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Sex und Tennis

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Ein höchst aufschlußreiches Buch über Tennis ist gerade über meinen Schreibtisch gegangen. Es trägt den Titel "Sex als Sublimierung für Tennis" (Workman Press, $ 4,95) und wiurde verfaßt von Theodor Saretz-ky, einem Fach-Freudianer an der Adelphi-Universität und himdert-prozentigen Tennis-Fan.

Saretzky sagte mir am Telefon: "Freud hat als erster geschrieben, daß alle Menschen von einer ursprünglichen Lust getrieben werden, die sich in die end- und fruchtlose Suche nach einem imgenutzten Tennisplatz am Wochenende imi-setzt."

Saretzky sagte, er sei durch Zufall auf Freuds gesammelte Schriften über dieses Thema gestoßen, als er 1980 auf einer Versteigenmg von Tennis-Souvenirs bei Sotheby’s einen Koffer erstand, der einige von des Meisters bedeutendsten Werken enthalten habe, danmter J)er Mythos der Sweet Spot auf der Schlagfläche", „Interpretation von Termisträumen", Das Ur-Tabu des Fußfehlers" und „Der Alptraimi des ausgefallenen Tennisspielers: Eine Studie über Fettleibigkeit, Perversion und Selbstmord".

In diesem Jahre beschloß Saretzky, diese Goldmine der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Eine seiner faszinierendsten Entdeckungen, sagte der Professor, sei, daß Freud das Interesse am Geschlechtsakt verloren habe, als er herausfand, daß ein Tennismatch viel länger dauere. Saretzky findet Freuds Theorien deshalb von unschätzbarem Wert, weil immer mehr Patienten mit Tennis- statt mit Sex-Problemen zu ihm kämen. Bis vor kurzem hätten Experten auf dem Gebiet der Psychoanalyse tennisplatzbedingte Gemütskrankheiten nicht angenommen, da ihre Heilung zu schwierig sei.

"Die schwerste Belastung für einen Patienten mit einer Tennisneurose oder -psychose besteht darin, einen Ansdytiker zu finden, der sich die Zeit nimmt, ihn zu behandeln", sagt Saretzky. "Freud entdeckte, je mehr ein Patient über seine tief sitzenden Teimisprobleme sprach, imi so drängender sei in dem Analytiker die Lust geworden, auf den Tennisplatz zu gehen und selber ein paar BäUe zu schlagen. Dieses Verhalten steht in diametralem Widerspruch zu dem Verhalten des Analytikers, wenn er einem Patienten zxihört, der über seine Impotenz redet."

Saretzky sagt: "Freud hat einen der gewaltigsten Fortschritte in der modernen Psychoanalyse mit der kategorischen Feststellimg unternommen: ‘Die einzige Mö^chkeit, seinePatienten kennenzulernen, ist, mit ihnen Tennis zu spielen.’"

Ich habe hier nicht den Platz, um all das auszubreiten, was nach Professor Saretzky Freud über Tennis gesagt hat, will mich also auf einige wenige Schlaglichter beschränken.

Zimi einen habe Freud beobachtet, daß Individuen, die zuviel arbeiten, ihre Familienpflichten zu sehr strapazieren und ihre sexuellen Aktivitäten derart übertreiben, daß sie nicht mehr genügend Zeit zum Tennisspielen haben, imter schweren Spannungen, Angst tmd Nasenbluten leiden.

Ztun anderen hätten Menschen, die unentwegt die Höhe des Netzes nachmäßen, die paranoide Wahn-vorsteUtmg, das Netz sei an ihrer Seite des Spielfeldes höher. Als ein angesehener KoUege, W. W. Wilner, nach jahrelangen Forschungen zu dfem Schluß gekommen sei, daß das Wort Tennis, rückwärts gelesen, "sin-net" (Sünden-Netz) laute, sei dadtirch Freuds wissenschaftliche Theorie bestätigt worden, daß in der menschlichen Seele dtmkle, geheimnisvolle Mächte verborgen lägen.

Als Freud das heratisgeftmden habe, habe er seine eigene klassische Ansicht von der kindlichen Sextialität als Haupttriebfeder des menschlichen Wesens verworfen tmd sie durch die These ersetzt, daß wir es „überall mit Tenniswahrheiten" zu tim haben; sie sind die Essenz des Seins".

Dies habe ihn dazu bewogen, seineletzten Lebensjahre dem Studium der schweifenden Phantasie der leeren Tennisballdose zu widmen.

Saretzky glaubt, daß Freuds Tennisschriften das gesamte orthodoxe

Gedankengebäude der westlichen Welt untergraben hätten. Der Me-ner Arzt habe den Hochschlag als das enthüllt, was er tatsächlich sei, als einen sadistischen, hinterhältigen Schuß, von dem er schrieb: "Zwar mtiß der Lob-Ball seine Chance haben, doch ist dieser Schlag, in einem gemischten Doppel angewandt, verwerflich, sofern man seine sexuellen tmd exhibitionistischen Wurzeln nicht ehrlich erkannt und sauber analysiert hat."

Zusammengefaßt wäre zu sagen: Wenn Sie sich in diesem Sommer ntu: ein einziges Buch kaufen, würde ich Urnen "Sex als Subümiertmg für Tennis" empfehlen. Wenn Sie nicht selber Teimis spielen, retten Sie tmter Umständen einem Menschen, der es tat, das Leben.

Aus: CUTEN MORGEN, AMERIKA. Voa Alt Buchwald Nymphenbuiger VeiUg, Manchen 1989.287 Seiten, fiS 249,60.

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