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Sich freiwillig selbst entscheiden

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Diese Stellungnahme befaßt sich mit einer sehr grundsätzlichen Voraussetzung für den Kirchenbeitrag, nämlich der bewußten Zugehörigkeit zur Kirche.

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Diese Stellungnahme befaßt sich mit einer sehr grundsätzlichen Voraussetzung für den Kirchenbeitrag, nämlich der bewußten Zugehörigkeit zur Kirche.

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Als Priester in einer Wiener Pfarre mit etwa 9000 Katholiken bin ich sehr viel mit dem „Unbehagen am Kirchenbeitrag“ (FURCHE Nr. 47 vom 24.11.1982) befaßt. Für ungefähr 120 Personen davon ist jedes Jahr der Kirchenbeitrag der Anlaß, aus der Kirche auszu-

treten. Rund 400 Pfarrangehöri- gen wird jährlich mit der Klage gedroht, falls sie nicht in absehbarer Zeit ihre Schulden begleichen.

Eine liebevolle Form der Einhebung, wie sie in dem genannten Beitrag gefordert wird, wäre sicher ein wichtiger Schritt zur Ver

besserung der Situation. Dies setzt aber nicht nur Beamte voraus, die mit viel Liebe und fast heiligmäßiger Geduld bei der Sache sind, sondern auch eine menschliche Überschaubarkeit des betreffenden Personenkreises. Dafür sind unsere Pfarren schon viel zu groß und durch die Zusammenfassung mehrerer Pfarren zu Kirchenbeitrags- sprengeln wurde das ganze Einhebungssystem noch unpersönlicher (ganz abgesehen von der Anwendung des Computers und den Irrtümern^ die immer wieder damit verbunden sind).

Dennoch meine ich, daß das eigentliche Problem noch viel tiefer liegt: in der Frage der freiwilligen und bewußten Zugehörigkeit zu dieser Kirche, deren finanzielle

Lasten der Kirchenbeitragszahler mittragen soll. Immer wieder höre ich bei Tauf- und anderen Elterngesprächen den Einwand: „Ich wurde ja nicht gefragt, ob ich in die Kirche aufgenommen werden will, und jetzt muß ich dafür zahlen.“ Freilich verlangen solche Eltern die Taufe auch wieder für ihr Kind; sie betonen aber gleichzeitig, daß dieses sich später selbst entscheiden muß. Im Grunde wünschen sie also nicht wirklich, daß ihr Kind in der Kirche mitlebt, der sie ja selbst fernstehen; sie wollen nur, daß ihr Kind den Glauben kennenlernt, damit es sich einmal selbst entscheiden kann.

Diese Bitte um die Glaubensunterweisung des Kindes ist also in Wirklichkeit noch gar nicht der

Wunsch nach der Taufe. Denn die Taufe als Aufnahme in eine sichtbare Glaubensgemeinschaft setzt ja den Willen zum Mitleben in dieser voraus, der zumindest in Wien bei rund 90 Prozent der Eltern, die ihr Kind zur Taufe melden, nicht gegeben ist. Daher können diese Eltern ihren Kindern auch kein entsprechendes Zeugnis geben, und es fehlt damit die Voraussetzung für die Taufe des Kindes.

Man müßte in allen diesen Fälr len an die Stelle der Kindertaufe eine Aufnahme ins Katechume- nat (mit Kindersegnung) setzen, welche auch zur Teilnahme am Religionsunterricht berechtigt. Mit anderen Worten: Die Stufen der Zugehörigkeit, die es in der frühen Kirche gegeben hat, müßten wieder eingeführt werden.

Nur jene Eltern, die so gläubig sind, daß sie sich zum Zeitpunkt der Taufe ihres Kindes als Erwachsene taufen lassen würden, wenn sie nicht bereits als Kinder getauft worden wären, könnten ihre Kinder zur Taufe bringen, weil dann die berechtigte Hoffnung besteht, daß die Kinder so in den Glauben hineinwachsen, daß sie auch aus eigenem dazu ja sagen können.

