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„Shogun" und die bösen Jesuiten

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Wieder einmal redet man von den Jesuiten. „Shogun" ist schuld, die fünfteilige TV-Serie über das ferne Japan im noch ferneren 17. Jahrhundert und über die Abenteuer, die ein hochgemuter (protestantischer) Engländer — „Ich werde immer Sieger bleiben!"—ebendort zu bestehen hat im Kampf gegen die Vorherrschaft der (katholischen) Portugiesen und mehr noch gegen die grimmige Feindschaft ihrer Jesuitenmissionare.

Missionare waren sie ja nur zum Schein, wie ein einfältiger spanischer Franziskaner im Gefängnis John Blackthorne belehrt, ohne freilich zu ahnen, daß es sich um einen Irrgläubigen handelt.

Tatsächlich - so die Inhaltsangabe der ORF-Programmzeitschrift — „sind sie in Waffenschmuggel verwickelt, kontrollieren den Seidenhandel mit China, machen Millionenprofite, die, jährlich einmal mit dem .Schwarzen Schiff* nach Portugal gebracht, die Kassen der Kirche und des Staates aufbessern. Sie mischen sich in die Politik des Landes ein, indem sie die Fehden der untereinander im Streit liegenden . Feudalherren des Landes für ihre Zwecke ausnutzen. Ihre Herrschaft in Asien haben sie Papst Clemens VII. abgetrotzt" — der freilich sechs Jahre vor Gründung der Gesellschaft Jesu bereits gestorben ist...

Beweis für das immer neu aufbrechende oder auch angestachelte Interesse einer breiteren Öffentlichkeit an den Jesuiten—dem Insider eher verwunderlich — ist unter anderem auch das heuer im Econ-Verlag erschienene Buch des Sachbuchautors Manfred Barthel (zuletzt Econ-„Bestsel-ler" mit dem Titel „Was wirklich in der Bibel steht — Das Buch der Bücher in neuer Sicht"), das es unternimmt, „Legende und Wahrheit der Gesellschaft" nicht nur von gestern, sondern auch von heute und sogar von morgen darzustellen und voneinander zu scheiden.

Um es vorweg zu sagen: das Buch Bartheis, der sich im Vorwort als Protestant vorstellt, ist mit Sympathie für den Orden geschrieben und wird, so gesehen, sicher manches Gute anrichten. Indem es zum Beispiel mit der einen oder anderen Legende aufräumt oder einem breiteren Publikum deren Entstehung verständlich macht — so etwa die mit James Clavells „Shogun"-Roman und seiner Dramatisierung fürs Fernsehen neuerdings verbreiteten Uralt-Vorwurf e gegen die jesuitische Japanmission.

Weit davon entfernt, andere kreuzigen zu lassen, waren japanische Jesuiten unter den ersten Opfern der Christenverfolgung in Japan, bereits Ende des 16. Jahrhunderts; bis 1643 stieg ihre Zahl auf siebenundachtzig, von denen sechsunddreißig schon seit dem 17. bzw. 19. Jahrhundert der Ehre der Altäre teilhaftig sind.

Zu den Christenverfolgungen schreibt Manfred Barthel: „1603 übernimmt das Shogun-Ge-schlecht derer von Tokugawa die Macht. Tokio wird Hauptstadt, und parallel zum wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung kapselt sich Japan gegen alle Fremden und alles Fremde ab. 1614 werden die „Baternen" (= Patres) zu Landesfeinden erklärt, und der Tenno befiehlt die Ausrottung des Christentums in seinem Reich ...

Der Grund für die Christenverfolgung macht diese Version glaubhaft, denn es geht um Neid, und der hat in der Weltgeschichte mehr als einmal Anlaß zu Krieg und Verfolgung gegeben. So kam es dazu: Holländische Handelskapitäne hatten inzwischen ebenfalls den Seeweg nach Fernost entdeckt und bemühten sich, bei den japanischen Handelspartnern die lästige Konkurrenz der Portugiesen auszuschalten. Krämerneid vor dem Mikado-Thron.

Die Holländer redeten dem Tenno ein, die Jesuitenpatres seien nur zur Tarnung Priester, in Wahrheit seien sie Spione des Königs von Portugal, der sie vorgeschickt habe, um eine Invasion Japans vorzubereiten. Zu oft und zu lange hatten die Jesuiten die portugiesische Sache zu der ihren gemacht, als daß bei dem ohnehin allem Fremden gegenüber mißtrauischen Kaiser solche Worte nicht auf fruchtbaren Boden gefallen wären."

Das Buch Bartheis ist keine eigenständige historische Arbeit. Es entstand aus fleißiger, aber auch flüchtiger Lektüre von sehr unterschiedlicher Sekundärliteratur und kommt mit seiner journalistisch schmissigen Sprache einem angezielten Publikum wohl entgegen.

Besonders die verschiedenen Uberschriften entbehren nicht eines gewissen Reizes. Hier eine Auswahl: Ein Ritter ohne Schwert und Tadel — Die Idee des Ignatius von Loyola. Vom Frauenhelden zum Marienverehrer (Aus Inigo wird Ignatius von Loyola).Korpsgeist statt Chorgebet — Die Grundlagen der Gesellschaft Jesu. Nicht an Mut — an Demut fehlt es oft (Die sieben Unterschiede zu anderen Orden). Bitten statt Befehlen (Der monarchische Aufbau des Jesuitenordens). Die Kunst, sich beliebt zu machen — Predigt und Beichte der Jesuiten. Wasch mich - aber mach mich nicht naß (Die Beichtpraxis der Jesuiten). Amen est Omen — Die Jesuiten und die Wissenschaft. Tauf mich oder ich fress' dich — Die Missionstätigkeit der Jesuiten. Wie lange dauert eine Ewigkeit? (Der zweite Start der Gesellschaft Jesu). Tapfer — auf dem falschen Kriegsschauplatz (Die Jesuiten und das Unfehlbarkeitsdogma).

Ich würde—als Kritik gar mancher Abschnitte des Buches—hinzufügen: Wortspiel vor Wahrheit. So zum Beispiel wenn Barthel die Ära Pedro Arrupes mit dem Wort „General-Streik" charakterisieren will.

Auf einen Punkt muß noch hingewiesen werden. Barthel hat sein Manuskript oder Teile davon, wie er selbst wiederholt anmerkt, einigen Jesuiten zur Lektüre gegeben und auch wohl manche Korrektur berücksichtigt. So hat er sich offenbar überzeugen lassen, daß der Satz vom guten Zweck, der das Mittel heiligt, zu Unrecht als jesuitische Maxime ausgegeben wird. Damit ist allerdings, wie man sich gut vorstellen kann, das Buch als ganzes keineswegs autorisiert.

Der Eingeweihte entdeckt auf Schritt und Tritt Ungenauigkei-ten und—oft durchaus verständliche — Mißverständnisse (wie das ja bei vielen gut geschriebenen Sachbüchern der Fall ist). Das soll der interessierte Leser von vornherein wissen. Vielleicht wird ihm Bartheis Buch zum Anstoß, sich daraufhin eingehender nicht nur mit dem Phänomen Jesuiten, sondern mit dem zu befassen, um dessentwillen es die Gesellschaft Jesu gibt und weiterhin geben sollte.

DIE JESUITEN. Legende und Wahrheit der Gesellschaft Jesu. Gestern. Heute. Morgen. Von Manfred Barthel. Econ Verlag Düsseldorf-Wien 1982. 416 Seiten, geb. öS 292.60.

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