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Selbstdemontage

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Vorige Woche ist „der Alte" gestorben. Nächste Woche wird ein anderer Alter 75 Jahre alt.

Der Kommissar-Held unzähliger Fernsehfolgen hatte genug: „Jch halte das ewige Stehen vor der Kamera nicht mehr aus."

Der Politheid Bruno Krei-sky hat nicht genug: Er hielte das Stehen vor Kameras und Mikrofonen ewig aus. Aber weder seine regierenden Parteifreunde noch die Journalisten laufen ihm mehr so nach, wie sie es dereinst taten.

Mag schon sein, daß Bruno Kreisky 1983 dem Zwang der Alltagsroutine im Bundeskanzleramt ganz gern entfloh. Aber ein Pensionistendasein in der Wiener Armbrustergasse oder auf Mallorca hat er sich ganz gewiß nicht gewünscht. A ber genau das ist ihm widerfahren — weil er nicht glauben wollte, daß die Gesetze der Macht auch für ihn gelten würden.

Wer die Macht hat, hat die Freunde. Wer die Macht hat, hat diejenigen, die sie stützen. Ist diese Macht verloren, sind neun von zehn Freunden und Machtstützern auch dahin.

Bruno Kreisky hat die universale Gültigkeit dieses Gesetzes in einer Weise erfahren, die ihm Mitleid verschaffen müßte, gierte er nur nicht selbst so heftig darum.

Nun buhlt Kreisky aber in peinlicher Weise in Zeitungskommentaren und gelegentlichen Interviews um eine nachträgliche Rechtfertigung so gut wie aller seiner Entscheidungen — und muß sich selbst von Parteifreunden pausenlos wenigstens indirekt nachsagen lassen, wie beschwerlich die Last seines politischen Erbes ist.

Das Eingeständnis von Fehlern würde Kreisky politisch mehr glaubhaft und menschlich, sympathischer machen. Davon ist aber weit und breit nichts zu sehen. Manchmal ist seinem Lamentieren selbst ein Hauch von Frivolität nicht abzusprechen, wenn er etwa im „J£urier" vom 9. Jänner schrieb: „Wir sollten heute, um die Probleme der Zukunft bewältigen zu können, ein höheres Maß an Zusammenarbeit entwickeln. Es gibt Fragen, die so wichtig sind, daß man immer wieder prüfen muß, wo man den besseren Partner für die Zusammenarbeit finden kann."

Da schaust her. Hat nicht das oberste Ziel Kreiskys immer gelautet, so lange und so oft auf Teufel komm raus auf Kleinkoalition zu setzen, bis die OVP sich spaltet und bricht?

Dem Geburtstagskind Bruno Kreisky gebührt ein respektvoller Gruß. Der Staatsmann Kreisky demoliert sich auf seine alten Tage selbst.

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