Überall dort, wo die Taufe unter ungenügenden Voraussetzungen gespendet wurde, müßte also eine Gelegenheit zum Nachholen des Versäumten geschaffen werden: eine entsprechende Zeit der Glaubensvertiefung des (jungen) Erwachsenen durch das Mitleben in einer Gemeinde, in der er den Inhalt und die Tragweite der Glaubensentscheidung kennenlernen kann und ermutigt wird, sie aus eigenem zu treffen. Nur so kann verhindert werden, daß in vielen Fällen die eigene Auseinandersetzung mit dem Glauben als mündiger Mensch nur in der Form erfolgt, daß er die Aufforderung zur Zahlung des Kirchenbeitrages erhält.

Allen, die nicht recht einsehen, warum sie überhaupt Kirchenbeitrag zahlen sollen, müßte also ein entsprechendes Erwachsenenka- techumenat als Hilfe zur eigenen Glaubensentscheidung angebo- ten werden. Diese könnte dann in einer persönlichen Tauferneuerung ihren Ausdruck finden, welche mit der anonymen jährlichen Tauferneuerung in der Osternacht nicht gleichgesetzt werden kann. Denn diese Tauferneuerung müßte als Lebensentscheidung erfolgen und so namentlich wie die Taufe eines Erwachsenen in der Gemeinde.

Aber auch bei jenen, die unter genügenden Voraussetzungen als Kinder getauft wurden, müßte die Kirche den Mut aufbringen, durch eine solche Erwachsenentauferneuerung die Schattenseiten der Kindertaufe auszugleichen. Diese ist zwar theologisch berechtigt, weil die Taufe vor allem das Geschenk der Liebe Gottes sichtbar macht. Sie bleibt aber dennoch ein Grenzfall, weil die Taufe eigentlich den Glauben — die Annahme dieses Geschenkes — voraussetzt. Daher ist die Kindertaufe nur angebracht, wenn sie von Anfang an unter dem Vorzeichen steht, den Nach Vollzug der nötigen Glaubensentscheidung zu ermöglichen. Weil der Mensch eine solche persönliche mündige Tauferneuerung erst ab einem gewissen Alter vollziehen kann, müßte die Kirche also allen, die als Kinder getauft wurden, diese ab einem entsprechenden Zeitpunkt zumuten.

Es wäre schon ein erster großer Schritt in diese Richtung, wenn die Firmung, die derzeit noch den Kindern gespendet wird (im 14. Lebensjahr ist eine mündige Lebensentscheidung noch nicht möglich), allgemein erst dem (jungen) Erwachsenen gespendet werden dürfte, und zwar auch nach einer längeren Zeit des Mitlebens in einer Gemeinde.

In Wirklichkeit ist Firmung aber noch mehr als Erwachsenentauferneuerung und sollte von dieser deutlich unterschieden werden. Sonst hätte ja die Firmung als eigenes Sakrament bei der Taufe eines Erwachsenen keinen Sinn mehr. Sie bedeutet Stärkung zur vollen Mitverantwortung in der Gemeinde und Sendung nach außen. Auf lange Sicht müßte also Tauferneuerung in einem entsprechenden Alter eingeführt werden und die Firmung wäre erst nach einer weiteren Zeit der Vertiefung angebracht.

Wenn man brennende Fragen zu Ende denkt, führen sie meistens zu weitreichenden Konsequenzen. Das Unbehagen am Kirchenbeitrag dürfte eine solche Frage sein. Sie deckt vermutlich Versäumnisse in grundlegenden Bereichen der Kirche auf und erfordert ein entsprechendes Umdenken, um das Übel an der Wurzel zu beseitigen. Aber auch hier gilt das Wort der Schrift: „Die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh 8,33).

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