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„Sexkoffer“-Aufbewahrung

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Umstritten, heiß diskutiert, abgelehnt von den einen, verteidigt von anderen - mit Beginn dieses Schuljahres sind sie fertig: sie, das sind die Unterrichtsmaterialien zur Sexualerziehung, längst als „Sexkoffer“ ein Reizthema. Etliche hundert Stück sind, laut Frank-Joachim Chiste, im Unterrichtsministerium zuständig für Sexualfragen, bereits an die Schulen abgegangen. Insgesamt liegen 3.500 „Sexkoffer“ bereit. Der Preis steht noch nicht fest, dürfte aber zwischen 800 Schilling und 1.000 Schilling betragen.

Bis zur druckfrischen Fertigstellung der Unterlagen für Lehrer und Pädagogen wurden die letzten Revisionen an dem Werk wie ein Geheimnis gehütet. Die Autoren wollten sich damit weitere Kritik ersparen. Ein direkter Vergleich ist Interessierten trotzdem möglich: Der Bundesverlag bietet die ehemalige Basisinformation als „unzen-surierte Fassung des Sexkoffers“ jetzt in Taschenbuchform an.

Grundsätzliche Bedenken sind auchnachder „Entschärfung“ nicht vom Tisch. Weihbischof Helmut Krätzl verweist in seiner Eigenschaft als Schulreferent der öster-reichischenBischofskonferenz darauf, daß Sexualerziehung in den österreichischen Schulen „grundsätzlich zu bejahen“ und schon seit 1970 als Unterrichtsprinzip gesetzlich vorgesehen sei. Das Erziehungsrecht der Eltern soll damit nicht übergangen werden, sondern die Schule soll ihnen Hilfe leisten, was auch in der Einleitung der Unterrichtsmaterialien steht. Diese Erwartungen werden aber nicht erfüllt, weil im „Sexkoffer“ die Sexualität „nicht im Gesamtzusammenhang der Entfaltung des jungen Menschen, sondern isoliert“ gesehen wird, bedauert der Schulreferent der österreichischen Bischöfe.

Krätzl appelliert an alle Verantwortlichen in den Schulen, „gründlich“ zu überlegen, ob die „Materialien“ tatsächlich benützt werden sollen. Der Grundlinie des „Sexkoffers“ könne nicht zugestimmt werden, weil Sexualerziehung .dort von ganzheitlicher Persönlichkeitsentfaltung und von der Hinführung zu rücksichtsvoller Liebe im Hinblick auf Ehe getrennt wird. Eine Nutzung erscheine nur möglich, wenn ausgewählt und ergänzt wird.

Es ginge nicht darum, den Medienkoffer zu verhindern, sondern zu verbessern, betont Bischof Krätzl und weist auf die Bemühungen katholischer Institutionen um Mitsprache bei der Erstellung der „Materialien“ hin. Dadurch seien auch einige Verbesserungen gelungen. So unter anderem die Einführung eines Kapitels über „Partnerschaft, Ehe und Familie“ (anfänglich war das Thema Ehe gar nicht berücksichtigt worden), aber auch die Entfernung verschiedener „Spiel“- Anleitungen und der vorgesehenen Filme.

Dennoch bleibt der „Sexkoffer“, wie Bischof Krätzl unterstreicht, dem heranreifenden jungen Menschen vieles schuldig, was zur Einbindung der Sexualität in seine Gesamtpersönlichkeit notwendig wäre.

Für den Feldkircher Diözesan-bischof und Famil ienref erenten in der österreichischen Bischofskonferenz Klaus Küng sind die Unterrichtsmaterialien schlechthin unakzeptabel. Trotz der als Folge verschiedener Einwendungen durchgeführten Änderungen bleibe die „Grundtendenz“ des Medienkoffers bestehen, die insbesondere den didaktischen Teil zu einer „Gefährdung der Jugend“ werden lasse. Wörtlich bittet Bischof Küng „die Elternvereinigungen und andere zuständige Institutionen, alle legitimen Mittel einzusetzen, um eine Verwendung des ,Sexkoffers' zu verhindern“.

Frank-Joachim Chiste vom Unterrichtsministerium ist freilich überzeugt, daß die jetzt vorliegende Fassung einen tragbaren Konsens darstellt. „Von Seiten des Ministeriums hat man versucht, ein Optimum an Information zu erreichen und war um einen Ausgleich bemüht. Gibt man aber allen Forderungen nach, dann kann von Pluralismus keine Rede mehr sein.“

Einigkeit, was die Vorgangsweise betrifft, herrscht in den Landesschulräten. In den schulpsychologischen Beratungsstellen liegen die Materialien zur Sexualerziehung auf und können von Lehrern und Eltern begutachtet werden. Für den Salzburger Landes-schulinspektor Edwin Gräupl etwa ist es wesentlich, daß es nur dann an Schulen zum Einsatz des „Sexkoffers“ kommt, wenn nach Rücksprache im Elternforum und bei Elternabenden Einverständnis herrsch!

An diese Vorgangsweise halten sich auch die renommierten katholischen Schulen wie Kalksburg, Ursulinen und auch das Wiener Theresianum. Der Kalksburger Direktor Erich Schmutz meint, daß die „Entscheidung bei den Professoren liegt, gegen den Widerstand der Eltern aber der .Sexkoffer* nicht verwendet werden wird“.

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