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Sensibilisieren ist das Ziel

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Eineinhalb Jahre nach dem Programmparteitag und ein halbes Jahr nach dem Erfolg bei den Nationalratswahlen diskutiert die SPÖ wieder Grundsätzliches: die Einkommensverteilung in Österreich, die Kon- zempolitik der Großbanken und die Schule. Das werden drei zentrale Themen des dieswöchigen SPÖ-Par- teitages sein.

Den rund 600 Delegierten steht dabei eine Gratwanderung zwischen Konflikt und Konsens bevor, ein Problem, mit dem die SPÖ als Regierungspartei fertigwerden muß. Denn die Kluft zwischen Programmtheorie und praktischer Politik ist größer geworden.

Während dies nichtsozialistische Wähler am 6. Mai mit einer Stimmabgabe für die SPÖ offensichtlich honoriert haben, regt sich SP-intern der Widerstand gegen eine Politik der Stimmenmaximierung. Vielmehr - und das ist der Grundtenor der Anträge und Resolutionen zum Parteitag - will man eine Politik auf der Basis des Parteiprogramms verwirklicht sehen.

„Da die Verteilung der Einkommen wesentlich die Lebenschancen in der Gesellschaft bestimmt“, zitiert daher auch die SP-Bezirksorganisa- tion Wien-Alsergrund in einem Resolutionsentwurf das Parteiprogramm, werden von Regierung und Parteiführung Schritte zur Erfüllung von mehr Einkommensgerechtigkeit eingemahnt.

Und die Junge Generation der SPÖ legt in einem Antrag dazu auch gleich ein Forderungspaket auf den Tisch. Danach soll der Parteitag für eine „Offenlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse“ eintreten, „die Gehaltsfestsetzungen in gemeinwirtschaftlichen Unternehmungen und in Selbstverwaltungskörpern dürfen nur unter wirksamer politischer Kontrolle erfolgen“, Spitzeneinkommen sollen steuerlich stärker belastet und kleine Einkommen stärker angehoben werden.

Um alle Wünsche nach mehr Verteilungsgerechtigkeit unter einen Hut zu bringen, fordert die SP-Be- zirksorganisation Wien-Landstraße schließlich eine Kommission, „die auf der Grundlage unserer Programme ein detailliertes, umfassendes Steuerreformprogramm zu entwickeln hat“.

Die Diskussion über dieses Thema am Parteitag wird tatsächlich der Vorbereitung einer Steuerreform 1982/83 dienen. „Das Ziel ist eine Sensibilisierung mit Blickrichtung Steuerreform“, nennt auch der frühere Kreisky-Staatssekretär Ernst Eugen Veselsky freimütig das Kind beim Namen. Und mit Klubobmann Heinz Fischer ist er einer Meinung, daß sich die Einkommensunterschiede in Österreich unter der SPÖ-Regierung eher vergrößert als verkleinert haben.

Selbstverständlich wird in diesem Zusammenhang auch die Frage der Spitzeneinkommen angeschnitten werden. Während Fischer dagegen ist, „daß man sämtliche Einkommensunterschiede, die auf zufälligen Markt- und Machtpositionen beruhen, durch unkritische Verwendung des Wortes ,leistungsgerecht‘ tabuisiert“, warnen Bruno Kreisky und Hannes Androsch vor einer Hatz auf Gutverdiener.

„Wenn wir nicht internationale Maßstäbe bei den Spitzengehältern anlegen, entledigen wir uns hervorragender Kräfte“, sieht der SPÖ-Vor sitzende den Ruf Österreichs als Land der fast unbegrenzten Möglichkeiten in Gefahr.

Zudem werden die Parteitagsdelegierten auch nicht um die Frage herumkommen, wie sie es mit ihrer Glaubwürdigkeit halten. Wider Spitzeneinkommen und für Einkommensgerechtigkeit wettern und gleichzeitig hochdotierte „Pfründe“ an Parteifreunde vergeben oder gar selbst innehaben, ist auf keinen glaubwürdigen Nenner zu bringen. „Außerdem“, meint SPÖ-Pro- grammdenker Egon Matzner, rückblickend auf eine ähnliche Diskussion beim Parteitag 1976, „bin ich mir nicht sicher, ob von den 600 Delegierten des SPÖ-Parteitages überhaupt Delegierte der unteren Hälfte der Einkommenspyramide zugezählt werden können.“ Die Sensibilisierung wird also in den eigenen Reihen beginnen müssen.

In einem anderen Bereich ist sie schon gelungen, nachdem der ÖGB - die Schwierigkeiten bei Semperit, Austria email und Hutter & Schrantz vor Augen - beim Gewerkschaftskongreß im September Schrittmacherarbeit geleistet hat.

Was Bundeskanzler Kreisky in seiner Regierungserklärung vage andeutete, kleidete der Gewerkschaftsbund in eine unmißverständliche Forderung: die „klare organisatorische Trennung“ von Industrie- und Bankgeschäft bei den Konzernbetrieben der ohnehin verstaatlichten Großbanken. Dies soll durch die „Schaffung einer Holdinggesellschaft für die industriellen Beteiligungen der verstaatlichten Banken“ erreicht werden.

Zwei Anträge an den SPÖ-Parteitag -einer von der SPÖ-Obeföster- reich,‘der andere von der Jungen Generation eingebracht - schreiben diese Gewerkschaftsforderung fort, wobei hier nicht ausschließlich industriepolitische, an der Vollbeschäftigung orientierte, sondern durchaus handfeste machtpolitische Interessen mitspielen, während das Aktienrecht den direkten Einfluß der Politik auf die Großbanken unterbindet, macht die angestrebte Lösung den direkten Zugriff auf das wichtige Industriegeschäft möglich.

Die Stoßrichtung ist eindeutig: Entmachtung der Banken zugunsten der Regierung. Und die Aktionsachse Gewerkschaft/Partei bürgt dafür, daß es nicht nur bei Forderungen bleibt.

Forderungen bleiben vorerst die weit mehr als ein Dutzend Anträge zum Thema Schule, in denen - ungeachtet der laufenden Diskussion (siehe Seite 1) - sowohl Gesamt- wie auch Ganztagsschule als Regelschule verlangt werden. Aber auch dabei geht es in erster Linie darum, das öffentliche Bewußtsein für eine „Politik der kleinen Schritte“ (Unterrichtsminister Sinowatz) zu sensibilisieren.

Nicht wenige Sozialisten, darunter auch der Nationalratsabgeordnete Josef Mademer, bedauern allerdings, daß sich die Schuldiskussion in Organisationsfragen 'festzufahren droht. „Man kann nur hoffen“, wünscht sich sogar Veselsky vom Parteitag, „daß ein Fenster zu den Inhalten hin aufgestoßen wird.“ Denn mit vordergründigem Schulkampf läßt sich der Schulkrampf nicht beseitigen.

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