6974659-1985_42_15.jpg
Digital In Arbeit

Selbständig, aber zuwenig dotiert

19451960198020002020

Hans Tuppy nimmt Stellung: zum UOG, zu seiner neuen Aufgabe als Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und zum Verhältnis Kirche-Wissenschaft.

19451960198020002020

Hans Tuppy nimmt Stellung: zum UOG, zu seiner neuen Aufgabe als Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und zum Verhältnis Kirche-Wissenschaft.

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE: Herr Professor Tuppy, gerade ist das Universitätsor-ganisationsgesetz zehn Jahre alt geworden. Hat Österreichs Wissenschaft sich mit dem UOG abgefunden?

PROFESSOR HANS TUPPY: Das UOG ist eine Neugestaltung des Hochschulwesens gewesen, die einerseits eine starke Mitwirkung der in den Hochschulen tätigen Gruppen gebracht hat, die fällig war, anderseits eine Verstärkung des staatlichen Einflusses auf die Universitätsadministration. Meiner Meinung nach liegt der Fehler darin, daß es innerhalb der Gruppen zu einem Vorherrschen von Interessenstandpunkten kommt. Ich möchte nicht sagen, daß in diesem System nicht auch gute Entscheidungen fallen können, aber das System ist nicht darauf angelegt, daß die höchste Qualität zum Zug kommt. Ich persönlich glaube, daß wir eine grundlegende Revision dieses Gesetzes brauchen.

FURCHE: Wie stehen Sie zu Initiativen, insbesondere der Gewerkschaften, im Hochschulwesen mehr mitreden zu können?

TUPPY: Ich habe den Eindruck, daß man nicht beides haben kann. Man kann nicht einerseits eine Konstruktion haben, bei der eine ungewöhnliche Form der Partizipation aller an der Universität Tätigen gegeben ist, und gleichzeitig eine Konstruktion, die eigentlich dem betrieblichen, wirtschaftlichen Raum angehören würde. Es sind zwei verschiedene Systeme. Je mehr man die Hochschule aus dem unmittelbaren staatlichen Einfluß entließe, je mehr man ihr die Möglichkeit gäbe, selbst betrieblich mit Effizienzgesichtspunkten wirksam zu werden, in viel stärkerem Maße ihre Budgetautonomie, Entscheidungsautonomie auszuspielen, im selben Maße wäre es möglich, stärker den anderen Aspekt einzuführen.

„Die Personal kosten fressen in den Instituten das Budget auf.“

FURCHE: Wie sehen Sie heute, wo teilweise mehrere Forschungseinrichtungen parallel arbeiten, die Aufgaben der österreichischen Akademie der Wissenschaften, deren Präsident Sie gerade geworden sind?

TUPPY: Ich glaube, wir sollten die ursprüngliche Aufgabe der Akademie trotz vieler anderer aktueller Aufgaben nicht vergessen, nämlich, daß sie eine Gelehrtengemeinschaft ist, in der Wissenschaftler, Gelehrte verschiedener Disziplinen miteinander das Gespräch pflegen, wichtige wissenschaftliche Ergebnisse, Hypothesen, Theorien vortragen, austauschen, korrigieren. Es gibt heute sehr viele aktuelle Probleme, zu deren Lösung man die Wissenschaft heranzieht, die nicht von Vertretern eines Faches bewältigt werden können.

Die uns sehr bewegenden Probleme Umwelt, Energie, soziale Probleme, Technikbewertung erfordern heute nicht mehr Einzelgutachten von hochspezialisierten Wissenschaftsvertretern eines Gebietes, sondern gemeinsame wissenschaftliche Urteile. Und hier erscheint mir eine Institution wie eine Akademie der Wissenschaften, die über ein großes Potential an Wissen und wissenschaftlicher Erfahrung durch ihre Mitglieder (die wirklichen und korrespondierenden Mitglieder) verfügt, sehr aktuell.

Dazu kommt, daß die Akademie, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Präsidenten Erich Schmidt, auch zu einer bedeutenden Forschungsträgeror-gariisation geworden ist. Sie hat Institute gegründet, zum Beispiel für Molekularbiologie, Hochenergiephysik, Limnologie, Demographie, Sozio-ökonomische Entwicklungsforschung, Publikumsforschung. In der Regel handelt es sich um Institute, die einen breiteren Ansatz haben und die Zusammenarbeit von Forschern verschiedener Richtungen erfordern.

Die Akademie ist drittens aber auch die Relaisstelle für internationale Zusammenarbeit.

FURCHE: Hat die Akademie genug Freiraum und genug Geld zum Forschen?

TUPPY: Die Akademie ist unter rechtlichen Aspekten betrachtet eine außerordentlich selbständige Institution, weit mehr als die Universitäten. Vom Standpunkt einer Wissenschaftsträgerorganisation, die versucht, relevante Forschung, die an anderen Stellen nicht oder nicht genügend vielseitig betrieben wird, zu betreiben, reicht das Budget nicht. Die Personalkosten fressen in den Instituten das Budget in einem viel zu hohen Grade auf. Hier gibt es große Probleme.

FURCHE: Gibt es neue Forschungsschwerpunkte der Akademie?

TUPPY: Ja. Es freut mich, daß zum Beispiel die Ostasienforschung zu einem neuen Forschungsgebiet der Akademie wird. Das ist wieder eine Aufgabe, die der Akademie so richtig angemessen ist, eben nicht nur eine Sprache, oder die Kultur eines Landes zum Gegenstand der Forschung zu machen, sondern den Zusammenhang zu sehen. Eine interessante Neuentwicklung ist, daß nun die Technikbewertung in die Aufgaben der Akademie aufgenommen worden ist. Außerdem möchte die Akademie ihr Engagement in der Mittelenergiephysik verstärken.

FURCHE: Sie nahmen auch am Krisen-Gespräch (vgl. FURCHE 37/85, S. 1) in Castel Gandolfo teil.

Haben Sie den Eindruck, daß heute das Verhältnis Kirche/Wissenschaft wirklich entspannt ist?

TUPPY: Daß das Verhältnis sehr entspannt ist, halte ich für richtig. Diese Entspannung hat aber nicht nur positive Gründe. Es liegt auch daran, daß das Interes-

,,Und drittens ist auch die Kirche bescheidener geworden.“ se der Wissenschaft an der Kirche und ihren Stellungnahmen zum Teil geringer ist als früher, weil die Kirche nicht mehr diese gesellschaftlich beherrschende Rolle spielt und die Reibungsmöglichkeiten stark herabgesetzt sind. Dazu kommt eine größere Bescheidenheit der Wissenschaftler bei ihren Aussagen. Und drittens ist auch die Kirche bescheidener geworden. Ich glaube, das kann man gerade unter dem jetzigen Pontifikat sagen.

Das Gespräch führte Heiner Boberski.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung