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Sehnsucht nach Waffenruhe

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„El Salvador ist zu einem Kampfgebiet geworden, auf dem die imperialistischen Blöcke aneinandergeraten sind; sie wollen dieses Land in eine zusätzliche Figur umwandeln, die sie auf ihrem komplexen weltpolitischen Schachbrett ins Spiel bringen können."

So sieht der Salvadorianer Luis Enrique Marius, stellvertretender Generalsekretär der CLAT (Lateinamerikanische Arbeitcrzentrale) die größeren Zusammenhänge der Vorgänge in und um das Bürgerkriegsland El Salvador. Marius berichtete vor kurzem bei einer Pressekonferenz in Wien über eine internationale Tagung, deren Zielsetzung es ist, eine gewaltlose, politische und demokratische Lösung für dieses kleine mittelamerikanische Land zu finden, in dem ein grausamer Bürgerkrieg bereits an die 20.000 Menschenleben gefordert hat.

Marius ist überzeugt: Dieser Krieg ist vor allem eine Angelegenheit rechts-und linksextrehier Kreise (und der hinter ihnen stehenden Großmächte), die große Mehrheit des leidgeprüften Volkes sehne sich indes nach einem Waffenstillstand und nach der Durchführung von friedlichen Reformen.

Bei Fortsetzung der blutigen Auseinandersetzungen sei ein Sieg der Rechten nur eine Frage der Zeit, ebenso die zwangsläufig darauffolgende Militärdiktatur.

Einen Sieg der Guerillas hält Marius

für unmöglich. Und in diesem Zusammenhang weist er auch jeden Vergleich mit Nikaragua zurück: Denn die Sandi-nisten hätten bei ihrer Revolution das gesamte Volk hinter sich gehabt, was für die Opposition in El Salvador nicht zutre/fe.

Eindeutig ist seine Stellungnahme gegen die Einmischung ausländischer Mächte: „Insbesondere die nordamerikanische Militärhilfe lehnen wir ab, da sie nur zur Festigung des Unterdrückungsapparates und zur Stärkung des salvadorianischen Militarismus beiträgt. Ebenso sind wir gegen Waffenlieferungen an die Guerilla von selten der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten. Denn auch diese Waffen sind nur dazu da, den Bürgerkrieg zu verlängern und Bauern und Arbeiter zu ermorden …"

„Wir" - das sind etwa 250 Leiter gewerkschaftlicher Organisationen aus Lateinamerika, Nordamerika und Europa, die mehr als 25 Millionen Arbeitnehmer vertreten. Mit internationaler Hilfe (Marius sprach bereits vor dem Europaparlament und will auch die Mithilfe des Vatikans erbitten) soll ein Hilfsplan für den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau El Salva-dors entwickelt werden. An dessen Anfang muß allerdings ein sofortiger Waffenstillstand stehen.

Danach sollen sich alle politischen Kräfte des Landes zusammensetzen

und Grundlagen für freie Wahlen schaffen, damit sich ein demokratisch-plura-listisches System etablieren kann. Marius würde sich von einer solchen Lösung Signalwirkung für die weitere politische Entwicklung auch der übrigen lateinamerikanischen Staaten erwarten.

Friedliche Maßnahmen sind unerläßlich, denn El Salvador versinkt immer mehr in der Armut: die Arbeitslosigkeit ist hoch (mehr als 60 Prozent der Einwohner des Landes sind größtenteils nur teilzeitbeschäftigte Landarbeiter), die Analphabetenquote ist beträchtlich, Wohnungen fehlen, die sozialen Bedingungen sind vielfach menschenunwürdig. Schuld an diesem Elend ist vor allem auch die ungerechte Verteilung von Grund und Boden.

Der Bürgerkrieg hat dazu geführt -abgesehen jetzt von den vielen anderen schrecklichen Begleiterscheinungen -, daß das Bruttonationalprodukt derzeit jährlich um sechs Prozent schrumpft. 400.000 Menschen sind aus El Salvador geflüchtet, viele Agrargebiete, die nun als Schlachtfeld dienen, völlig cntsie-delt.

Marius: „Weg mit den Waffen aus El Salvador, damit die Stimme des Volkes anstatt die Stimme der Waffen gehört wird!" Bleibt zu hoffen, daß das Rufen der „Pazifisten" El Salvadors nicht fruchtlos verhallt.

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