6929155-1982_22_17.jpg
Digital In Arbeit

Seit der Antike in Geldgeschäften tätig

19451960198020002020

Nach mehr als zehnjähriger Vorbereitung kann am 9. Juni 1982 im Wertheimerhaus in Eisenstadt das Österreichische Jüdische Museum eröffnet werden. Die Eröffnungsausstellung möchte jüdische Geschichte und Kultur in Österreich ab der Jahrtausendwende nahebringen.

19451960198020002020

Nach mehr als zehnjähriger Vorbereitung kann am 9. Juni 1982 im Wertheimerhaus in Eisenstadt das Österreichische Jüdische Museum eröffnet werden. Die Eröffnungsausstellung möchte jüdische Geschichte und Kultur in Österreich ab der Jahrtausendwende nahebringen.

Werbung
Werbung
Werbung

Der jüdische Gelehrte und Finanzmann Samson Wertheimer wurde 1658 in Worms geboren und kam im Jahre 1684 nach Wien. Zunächst im Dienste des Samuel Oppenheimer, dann aber auch unabhängig von diesem, unterstützte er den Hof in Wien durch seine finanziellen Transaktionen als Kreditgeber der Regierung. 1703 wurde er zum Hoffaktor ernannt, erhielt also eine Art von Adelsprädikat für Juden.

Seine große rabbinische Gelehrsamkeit zeichnete ihn neben seinen Fähigkeiten als Finanzmann des Kaisers aus. Daher ehrten ihn die ungarischen Juden, indem sie ihm die Würde eines Oberrabbiners übertrugen. In der autonomen jüdischen Gemeinde von Eisenstadt-Unterberg errichtete er daher zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein Haus, das zwar schon auf ungarischem Boden aber auch nicht weit von Wien entfernt war.

Nach dem Schloß Esterhazy ist es das zweitgrößte und zweitbedeutendste Althaus von Eisenstadt, das mit Hilfe des Bundes, des Burgenlandes und der übrigen acht Bundesländer für museale Zwecke adaptiert werden konnte.

Die Modalitäten des Ankaufs und der Adaptierung des Wertheimerhauses nahmen, vor allem wegen der dafür notwendigen Budgetmittel, mehr als zehn Jahre in Anspruch. Während dieser Zeit veranstaltete der Museumsverein mehrere Ausstellungen, so zum Beispiel: Das Judentum im Revolutionsjahr 1848 (1973), Der gelbe Stern in Österreich (1977), Judentum im Mittelalter (1978 Burgenländische Landesausstellung im Schloß Halbturn), Das österreichische Judentum zur Zeit Maria Theresias und Josephs II. (1980).

Einige dieser Ausstellungen wurden außer in Eisenstadt auch in anderen Städten Österreichs, in der Bundesrepublik Deutschland und in Israel gezeigt. Repräsentative Ausschnitte daraus werden gleichsam als Rechenschaftsbericht über geleistete Arbeit im Wertheimerhaus zu ebener Erde präsentiert.

Die Eröffnungsausstellung selbst ist dem eigentlichen Zweck des Museums gewidmet, die jüdische Geschichte und Kultur in Österreich zu repräsentieren. Trotz aller Gegensätze gab es auch auffällige Gemeinsamkeiten zwischen der jüdischen Kultur und jener der christlichen Mehrheitsbevölkerung. Zur Zeit der Gotik beispielsweise prägte diese Stilform auch den Bau der Synagogen und die Illustration hebräischer Handschriften sowie den hebräischen Schrifttypus selbst.

Sehr wahrscheinlich gab es schon in der Spätantike Juden im Gebiet von Noricum und Panno-nien. Doch diese nur aus analogen Gegebenheiten im Rheinland zu erschließenden jüdischen Siedlungen wurden, wie übrigens auch das spätantike Christentum, im

Donau- und Alpenraum ein Opfer der Völkerwanderung. Erst vom Beginn des 10. Jahrhunderts (906, Zollordnung von Raffelstätten an der Enns) stammen Nachrichten über jüdische Kaufleute, die durch österreichisches Gebiet zogen. Aus dieser Zeit sind auch aus anderen Quellen jüdische Fernhändler belegt.

