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Sein Name ist Melchior

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Der schwarze Erdteil hat den Schleier seiner Unerforscht- heit abgeworfen. Die Landkarte des Kontinents kennt keine weißen Stellen mehr. Vielmehr verwirrt heute die bunte Vielfalt kleiner und kleinster Staaten das politische Bild dieses zukunftsträchtigen Erdteils. Das Erbe der Kolonialherren erfüllt aber nicht nur die Politiker mit Sorge. Es bedroht auch den Lebensnerv der „schwarzen Kirche“, die das europäische Gewand abzustreifen und ein eigenständiges afrikanisches Kleid zu weben versucht.

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Der schwarze Erdteil hat den Schleier seiner Unerforscht- heit abgeworfen. Die Landkarte des Kontinents kennt keine weißen Stellen mehr. Vielmehr verwirrt heute die bunte Vielfalt kleiner und kleinster Staaten das politische Bild dieses zukunftsträchtigen Erdteils. Das Erbe der Kolonialherren erfüllt aber nicht nur die Politiker mit Sorge. Es bedroht auch den Lebensnerv der „schwarzen Kirche“, die das europäische Gewand abzustreifen und ein eigenständiges afrikanisches Kleid zu weben versucht.

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Der Mangel an pastoralėm Personal Ist seit langer Zeit auch in den Dörfern im Busch spürbar — und nach der dem europäisch-amerikanischen Lebensstandard nachstrebenden Stadt am Rande des Busches. Dieser Mangel scheint tragisch oder droht es in naher Zukunft zu werden.

Afrika zählt heute mehr als 300 Millionen Einwohner, die etwa zu 10 Prozent dem katholischen Christentum angehören. Sicherlich kündet diese Zahl von einem raschen Wachstum innerhalb der letzten zwanzig Jahre. Anderseits aber kann die Statistik kaum über die alarmierende Tatsache hinwegtäuschen, daß auf Grund des afrikanischen

„Priester-Index“ die Gefahr besteht, das die alten nichtchristlichen Vorstellungen und Praktiken die Frohbotschaft zu ersticken drohen. In Afrika arbeiten ungefähr 16.000 Priester. Sollte das Leben in den Pfarren aber Einigermaßen gewährleistet werden, wäre zumindest die doppelte Anzahl von Nöten. Denn in Afrika ist der Priester noch immer Missionar, das heißt, er arbeitet vornehmlich in einer Gesellschaft, die nicht von Christen geformt ist. Der afrikanische Priester sieht seine Aufgabe in der Verkündigung des Evangeliums und in der Einpflanzung der „ecclesia“ — der Gemeinde in Christus — dort, wo sie noch nicht präsent geworden ist.

Der Afrikamissionar, der schwarze und der weiße Priester, muß dem Afrikaner helfen, die Diskrepanz zwischen der afrikanischen Welt und der seit Jahrhunderten verantwortungslos importierten europäischen Kultur einer Lösung entgegenzufüh- ren. Es ist Aufgabe der Kirche, eine Verbindung zwischen beiden Kulturen herzustellen. Ohne jedoch die eine oder die andere zu verleugnen. Das Ziel ist die gegenseitige Befruchtung. Ein Zieį das zunächst mit Hilfe der rein menschlichen Intelligenz des „Fremden“ in Afrika angestrebt werden muß, dann aber auch in der paulinischen Forderung des oft mißdeuteten „Allen-alles-werden“ wurzelt.

Soziologische Untersuchungen haben statistische Zahlen ergeben, auf deren Basis sich die folgenden Vorschläge aufbauen. Nur muß mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, nicht in den Fehler zu verfallen, die Kirche Christi allein nach einem statistischen Gesichtspunkt orten zu wollen. Es wird hier an Hand eines Aspektes die Bedingung der Möglichkeit erläutert, die einen echten Fortschritt in der theologischen Gesamtheit der Kirche Afrikas zu zeitigen vermag.

