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Selbstkorrektur

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In den letzten drei Beiträgen war die Rede von der Akzentverlagerung im Verständnis des Glaubens. Gibt es ähnliche Akzentverschiebungen auch in der Theologie? Eugen Biser schreibt von einer Selbstkorrektur der Theologie, die nach seiner Meinung schon lange im Gange sei. Dazu gehöre die .ßinholung der Sozialdimension“.

Glaube und Theologie wurden bis in die jüngste Vergangenheit in mehrfacher Hinsicht privatisiert. Dazu beigetragen hat nicht nur das Prinzip „Religion ist Privatsache“. Theologie wurde auch zu sehr als Aufgabe von Fachtheologen betrachtet; und ihre gesellschaftskritische Funktion wurde zuwenig beachtet.

Träger der Theologie ist nicht der einzelne Theologe, sondern das Volk Gottes. Diese These vertreten vor allem lateinamerikanische Befreiungstheologen. Subjekt dieser Theologie ist nicht das Individuum — der theologi-■ sehe Denker —, sondern ein Kollektiv — das Volk —, aus dessen Mitte heraus der Theologe sie formuliert“ (Claus Bussmann). Wir finden auch bei Karl Rahner den Gedanken „der kollektiven Findung der Wahrheit“ und die Uberzeugung, „daß das den Menschen umfassende Geheimnis nur im offenen Gespräch der vielen eingegrenzt werden könne“.

Theologie soll in Solidarität mit allen Menschen, besonders mit den ungerecht Leidenden geschehen. Gerade diese Forderung, durch die die Gottesfrage angesichts der ungeheuren Verbrechen und des unermeßlichen Leides unseres Jahrhunderts — Auschwitz wird hier zum Symbol — verschärft wird, nötigt ,#.ur Solidarisierung der Glaubenden, weil sie nur gemeinsam der Last der Gottesfrage gewachsen sind, wie sie sich heute stellt“ (Eugen Biser).

Diese „gemeinsame“ Auseinandersetzung mit der Gottesfrage, aber auch mit der Frage des Menschen heute soll mit Blick auf Jesus Christus stattfinden; und zwar auf Christus, der in den Brüdern und Schwestern gegenwärtig ist, besonders in den Armen und Unterdrückten, und in Erinnerung an den „Christus damals“, an den Gekreuzigten und Auferstandenen. Nur auf diese Weise ist die christliche Antwort zu finden.

Theologie ist aber nicht nur gemeinsame Suche und Findung der Wahrheit, sie soll auch zur „gemeinsamen Beteiligung an der Welterneuerung führen“. Die Kirche soll eine oder gar die gesellschaftskritische Institution werden. Die Botschaft des Evangeliums von Friede, Gerechtigkeit, Freiheit ist das große Korrektiv der jeweiligen Realisation des menschlichen Zusammenlebens“ „ohann B. Metz).

20. Teil einer Serie zum Buch „Die glaubensgeschichtliche Wende“ von Eugen Biser.

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