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Sepp, der Modellathlet

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Mittlerweile geht er - kaum zu glauben - auch schon auf die Dreißig zu: Der 193 cm große Grazer Sepp Zeilbauer, der seit Jahren die österreichischen Hoffnungen bei leichtathletischen Wettkämpfen auf seinen Schultern zu tragen hat, zählt bereits fast 28 Jahre.

Und hat dennoch Großes vor: Vor acht Jahren, im Münchner Olympiajahr eine der ganz großen Überraschungen, katapultierte sich der damalige Student mit zwei, drei Wettkämpfen mitten in die Weltspitze, wurde Studentenweltmeister und blieb stets ein „heißer Tip” für Europa- und andere Meisterschaften. Mitunter wurde die Sache dann sogar zu heiß: So im olympischen Zehnkampf von Motitreal, als ein bis dahin aussichtsreich im Bewerb gelegener Zeilbauer sich beim Stabhochsprung einen Totalversager leistete und aus der Konkurrenz ausschied.

Zehnkampf Schlagwort und Reizwort zugleich, die „Königsdisziplin” der Leichtathletik, die alle Vorzüge eines perfekten Sportlers verlangt, um Spitzenleistungen zuzulassen: Vom IlOm-Hürden- und 100 m-Flachlauf über technische Bewerbe wie Diskus, Speer und Kugelstoßen bis hin zu den mörderischen 1500 Metern im zehnten und letzten Bewerb. Das bedeutet Streß: Streß, der zwei Tage lang währt, der nervenzermürbendes Warten zwischen den Bewerben - und doch kaum echte Erholung - mit sich bringt.

Das bedeutet aber auch Kampf mit den eigenen Nerven: Denn Zehnkampf heißt zehnmal ein eigener Wettkampf im Wettkampf, zehnmal volle Konzentration - und zehnmal muß der Körper all das hergeben, was in ihm drinnen steckt.

Auch wenn einzelne Bewerbe (wie etwa der Hochsprung) schon für sich allein mehrere Stunden dauern . ..

Sepp Zeilbauer, zum Lehrer ausgebildet, Schriftsteller in seinen Wunschträumen und nach eigenen Angaben, mit Gitarre, Malen und Tennis als Hobbies versorgt, ist ein Modellathlet: Von der körperlichen Konstitution betrachtet, von der Einstellung zum Sport, von der Härte gegen sich selbst. Obwohl er -vor allem nach dem Olympia-Desaster von 1976 schon mit dem Rücktritt spekuliert und Sich dann doch „nur” in erster Linie dem Studium gewidmet hatte. Heute hat er (vorläufig) wieder ein großes sportliches Ziel vor Augen -Moskau 1980. Jenes Moskau, das seit der amerikanischen Boykottentscheidung ernsthaft um eine weltweit ernstzunehmende Olympiakonkurrenz zu bangen begonnen hat.

Zeilbauer erst jüngst in einem Interview: „Natürlich wäre es eine Entwertung, wenn die Spitzenleute aus den USA und der Bundesrepublik nicht daran teilnehmen” - doch umgekehrt empfindet er es irgendwie als menschliche Tragik, wenn nun Sportler dafür herhalten müssen, politische Galionsfi-guren abzugeben.

Eine Haltung, die übrigens von fast allen rot-weiß-roten Olympiakandidaten geteilt wird, die zumindest vier Jahre ihres Lebens ganz in den Dienst dieser Veranstaltung gestellt und sich auf die olympischen Wettkämpfe vorbereitet haben.

. Schließlich bedeutet für den Steirer, der sein Temperament einmal als „schüchtern, ernst, sehr oft lustig” und als seine Lieblingsautoren Hesse, Camus und Trakl bezeichnete, Olympia sehr viel: „Irgendwie prägt es doch einen Menschen, an derartigen Veranstaltungen teilzunehmen”.

Bleibt noch eine - wenn auch nur theoretische - Behauptung: Sepp Zeil-Ijauer, römisch-katholisch erzogen, politisch nicht fixiert und überhaupt in seinem Interesse sehr vielseitig, wäre wohl schon längst nicht mehr der Ehrung als „österreichischer Sportler des Jahres” entgangen, hätte er ähnliche Erfolge in wirtschaftlich besser vermarktbaren Sportarten erzielt als im leichtathletischen Zehnkampf: Ein Schicksal, das er beispielsweise mit dem Springreiter Hugo Simon oder der Dressurreiterin Sissy Theurer und vielen anderen teilt, die in ihrem Sport auf sich allein und auf den ganz persönlichen Einsatz angewiesen sind.

Ein österreichisches Schicksal?

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