Der Wille Gottes, allen Menschen die Frohbotschaft von Seinem Reich zu verkünden, widerspricht der Meinung einiger klerikaler Kreise in Afrika, die Anzahl der Taufen zu beschränken oder den vielgefragten Priester aus den missionierten Gebieten abzuziehen und ihn in nichtchristlichen Gegenden „einzusetzen“.

Heute ist es ohne weiteres möglich, die Zahl der einheimischen Priester auf einige Jahre „vorauszuberechnen“. Und hier zeigt sich — wie in den meisten Ländern der Welt — eine immer mehr sinkende Tendenz.

Die Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils, daß es „die Aufgabe der ganzen christlichen Gemeinschaft ist, die Berufungen zu fördern“, muß im letzten auch dahingehend verstanden werden: daß man sich mit allen Kräften und mit Zuhilfenahme aller Wissenszweige in genaue Studien über die tatsächlichen Bedingungert’ für das Wachsen der Priesterberufe vertiefen muß. Dies gilt sicher nicht nur für Afrika.

Doch gerade dieser Kontinent ist bis auf weiteres auf die Hilfe ausländischer Priester angewiesen. Unter den traditionsgemäß priesterlichen Ländern Europas und Nordamerikas vermag allein Irland Hoffnung auf größere Hilfeleistung aufrechtzuer halten. Der Wunsch des Konzils wird auch hier zur unumgänglichen Bedingung: Die Bischöfe sollten „einige ihrer besten Priester, die sich für das Missionswerk anbieten .. „ in priesterarme Diözesen schicken …“. Auch dieses Konzilsdekret bestätigte die Mehrzahl der Bischöfe. Bis heute bleilbt es zum größten Teil noch immer offene Frage, ob sie zu diesem ihren Wort auch stehen werden und wollen. Die enormen Schwierigkeiten, die afrikanischen Verhältnisse kennenzulemen und sie dann in den eigenen westlich-abendländischen Lebensstil zu integrieren, dürfen freilich nicht verschwiegen werden. Hier tut sich ein Fragenkomplex auf, der vielleicht die fundamentalste Frage der Kirche Christi in Afrika überhaupt ist.

In einigen Diözesen dieses Kontinents haben die Bischöfe jungen Menschen die Möglichkeit gegeben, in den oft weitausgedehnten Pfarren als Diakone zu arbeiten. Dennoch bleibt die doppelte Frage bestehen, ob dieses Amt in seiner vollen Möglichkeit und Fülle erfaßt wird und ob das dauernde Diakonat, so nützlich es scheint,, nicht doch eine unzureichende Lösung für den afrikanischen Priestermangel ist. Das Problem müßte viel eher yom mündigen Christen ausgelöst werden, der „aus eigener Initiative Werke in Angriff nehmen sollte“. (Das sind Worte des Konzils.) Bis jetzt aber ist die ganze Organisation der Kirche und ihrer Institutionen (in Afrika) klerikal, das heißt betreut und geleitet von den Bischöfen und Priestern und Ordensschwestern.

Ohne die dogmatische und praktische Notwendigkeit des Priester amtes in Zweifel zu ziehen, heißt die Lösung der Schwierigkeiten der katholischen Kirche in Afrika ganz einfach: der Laie. Theologische und soziologische Studjen im Auftrag der einzelnen Bischofskonferenzen müs- Wege aufzeigen, wie der Laie seine Rolle in der konkreten Ortskirche zu erfüllen hat, um die Kirche zur echten Mitarbeiterin an der eigenen menschlichen Entwicklung zu machen.

Dieser Weg zu den streng strukturierten afrikanischen Kirchen gehört zu den ersten Sorgen des afrikanischen Klerus. Schwarze und weiße Priester und Bischöfe und Helfer aus anderen Erdteilen müssen den Einsatz des Laien in seiner Kirche konkret organisieren und neu orientieren. Das steht an der Spitze nicht nur des Episkopats, sondern der ganzen Gemeinde Christi: Die Verwirklichung eines dynamischen afrikanischen Volkes Gottes in allen afrikanischen Teilkirchen.

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