte in nördlichen Gebieten, wo Emotionen weniger Raum gegeben wird, weitaus weniger Zugkraft haben. Vor allem wirkt die in dem Slogan angesprochene sozialistische Bedrohung angesichts des pragmatischen und rechten SPD-Kanzlers Schmidt etwas überzogen. In einer politischen Landschaft, die vor allem von der Diskussion um den Wirtschaftsaufschwung bestimmt wird, könnte eine solche Parole einfach an der Wirklichkeit vorbeigehen und damit die CDU bei vielen Wählern unglaubwürdig machen.

Mit der kämpferischen Frontstellung gegen Sozialismus und Unfreiheit begibt sich auch CDU-Kanzlerkandidat Helmut Kohl auf ein für ihn ungewohntes Terrain. Seine Stärke ist nicht so sehr die Konfrontation, der Kampf und die Härte. Dies alles liegt einem Franz Josef Strauß, der diese Wahlkampfstrategie auch wesentlich geprägt hat. Kohls Stärke ist das Ausgleichende,Versöhnliche. Seine — Solidarität ausstrahlende — Art wäre ein natürlicher Gegensatz zu dem forschen Schmidt gewesen. Aber statt sich als weiser und gütiger „Vater des Vaterlandes“ zu profilieren, der seinen Mitbürgern Wohlstand und Zufriedenheit verspricht, markiert Kohl nunmehr den Retter des Abendlandes vor dem Absinken in einen verbürokratisierten, kollektivistischen Sozialismus. Mit der Verlagerung der Wahlkampfakzente hin zum Ideologischen und Grundsätzlichen vermeidet die CDU allerdings auch, daß sie zu sehr in Fragen der praktischen politischen und wirtschaftlichen Entwicklung hineingezogen wird, wo sie etwa bei sich belebender Konjunktur nicht mehr so leicht der Regierung völliges Versagen vorwerfen kann.

Kein Wunder, daß sich die Regierungsparteien SPD und FDP dagegen ganz auf die Leistung der zurückliegenden Jahre konzentrieren. Die SPD tritt unausgesprochen unter dem alten Adenauer-Slogan „Keine Experimente“ an. Sie will mit einer Leistungsbilanz der Regierung Schmidt operieren. Auch die FDP hat auf ihrem Wahlparteitag die Trinität „Freiheit — Fortschritt — Leistung“ zu ihrem Motto gemacht. Dabei sind die Regierungsparteien darum bemüht, sich — gegen die CDU verteidigend — als Freiheitsgaranten zu geben.

Um jeden Verdacht einer schleichenden Einführung des Sozialismus zu beseitigen, geben sich nun etwa Schmidt und FDP-Wirtschaftsminister Friderichs als Garanten der Marktwirtschaft. Dies wirkte sich bis auf die Welthandelskonferenz in Nairobi aus, wo die rigorose Ablehnung eines reglementierten Rohstoffmarktes durch die Bundesrepublik auf die innenpolitische Konfrontation zurückzuführen war. Die sozialliberale Koalition wollte demonstrieren, daß sie selbst auf internationaler Ebene an den Prinzipien freier Marktwirtschaft eisern festhält.

Ein in Nairobi offenkundig gewordener Konflikt zwischen Friderichs und SPD-Entwicklungshilfeminister Bahr warf ein weiteres Schlaglicht auf die innenpolitische Szene. So offenkundig wie dieser Konflikt war und so total er unter den Teppich gekehrt wurde, sind auch sonst die Verhältnisse in dieser Zweckehe zwischen SPD und FDP.

Dezidiert hat sich die FDP auf ihrem Wahlparteitag in Freiburg für eine Fortsetzung der Koalition mit der SPD ausgesprochen. Sie offeriert sich damit allen Wählern, die einen Fortbestand der Regierung Schmidt wünschen, aber die linken Tendenzen in der SPD gebremst sehen wollen. Damit stellt sich die FDP als der wirksame Schutz vor sozialistischen Entwicklungen vor, was ihr von den Wählern, wie Meinungsumfragen zeigen, honoriert werden könnte.

Die Zeiten, da eine Annäherung zwischen FDP und CDU möglich schien, sind rasch und gründlich verflogen. Die FDP widerstand der Versuchung von Niedersachsen, ein direktes oder indirektes Bündnis mit der CDU einzugehen. Sie hat sich damit zwar von dem Geruch befreit, eine „Umfallerpartei“ zu sein, aber allzu rosig ist ihre Situation dennoch nicht. In Baden-Württemberg war die Schlappe nahezu vernichtend.

Aber auch eine schwache FDP ist für die Union ein harter Gegner, wenn sie Gegner bleibt. Denn damit muß das CDU-Ziel „absolute Mehrheit“ heißen und das ist zwar durch die Ereignisse rund um den Machtwechsel in Niedersachsen näher gerückt, aber noch immer schwer zu erreichen. Denn, so scheint es zur Zeit, die Zeit arbeitet schon wieder für die Regierungsparteien. Die Wirtschaft erholt sich, der Lorbeer von Hannover ist schon wieder welk und FDP/SPD haben wieder Tritt gefaßt.

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