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Sicherung der Arbeitsplätze nach der Art des Grafen Potemkin

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Eitel Glanz und Gloria verbreitete sich, als Bundeskanzler Bruno Kreisky vor dem sozialistischen Parteitag und dann vor dem Parlament über die wirtschaftlichen Erfolge der SP-Regierung referierte: Seit 1970 ist Österreichs Nationalprodukt um 32 Prozent gegenüber 22 Prozent im westeuropäischen Durchschnitt gewachsen, die Investitionen stiegen um 41 gegenüber 10 Prozent, die Arbeitslosigkeit beträgt 1,8 gegenüber 5,3 Prozent, die Inflationsrate machte im ersten Quartal 1978 3,8 gegenüber 5,2 Prozent aus, die österreichischen Löhne sind in die internationale Spitzenkategorie eingerückt in den Großstädten - von den Bauern spricht man lieber nicht - werden sie lediglich noch von den USA, Kanada, der Schweiz, Australien und den Niederlanden kaufkraftmäßig übertroffen.

Kein Zweifel, den Österreichern geht es gut. Dies ist nicht bloß Zahlenartistik, sondern läßt sich konkret im Alltag beobachten. An diversen Stellen bröckelt zwar bereits der Firnis ab, aber so genau darf man nicht schauen. Wer nicht selbst gerade an einer Roststelle sitzt, bemerkt nicht viel davon -und um die Betroffenen, solange sie eine Minorität darstellen, kümmert sich ein moderner Lizitationsdemo-krat nicht.

Hat also nicht die Regierung auf der ganzen ökonomischen Linie reüssiert, ist die ganze Kritisiererei von der Oppositionsbank her nicht lediglich routinemäßige Larmoyanz, welche durch die Fakten jämmerlich blamiert wird?

Sarkastisch kann SP-Klubchef Fischer dem VP-Parteichef Taus entgegenhalten: „Ist es nicht ein Phänomen für Sie, daß eine Regierung, die andauernd versagt, ständig von den Menschen bestätigt wird?.. .Die Wähler sind klüger und sensibler als Sie denken!“

Mit anderen Worten, intelligente Menschen fallen längst nicht mehr auf das Oppositonslamento hinein, ledig-, lieh Idioten stimmen noch kontra SPÖ, sind von deren ökonomischen Glanzleistungen noch nicht fasziniert, speziell von der Brillanz, wie sie das im ganzen übrigen westlichen Europa grassierende Arbeitslosenproblem von Österreich weitgehend ferngehalten hat.

Und die Vollbeschäftigungspolitik, das große Atout der SPÖ, soll auch in

Seit 1976 ist der Standt der gesamten Staatsschulden bereits höher als die Budgeteinnahmen eines Jahres. 1977 standen Einnahmen von 194,8 Milliarden Schilling einer Gesamtbundesschuld von 207 Milliarden gegenüber. Dies bedeutet, daß ein immer größezukunft fortgesetzt werden. Wer daher gegen die sozialistische Wirtschaftspolitik ist, ist in Wirklichkeit gegen die Vollbeschäftigung, möchte Bruno Kreisky hat es uns drastisch genug gesagt - die desolate Situation der dreißiger Jahre wieder herbeiführen. Die Alternative sei Vollbeschäftigung mit der SPÖ oder Massenarbeitslosigkeit mit der „Reaktion“.

Hier allerdings muß man den Bundeskanzler korrigieren: Für Vollbeschäftigungspolitik sind alle Parteien -und sie meinen es zweifellos genau so ehrlich damit wie die SPÖ. Die Frage ist lediglich die Wahl der Mittel.

Wenn wir uns die Bilanzen der scheinbar so florierenden Firma Aus-tria anschauen, dann sieht die Situation gar nicht mehr so rosig aus. Seit 1970 haben auch die Schulden einen bisher noch niemals gekannten Boom.

rer Teil der Steuergelder gar nicht mehr der Bevölkerung zugutekommt, sondern für Schuldenzahlungen verwendet werden muß. 1970 machten die Schuldenrückzahlungen, die in jenem Jahr geleistet werden mußten, insgesamt 7,6 Milliarden Schüling aus - dies waren 16,1 Prozent des Nettosteueraufkommens. Sicher eine recht respektable Summe - und die damalige neue sozialistische Regierung konnte sich nicht genug über die desolaten Staatsfinanzen alterieren, die sie hatte übernehmen müssen. Man mußte deshalb annehmen, sie würde sich um eine rasche und massive Reduktion der Staatsschuld bemühen.

Aber weit gefehlt. Trotz reichlich sprudelnder Einnahmen wuchsen die Schulden immer stärker. 1975 machten die Rückzahlungen beinahe schon 12 Milliarden Schüling aus, das sind um fast 60 Prozent mehr als 1970. Der Anteü am Netto-Steueraufkommen war auf 19,7 Prozent gewachsen.

Dann erfolgte der Konjunktureinbruch, und die Rechnung für die leichtfertige Ausgabenpolitik wurde präsentiert: 1977 machten die Rückzahlungen bereits 22,8 Milliarden Schüling oder 29,3 Prozent des Nettosteueraufkommens a/is. Die jährlichen Schuldenzahlungen haben sich seit 1970 beinahe, verdreifacht, der Anteü der Rückzahlungen am Steueraufkommen hat sich trotz explosiv gestiegener Budgeteinnahmen infolge eines brutalen Anziehens der Steuerschraube nahezu verdoppelt Was sind die Staatsfinanzen heutzutage, wenn sie bereits 1970 desolat waren?

Bei vorsichtigen Schätzungen werden wir 1980 bereits Rückzahlungen von 52,5 Müliarden Schilling - das ist mehr als ein Viertel der gesamten Budgeteinnahmen von 1977 - zu leisten haben. Wahrscheinlich wird es sogar noch mehr sein.

Ein Unternehmer, der auf diese Manier „Konjunktur machte“, hätte bereits längst Konkurs anmelden müssen und stünde wegen fahrlässiger oder sogar wegen betrügerischer Krida vor Gericht. Bei Staaten dauert das länger. Aber die Rechnung für eine derart unverantwortliche, primitivökonomische „Arbeitsplatz- und Konjunktursicherung“ ä la Graf Potemkin werden wir unter Garantie noch zahlen müssen.

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