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Sibirischer Wind

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„Der chinesisch-japanische Friedensvertrag wird in sechs Monaten unterzeichnet werden — trotz der sowjetischen Drohungen. Japan würde ebenfalls mit der UdSSR Frieden schließen, wenn die Russen die nördlichen Territorien zurückgeben würden, die sie in den letzten Tagen des letzten Krieges erobert haben. Aber Moskau will unsere nördlichen Territorien nicht zurückgeben. Es bietet an Stelle eines Friedensvertrages einen „Freundschaftspakt“ an. Ministerpräsident Miki spielt die chinesische Karte, und die überwiegende Mehrheit des japanischen Volkes bejaht diese Entscheidung.“ So sagte uns ein namhafter japanischer Journalist. „Die Regierungspartei und auch die Führer der Opposition drängen Miki, die Initiative zu ergreifen und so bald als möglich den Friedensvertrag zu unterschreiben.“

Über Gromykos letzte, recht ungeschickte und erfolglose Verhandlungen äußerte sich ein anderer japanischer Kollege im Presseklub von Tokio wie folgt: „Vor 25 Jahren hätte man ihn enthauptet. Stalin hätte ihm ein solches Debakel nie verziehen. Obwohl Gromyko freilich auch ziemlich elastisch ist; sonst hätte er ja Stalin und Chru-stschow nicht überlebt. Dennoch machte der Moskauer Superdiplo-mat einen Kapitalfehler, da er offenbar die Mentalität des Fernen Ostens nicht kannte. Er war ungeschickt und grob.“

Wahrscheinlich wird bald ein eisiger Wind aus Sibirien zu wehen beginnen und ein Orkan des Kalten Krieges das Japanische Meer aufpeitschen. Peking will einen Passus in den Friedensvertrag einbauen, wonach die Vertragspartner — China und Japan — jede „Hegemonie“ ablehnen. Der Kreml würde natürlich diesen Passus richtig als feindliches Verhalten deuten.

Japan befindet sich in der Zange zwischen China und der Sowjetunion. Neben seinen sibirischen Basen hat Moskau auch auf den besetzten japanischen Inseln Marine-und Armeebasen errichtet, auf Etorofu, Kunashiri, Habomai und Shikotan. Wenn die Truppen des amerikanischen Generals Mac Arthur dies nicht verhindert hätten, wären die Russen sicherlich auch auf der großen Insel Hokkaido gelandet.

Die Amerikaner haben diese dann von ihnen eroberte Insel den Japanern längst zurückgegeben, aber die Russen betrachten immer noch, dreißig Jahre nach Kriegsende, die besetzten Inseln als ihre Kriegsbeute. Mehrere tausend japanische Kriegsgefangene sind in der UdSSR gestorben, einige hundert leben dort noch heute.

Es gibt keine japanische Regierung, die Gromykos Angebot einer Rückgabe von lediglich zwei Inseln annehmen könnte. Das ganze japanische Volk, alle politischen Parteien, auch die Kommunistische Partei, fordern sämtliche nördliche Territorien von den Russen zurück.

Von Anfang an charakterisierten Gegensätze das Verhältnis der sowjetischen zu den japanischen Kommunisten. Die Komintern hat 1927 die japanischen Kommunisten in Moskau gezwungen, Fukumoto, den „japanischen Lenin“, als einen „Linksopportunisten und arroganten Idealisten“ zu verurteilen. Damals hat sich Moskau noch der Illusion hingegeben, alle Kommunisten der Welt stünden hinter Stalin. Fukumoto war der „Tito seiner Zeit“, vielleicht auch ein Marchais und Berlinguer. Er forderte Unabhängigkeit für die einzelnen kommunistischen Parteien. Fukumoto sagte in einem Interview nach dem Krieg: „Wenn ich Widerstand geleistet hätte, wäre ich heute nicht mehr am Leben. Sie hätten mich verhaftet und hingerichtet.“

Die japanische KP widersetzt sich auch heute dem sowjetischen Druck. Sie ist nicht bereit, China zu verurteilen, und sie akzeptiert nicht die Führungsrolle des Sowjetkommunismus. Die Tage der sowjetischen Führung und der Komintern sind auch im Fernen Osten vorüber.

Die chinesisch-japanischen Beziehungen hingegen haben sich seit 1972 normalisiert; die ehemaligen Ministerpräsidenten, Außenminister und Parteiführer Tanaka, Ohira, Kono und Shigeru Hori gelten als Chinafreunde. Die Liberaldemokratische Partei wird wahrscheinlich den Ministerpräsidenten und den Außenminister ermächtigen, den Friedensvertrag mit China unter Dach und Fach zu bringen. Danach wird das Parlament voraussichtlich aufgelöst und Neuwahlen werden ausgeschrieben werden. Die Regierungspartei wird die Popularität, die eine Folge der Unterzeichnung des Friedensvertrages sein dürfte, für sich ausnützen.

Sowjetpläne bezüglich einer japanischen Beteiligung an der Industrialisierung Sibiriens sind unterdessen scheinbar in Rauch aufgegangen. Es ist viel wahrscheinlicher, daß Japan eine Wirtschaftshilfe an China leisten wird.

Wichtig ist dabei, daß Peking die japanischen Ansprüche auf die nördlichen Inseln energisch unterstützt.

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