Feste jüdische Gemeinden sind erst seit den letzten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts urkundlich nachgewiesen und seit Beginn des 13. Jahrhunderts, als allenthalben neue Städte entstanden, gab es zahlreiche jüdische Gemeinden in den Donau- und Alpenländern.

Von allem Anfang an waren jedenfalls die österreichischen Juden vorwiegend mit dem Finanzwesen und dem Geldgeschäft in Verbindung. Sie hatten den vermehrten Geldbedarf sowohl der adeligen Ritter (Turniere) als auch des aufstrebenden städtischen Bürgertums zu decken. Auch die Herrschenden waren an den Judensteuern (Judenregal) besonders interessiert, da die Juden als Gegenleistung nur die Freiheit ihrer Religionsausübung und nicht auch politischen Einfluß verlangen konnten.

Wenn man der Juden nicht mehr bedurfte oder ihrer nicht mehr zu bedürfen vermeinte, wurden sie einfach des Landes verwiesen, so im 15. Jahrhundert. Dabei boten als Begründung die mittelalterlichen Beschuldigungen gegen die Juden, wie Ritualmord, Hostienschändung und Brunnenvergiftung, einen stets paraten Vorwand. Doch wurden einzelne Juden immer wieder „toleriert”, von denen sich die Regierenden finanzielle Vorteile erhofften.

Aus den hofbefreiten Juden des 16. Jahrhunderts entstand der Grundstock für die „Judenstadt am unteren Werd” im Gebiet des heutigen 2. Wiener Gemeindebezirks (1624-1670). Die Türkenkriege und der spanische Erbfolgekrieg veranlaßten aber wieder den kaiserlichen Hof, sich nach jüdischen Geldgebern umzusehen. So entstand das Amt der Hofjuden (Hoffaktoren), deren bedeutendste Samuel Oppenheimer und Samson Wertheimer waren.

Die Hof Juden bewohnten Stadtpalais in Wien, in denen sie ihre Privatsynagogen hatten, da ihnen die Errichtung einer Gemeindesynagoge verboten war. Für ihren eigenen Bedarf ließen sie kunstvoll illuminierte , Handschriften herstellen, die meist von Künstlern stammten, die in Mähren geboren wurden.

Eine entscheidende Wende brachte das Toleranzpatent Kaiser Josephs II. vom Jahre 1782. Von nun an setzte die Periode der Emanzipation und Assimilation ein. Auch der bis dahin zumeist nur religiös begründete Antisemitismus erhielt neue Motivationen. Man fürchtete, besonders im frühkapitalistischen Zeitalter, die Konkurrenz der Juden, die ab 1867 als Bürger mit vollen Rechten anerkannt wurden.

Dazu kam der rassistische und deutschnationale Aspekt, der die Juden nicht mehr wegen ihrer Religion sondern wegen ihrer Zugehörigkeit zur sogenannten „semitischen Rasse” bekämpfte. Wirtschaftliche und rassistische Elemente unter weiterer Verwendung religiöser Motive gaben dem Antisemitismus eine bis dahin unbekannte Schärfe. Der in Budapest geborene und in der Redaktion der Neuen Freien Presse in Wien wirkende Journalist Theodor Herzl wurde als Reaktion auf diesen Antisemitismus zum Begründer des politischen Zionismus.

Der unmittelbaren Vorgeschichte der Katastrophe des Nationalsozialismus ist zu ebener Erde des Museums ein eigener Raum gewidmet, der nochmals die Ausstellung „Der gelbe Stern in Österreich” aus dem Jahr 1977 enthält. Eine wiederhergestellte Tafel neben dem Eingang in das Wertheimerhaus gedenkt der im Ersten Weltkrieg gefallenen Bürger der jüdischen Gemeinde Eisenstadt-Unterberg.

Der Autor ist Vorstand des Instituts für Ju-daistik an der Universität Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung