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Sergius Pauser -ein Lebenswerk

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Es war höchste Zeit für die nun endlich vorliegende, repräsentative Monographie des österreichischen Malers Sergius Pauser, der schon ein bißchen vergessen war, als er 1970 im Alter von 74 Jahren starb, und dessen Rang von vielen unterschätzt wird, weil der Höhepunkt seines Schaffens zweifellos hinter ihm lag, als sein Name, als der eines erfolgreichen, äußerst noblen, aber durch viele Aufträge auf das Porträt festgelegten Malers, in das Bewußsein jener Generationen trat, die ihre Meinungen nach dem Krieg bildeten und heute als Meinungsbildner weitergeben. Aber das Werk „Sergius Pauser“ von Rupert Feuchtmüller scheint hervorragend geeignet, zu beweisen, daß von Sergius Pauser sehr viel mehr bleiben wird, als manchem recht zu sein scheint, und eine Neubewertung dieses Lebenswerkes einzuleiten. Sergius Pauser registrierte mit unerhörter Lebendigkeit, was um ihn geschah und nahm - freilich alles andere als wahllos, vielmehr sehr persönlich selektierend - Eindrücke auf, verarbei-tete und verwob sie zu einem Eigenen, das vor allem durch Noblesse, durch ein ausgeprägtes Gespür für Farb-ha'rmonien und die psychologische Wirkung der Farbe gekennzeichnet ist.

Und es war wohl der untrügliche Schönheitssinn dieses Künstlers und sein Bekenntnis, auch in Zeiten, in denen Häßlichkeit und Grauen zu triumphieren schienen, in erster Linie Ästhet zu bleiben und den Menschen Schönheit zu schenken, was die oft auseinanderstrebenden Elemente seiner Malerei zusammenhält, vereinigt, ihr das Gepräge gibt. Und diese Grundhaltung schlägt auch die Brücke zwischen Früh werk, den Arbeiten der mittleren Jahre und dem vor allem dem Porträt gewidmeten Spätwerk. Während sich das dem Band angeschlossene Werksverzeichnis auf die Ölmalerei beschränkt (691 Nummern!), kommt im reichhaltigen Büdteil auch der Aquarellist zu vollen Ehren - Pauser war, vielleicht sogar vor allem, ein Aquarellist.

Der Band enthält, neben Werksverzeichnis und einem großen Uberblick über Leben und Werk Pausers aus Rupert Feuchtmüllers Feder, eine Sammlung von Urteilen bedeutender Zeitgenossen, die zusammengetragen zu haben uns besonders verdienstvoll erscheint. (Edition Tusch, Wien 1977, 200 Seiten mit 32 Färb- und 35 Schwarz weiß tafeln, 18 Text- und 101 Abbildungen im Werksverzeichnis, öS 800,-)

Die Biographie eines der ganz Großen aus der Welt der Oper: Kammersänger Kurt Böhme. Er war und ist -wenn auch in Wien jetzt leider nur selten zu hören - heute noch ein Meister seines Faches, der „seriöse Baß“ schlechthin, aber vor allem ein großer Menschengestalter und Erzkomö-diant. Richard Strauss nannte ihn seinen besten Ochs von Lerchenau, und so hat Karl Richter zu Recht den Titel „Kurt Böhme. Selbstverständlich empfängt mich Ihro Gnaden!“ gewählt. Böhmes Leben ist ein Stück Operngeschichte, er arbeitete mit den berühmtesten Dirigenten und Sängerkollegen zusammen. Ein graphisch hübsch gestalteter Band, reich, illustriert, ergänzt durch ein komplettes Rollenverzeichnis und die Wiedergabe von Gesprächen mit Kurt Böhme über aktuelle Fragen des Operntheaters heute, wie zum Beispiel „Zum Verhältnis von Operngesang und Opernregie“, „Vis comica - vox humana“ und andere. Für alle Opernfreunde. (Verlag Schroff, Augsburg 1977, 240 Seiten, 63 Bildseiten, öS 270,-)

Ricarda Huch bezeichnete ihn als „Jüngling, der unvermittelt zum Greis wird“. Generationen von Theaterbesuchern kennen ihn kaum anders denn als Teil einer Kombination zweier Namen, nämlich als Mitübersetzer Shakespeares. Und der Shakespeare-Interessierte wiederum kennt Ludwig Tieck als Partner der Schle-gelschen Ubersetzung, deren Ersetzung durch eine bessere von Generation zu Generation immer wieder versucht, vollbracht und dann doch wieder von neuem in Angriff genommen wird - doch die Schlegel/Tiecksche bleibt. Über ihn selbst ist allenfalls noch bekannt, daß er gerne aß, den Luxus liebte und überhaupt alles andere als ein Ausbund biedermeierlicher Kleinbürgerbravheit war. Die echte, große Tieck-Biographie blieb bislang ungeschrieben, und es fragt sich, ob sie (angesichts der Vernichtung wesentlicher Aufzeichnungen und Briefschaften) je wird geschrieben werden können. Doch abgesehen vom (ohnehin weniger wesentlichen) Privaten stellt Johannes P. Kern in seinem Buch „Ludwig Tieck - Dichter einer Krise“ den fruchtbarsten aller Frühromantiker, den frühen Allesle-ser und Phantastiker (und späten Realisten), den ein Leben lang ambivalent zwischen Ratio und den Bereichen des Abstrusen und Gespenstischen Schwebenden, den auch als Anreger gern Unterschätzten, den Enzyklopädisten und Humanisten in einen geistesgeschichtlichen Zusammenhang, in dem sich das Vorurteü von einem „Bruch“ im Werden Tiecks auflöst. Und deutlich wird, was Tieck auch unserer Zeit zu sagen hat. (Lothar Stiehm Verlag, Band XVIII der Reihe „Poesie und Wissenschaft“, 244 Seiten, öS 354,20.)

Chinas politische Sprache ist äußerst blumenreich. Auch chinesischsprechende Ausländer verstehen politische Zeitungsartikel, Reden und so weiter oft nur sehr lückenhaft. Nun gibt es ein Wörterbuch der chinesischen Politsprache seit 1949: „Chinesisch-Deutscher Wortschatz - Politik und Wirtschaft der VR China“ von Helmut Martin und Tienchi Mar-tin-Liao unter Mitarbeit von Ute Fricker. Es ist das Ergebnis eines aufwendigen Forschungsvorhabens, das vom Hamburger Institut für Asienkunde, gefördert von der Stiftung Volkswagenwerk, erarbeitet •wurde. Ein für den kleinen Kreis chinesischsprechender Journalisten, Diplomaten und Politologen äußerst wichtiges, für alle anderen ein recht anregendes Buch, denn nun erfährt man endlich, was ein „Kinderbüffel“ ist (ein Revolutionär, der sich im Dienst am Volk so wülig zeigt wie ein Büffel vor Kindern), daß in einem sogenannten „Verpflichtungsschreiben“ Einzelpersonen oder Gruppen ihre Entschlossenheit zu größerem Arbeitseifer und stärkerem politischen Engagement ausdrücken, und daß die bevorstehende Befreiung abhängiger Nationen mit der Gedichtzeile „Nähert sich ein Gewitter vom Berg, streicht der Wind durch den Turm“ ausgedrückt wird. Anderes, etwa die „verzuckerte Geschoßkugel“, erschließt sich unmittelbarer. Das Werk ist um so wertvoller und aktueller, als es nach der Entmachtung der „Viererbande“ fertiggestellt wurde, die neuerdings auch als die „vier Plagen“ in der politischen Sprache aufscheint - worunter der chinesische Bauer traditionell Ratten, Spatzen, Fliegen und Moskitos versteht. Wer Chinesisch kann, findet jedes Wort, alphabetisch geordnet nach der Piny-in-Umschrift (nebst dem chinesischen Schriftzeichen) - der Rest der Leser kann sich unsystematisch in die chinesische politische Sprache „einschmö-kern“. Den Kern des Werkes bilden 12.000 Worterklärungen und 1700 Kommentare, es enthält ferner eine linguistische Einführung und Anhänge mit Angaben über chinesische Bezeichnungen für westliche geographische Begriffe und Währungen, über die chinesische Geschichte, Listen der Parteitage, Sitzungen des Volkskongresses, Verwaltungs- und müitärische Gliederungen und so weiter. Erwähnenswert ist, daß die Autoren für die chinesischen Ausdrücke meist nur ein deutsches Äquivalent angeben. Grund dafür ist ihre Absicht, den diesbezüglichen Vorsprung der angelsächsischen Sinologie aufzuholen und den Prozeß des Sich-Einigens auf bestimmte deutsche Umschriften für die Ausdrücke der neueren politischen Sprache voranzutreiben. Mit ihren eigenen Worten: „normativ zu wirken“. (Langenscheidt Verlag, München 1977, 328 Seiten, öS 369,60)

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