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Selbsthilfe erwünscht

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53 Milliarden müssen heuer aus Steuermitteln in den Pensionstopf umgeleitet werden! Die zweite Etappe der Steuerreform muß daher noch schmerzhafter werden.

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53 Milliarden müssen heuer aus Steuermitteln in den Pensionstopf umgeleitet werden! Die zweite Etappe der Steuerreform muß daher noch schmerzhafter werden.

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Noch in den frühen siebziger Jahren war der Begriff „Eigenvorsorge“ kein politisches Thema. Ein entwickelter Sozialstaat, das war die Grundthese, werde dem Bürger fortan und in alle Zukunft die Sorge um die Existenz im Alter abnehmen. Ein fortschrittliches Pensionssystem, eine florierende Wirtschaft, das waren die Voraussetzungen, auf denen die-

Von VIKTOR BAUER

ser stolze Machbarkeitsglaube gedieh. Und fehlten in den Pensionskassen ein paar Milliarden mehr als erwartet, dann schoß der Staat sie eben zu. Es kam ja nicht darauf an, das modellhafte österreichische Sozialsystem war jedem Österreicher ein paar Hunderter mehr an Steuergeld wert.

Mittlerweüe ist dieses „Weltbild“ der öffentlichen Pensionsvorsorge schlicht und einfach zusammengebrochen. Dank der modernen Medizin werden die Menschen immer älter, die ursprünglich erstellten Lebenstafeln für die Pensionsversicherung stimmen nicht mehr.

43 ASVG-Novellen haben die Zahl der Anspruchsvoraussetzungen für Pensionsversiche-rungsleistungen kräftig ausgeweitet, und die Umkehrung der Bevölkerungsstruktur sorgt ebenfalls dafür, daß die Pensionsrechnung nicht mehr stimmt. Zwischen dem, was die erwerbstätige Bevölkerung in die Pensionskassen einzahlt, und dem, was jährlich an Pensionsleistungen ausbezahlt wird, klafft ein immer größeres Loch. Heuer werden bereits sage und schreibe 53 Milliarden Schilling aus Steuermitteln in den Pensionstopf umgeleitet, das ist mehr als die Hälfte der erwarteten Lohnsteuereinnahmen!

Ein erster Bremsversuch wurde unternommen. Doch selbst wenn die in der 44. ASVG-Novelle festgesetzte Änderung des Bemessungszeitraumes, der Wegfall der Studien- und Schulzeiten und die

Neuregelung beim Zusammentreffen mehrerer Pensionen, die Einschränkung des Anspruches auf Witwenpension und andere Maßnahmen wirksam werden, wird sich an diesem Bild nicht viel ändern: Für 1995 steht dennoch ein für die Pensionsfinanzierung erforderlicher Staatszuschuß von 92 Milüarden Schilling in Aussicht. Der zweite Teil der Reform wird sicher wesentlich schmerzhafter sein müssen. Wahrscheinlich wird man Frühpensionen einschränken und andere wirkungsvolle Maßnahmen treffen müssen, um die Pensionsfinanzen einigermaßen in Ordnung zu bringen.

Wer diese Entwicklungen wachen Blickes verfolgt, ist sich darüber im klaren, daß die staatlich garantierte Pension in Zukunft nur mehr eine Grundvorsorge bieten wird können. Um sich den eigenen Lebensstandard zu erhalten, ist daher Eigenvorsorge notwendig.

Bis dato sorgte der Österreicher hauptsächlich auf dem Sparbuch und mit Lebensversicherungen vor. Noch etwas unsicher hantiert er mit dem Aktienkauf herum, da Wertpapiere in ihrem Wert bekanntlich nicht nur steigen, sondern auch fallen können.

ÖVP-Wirtschaftssprecher Josef Taus hat kürzlich ein sehr pa-radoxiertes Modell der kombinierten Eigen- und Firmenvorsorge vorgestellt, wie es in anderen Ländern bereits praktiziert wird. Auch die Versicherungswirtschaft steht Gewehr bei Fuß, um die Lücke, die sich im öffentlichen Altersvorsorgesystem auftut, zu schließen.

Allen diesen Systemen ist gemeinsam, daß vom einzelnen zusätzliche Einzahlungen geleistet werden . müssen. Ein kräftiges Wirtschaftswachstum erleichtert eine Systemänderung natürlich.

Daß die Österreicher mit dem Aufruf zur Eigenvorsorge insgesamt überfordert werden, ist allerdings nicht zu erwarten. Immerhin wurde im Vorjahr mit einer Sparquote von 13 Prozent ein historischer Höchststand erreicht, und allein auf Österreichs Sparbüchern liegen rund 1.000 Milliarden Schilling an Spareinlagen.

Ob es allerdings im Sinn des vielzitierten „Generationenvertrages“ ist, daß immer mehr Menschen in die Frühpension gehen, während die nächste Generation mit der Buße für vergangenen Budgetschlendrian plus der Notwendigkeit erhöhter persönlicher Eigenvorsorge belegt wird, steht auf einem anderen Blatt.

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