Zur Feier ihres 25jährigen Bestehens brachte die Burgenländische Landesbühne, die leider noch immer keine eigene Bühne hat und daher im Gasthaussaal spielen muß, Brechts „Schwejk im zweiten Weltkrieg”, zweifellos keines der „großen” Brecht-Stücke, aber dafür um so geeigneter für einen zeitgeschichtlichen Unterricht, der Objektivität nicht mit Farblosigkeit verwechselt und Stellungnahme gegen die Unmenschlichkeit nicht mit Subjektivität. Der Erfolg der Aufführung bei den jungen Burgenländem ist ein Beweis dafür, daß die Jugend nur vom unverbindlichen Wischiwaschi-Zeit geschichte-Unterricht genug hat und zu einer engagierten Stellungnahme sehr wohl Zugang findet.
Diese Leistung des Ensembles (das wirklich noch eines ist) sollte ein Grund mehr sein, Otto Kery, dem Leiter der Landesbühne, seinen Herzenswunsch zu erfüllen und endlich den Bau eines ortsfesten Theaters in Eisenstadt ins Auge zu fassen. Eine solche Brücke zur Jugend wäre sehr viel wichtiger als eine Brücke in den Seewinkel.
Gegen die burgenländische Schwejk- Aufführung ist einiges einzuwenden, aber vorher muß hlargestellt werden: Das ist keine jener Brecht-Aufführungen, die, mit Absicht oder nicht, nur dazu gut sind, die angebliche Überholtheit Brechts zu bestätigen. Paradebeispiel: Die letzte „Dredgroschenoper”-Inszenierung im Volkstheater, die keinen Staub aufwirbeln konnte, weil sie im Staub erstickte.
Der Schwejk im Burgenland ist lebendiges, pralles Theater. Vor allem dank Otto Baier, der zu all den angesichts dieser Figur immer wieder strapazierten 08/15-Attribu- ten, von der „Menschlichkeit” bis zur „Verschmitztheit”, die tragische Ambivalenz dieser Rolle sichtbar zu machen verstand. Mag mit Ernst Essel auch die personifizierte Outrage in SS-Uniform auf die Bühne getreten sein (aber wie soll man einen SS-Mann heute spielen?), Schwejk war keineswegs der mit List und Frechheit mit allem fertigwerdende kleine Mann, darauf reduziert man ihn bloß heute gern. Schwejk ist der verzweifelte kleine Mann, der seinen Kopf schon neben dem Rumpf sieht und um ihn mit den einzigen Waffen kämpft, die er hat — das Unternehmen kann gelingen, oder auch nicht. — Der Ausgang bleibt in der Aufführung ungewiß, in Rußland droht auch Schwejks Witz an der schaurigen Realität zu zerbrechen, dies die Botschaft des in Reinhold Tischlers Inszenierung leider nicht bewältigten Stückendes.
Der zweite Teil fällt überhaupt etwas ab, Striche und Inszenierungen lassen die an sich schwache Figur des Feldkuraten (ebenfalls Ernst Essel) proportionsverzerrend anschwellen. Mit den Songs tut sich das ganze Ensembel (ausgenommen Otto Baier) schwer, Herta Dinhobl als Anna Kopecka und Tony Goebel als Baloun geben ihr Bestes als Staffage für Schwejk.
Einen vorbildlichen, weil differenzierten und mehrdimensionalen Schwejk, eine plastische Figur voll der Komik, aber frei von den üblichen, den schrecklichen Hintergrund dieses Stückes verharmlosenden Schwankelementen.