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Sie schlafen nicht im Sarg...

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Sind sie unnütz, die Klöster, in denen die Mönche schweigen? Mittelalterlich, unmodern, überflüssig! Geschaffen höchstens für Menschen, die mit dem Leben fertig geworden sind, die nichts erreicht haben in der Welt. Solche Klöster, sagt man, sind Zufluchtsstätten für alle Enttäuschten, die von der Welt und den Menschen nichts mehr erwarten.

Im einzigen Trappistenkloster Österreichs, in Engelszell in Oberösterreich, das im Jahre 1293 gegründet wurde, leben die Mönche noch immer in der Welt der Weißen Stille.

Aus der Helligkeit des Tages tritt man durch eine schwere, gebleichte Tür, die in die „Klausur“, das Reich der Stille, hineinführt. Die langen Wandelgänge, die mit ihren Bögen Licht und Dunkel in seltsam beunruhigendem Rhythmus teilen. Die Stille der dicken Mauern. Dieser Garten mit den uralten Bäumen, wie er nur in einem Kloster so absolut unberührt, so wie im tiefsten Schlaf daliegen kann, als stünden die Bäume eine Ewigkeit hier.

P. Willibald M. Knoll, der Abt des Klosters, von dem wir bisher nicht mehr gewußt hatten, als daß dort 50.000 Liter berühmter Engelszeller Magenbitter pro Jahr erzeugt werden — nach uraltem Mönchsrezept —, erzählt uns lächelnd von den landläufigen Vorstellungen, die sich das Volk von den Trappisten macht:

„Es wird noch immer die alte Mär verbreitet, daß wir Trappisten im Sarg schlafen und täglich an unserem Grab schaufeln.

Der Mann von der Straße glaubt, wir nehmen nur menschliche Wracks auf. Die Unglücklichen, die Gebrochenen, alle die, die mit sich und der Welt nicht fertig geworden sind...“

Auch die Vorstellung vom Trappisten, der das ganze Jahr kein Wort reden darf und gleichsam als christlicher Fakir in einer kargen Zelle sein Leben fristet, ist ins Reich der Fabel zu verweisen:

„Für Krämerseelen, selbstquälerische und grüblerische Typen ist unser Stillschweigen geradezu Gift. Sie würden sich immer wieder mit denselben Gedanken abquälen und schließlich aufreiben ...“

In dieser Welt des Geredes, des Geschwätzes und des Lärms gilt das Schweigen wenig. Doch das Schweigen ist eine Kraft, ja, es hat eine heuende Kraft. Zum Schweigen gegenüber einer Beleidigung zum Beispiel gehört eine große Kraft, jedenfalls mehr als zum lauten und empörten Geschrei. Und oft wird der andere durch Schweigen mehr entwaffnet und mehr getroffen als durch eine lange, anklagende Rede. Selbst Psychologen, Ärzte und Therapeuten haben die Bedeutung des Schweigens für den heutigen Menschen wieder erkannt.

P. Knoll, der freundliche Trappi-stenabt mit den klaren Augen, der hohen Kinderstirn und dem grauen Haarkranz, nennt das Kind beim Namen: „Der Lärm ist der Feind der Stille. Auch in früheren Zeiten war der Alltag mit Geräuschen erfüllt, aber diese Geräusche hatten noch einen natürlichen Rhythmus und Klang: der Hahnenschrei am frühen Morgen, Lachen und Weinen und das Geschrei spielender Kinder, das Hämmern einer Schmiede, das Knarren der ' Räder, läutende Glocken. Der Lärm von heute ist maßlos und überlaut geworden und hört nicht auf: Schreibmaschinen, Telephone, Preßluftbohrer und Motorfahraeuge. Lärm vom frühen Morgen bis in die späte Nacht. Man kann ihn in Phon messen, und Experten haben errechnet, wieviel Phon unser Ohr verträgt, die es gerade noch auszuhalten imstande ist. Wer aber errechnet, wieviel Phon unsere Seele verträgt? Der Mensch des 20. Jahrhunderts hat das Schweigen verloren, und keine noch so geniale Erfindung oder wissenschaftliche Erkenntnis hat den Menschen so sehr verändert wie gerade dieser Verlust. Er läßt sich durch nichts ersetzen. Er hat den Menschen aus dem Gleichgewicht gebracht, denn alles Laute braucht die Stille als einen Gegenpol, und jedes Wort gewinnt seinen Wert erst, wenn es aus dem Schweigen kommt. Und dieses Schweigen in der Einsamkeit und Stille haben wir verloren ...“

Auf ein interessantes Phänomen kann der Abt hinweisen: „Uns geht es mit dem Nachwuchs weit besser als anderen Klöstern. Durchschnittlich sind es im Jahr so an die dreißig Aspiranten, die an die Klosterpforte klopfen. Die meisten gehen freilich wieder, weil sie dem Leben hinter den dicken Mauern eines Trappi-stenklosters einfach nicht gewachsen sind...“

Als Mitglieder eines beschaulichen Ordens befassen sich die Trappisten im allgemeinen nicht mit der Seelsorge. Das Hauptwerk des Tages ist das feierliche Chorgebet, das zum größten Teil gesungen wird und etwa fünf Stunden in Anspruch nimmt. Daneben wird der Lesung und dem Studium genügend Zeit gewidmet.

Der Gegenpol zu Gebet und Beschaulichkeit ist die Hausarbeit, an der alle Mönche mitwirken, denn der Mönch soll von der eigenen Hände Arbeit leben: „Was wir also brauchen, sind edle, ideal gesinnte Menschen, die Gott allein dienen wollen, sich in eine Gemeinschaft einfügen und einen gewissen, ruhigen Tagesablauf ertragen können ...“

„Und immer wieder sind es Menschen, die trotz Sozialfürsorge, trotz Geld und Gut, trotz Public Relations nicht das gefunden haben, was sie eigentlich suchen: Gott. Wer aber Gott gefunden hat, den läßt die Welt kalt. Und je strenger ein Orden ist, je mehr Nachwuchs bekommt er...“

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