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Sie sind Stätten moderner Jugendpastoral

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Von den 14 Pädagogischen Akademien Österreichs haben neben der Stiftung in Eisenstadt fünf Akademien in Wien, Krems, Graz, Linz und Zams eine Diözese als Schulerhalter. Sie werden von rund 30 Prozent aller PA-Studenten besucht

Welche Erwartungen sind es, die die Kirche so große Opfer bringen läßt wie sie mit der Errichtung und Erhaltung ihrer Pädagogischen Akademien verbunden sind, auch wenn seit 1972 sämtliche Kosten des Lehrerpersonals vom Staat getragen werden? Zur Beantwortung dieser Frage seien drei Aspekte herausgegriffen:

• Die kirchlichen Akademien sind Stätten moderner Jugendpastoral. Für die heute so schwierig gewordene Jugendarbeit stellen die Akademien eine große Adressatengruppe zur Verfügung, die täglich angesprochen werden kann und auch angesprochen wird. Die Palette der pastoralen Möglichkeiten ist umfangreich. Der charismatische Religionspädagoge führt, anknüpfend an die regulären Lehrveranstaltungen der Religionspädagogik, einzelne Studentengruppen an den Wochenenden zur Meditation zusammen und feiert mit ihnen Eucharistie. Viele Aktivitäten, für die bisher vom Laienapostolat eigene Referate aufgebaut worden sind, lassen sich in den „profanen“ Disziplinen der Akademien abdecken, wenn die zuständigen Professoren von kirchlichen Denk- und Erlebnisformen durchdrungen sind. Die Beispiele reichen von der Arbeit am kirchlichen Gesangsbuch in der Musikerziehung über die Heranbildung späterer Trainer von Sportgruppen der Katholischen Jugend in Leibeserziehung bis zum Anwerben und Aufbauen zukünftiger Lehrer als Leiter von örtlichen Bildungswerken im Gegenstand Erwachsenenbildung.

Die Lehramtskandidaten strömen in einer Altersstufe in die Akademien, die einschlägige Statistiken normalerweise mit dem Beginn der größten Distanz zur Kirche gleichsetzen. Wenn sich die kirchlichen Akademien um ein entsprechend qualifiziertes Lehrerkollegium bemühen, vermögen sie den Entfremdungsprozeß nicht nur aufzuhalten, sondern vielleicht sogar ins Gegenteil zu verkehren. In vier bis sechs Semestern erfahren die jungen Menschen, wie die zur Kirche gehörigen, oder besser: die Kirche bildenden Menschen denken, handeln, ihren Beruf verstehen und wie sich kirchlich orientierte Menschen in der Gemeinschaft finden. Sie erproben insbesondere auch die Haltung der Kirche zur gesellschaftspolitischen Realität, wenn sie die einzelnen Programmpunkte der staatstragenden Parteien im Detail an den christlichen Normen prüfen und daher annehmen oder verwerfen.

Letztlich mag dieses von doktrinärem Klubzwang befreite Denken der jungen Menschen als Beitrag zur Ver- christlichung der Öffentlichkeitsarbeit gedeutet werden. Es zielt darauf ab, das Freund-Feind-Schema, das die politische Szenerie kennzeichnet, zu paralysieren, um den Menschen in seiner Würde sehen zu lernen, die hüben und drüben dieselbe ist.

• Die kirchlichen Akademien bereiten auf den katechetischen Unterricht vor. In dem Grundsatzprogramm, das sich die Pädagogischen Akademien der Kirche erarbeitet haben heißt es: „Die kirchliche Lehrerbildung ist der Wissenschaft und damit den Sachgesetz-, lichkeiten verpflichtet Sie klammert jedoch die existenziellen Fragen nicht aus, die in Bildung und Erziehung immer mitgegeben sind.“

Sie will’ also Lehrer heranbilden, die bei der Führung des Auseinandersetzungsprozesses unserer Kinder mit der Kultur an den Grenzen des positiv Erfahrbaren nicht Halt machen, sondern bereit sind, die Sinnfrage zu stellen oder stellen zu lassen, und die ihre persönliche Antwort nicht verleugnen.

Die Gelegenheit im „profanen“ Unterricht bietet sich häufiger, als der Skeptiker vermuten möchte. Es wären reizvolle Untersuchungen, empirisch nachzuweisen, wie oft weltanschaulich geprägte Denkformen den Unterricht bestimmen und Bilder und Vergleiche dem Arsenal dės Lebenshintergrundes oder der Weltanschauung entnommen werden können. - Groteskerweise sind sich andere Weltanschauungsgruppen des „hidden curriculum“, des geheimen Lehrplanes, heute viel besser bewußt als manche Krise innerhalb der Kirche.

Das katechetische Argument zur Gründung der kirchlichen Pädagogischen Akademien ist von der Überzeugung getragen, daß die Fähigkeit zum Hören der Heilsbotschaft entfaltet und geschult werden muß wie beispielsweise die Erlebnisfähigkeit auf jedwedem Kulturgebiet sonst. Daß sich dies nicht nur im eigentlichen Religionsunterricht, sondern ganz wesentlich auch in der Begegnung mit der geschaffenen Welt der Menschen und Dinge ereignen soll, ist in gleicher Weise evident wie die Überzeugung von der freiwilligen Entscheidung des Studierenden an der Akademie und seiner späteren Schüler.

• Die kirchlichen Akademien verstehen sich als pädagogische Dienstleistungsbetriebe. Ohne es vielleicht in aller Bewußtheit anzustreben, ist die Kirche mit der Gründung ihrer Akademien in verstärktem Maße zum Mäzen der „freien“ Schule geworden, deren gesellschaftspolitische Bedeutung im gegenwärtigen Zeitpunkt der österreichischen Schulentwicklung nicht gering ist. In einem vorwiegend zentralistisch gesteuerten Schulsystem gibt es noch wenig Raum für das, was in der internationalen Reformdiskussion mit „schulnaher Curriculumentwicklung“ bezeichnet wird.

Die in das letzte Viertel des 20. Jahrhunderts eingetretene österreichische Schule wird sich mehr als bisher als Dienstleistungsbetrieb verstehen müssen. Der privaten Schule sollte gestattet werden, dieses Selbstverständnis zu kultivieren, denn das Strukturmerkmal der ständigen Rückkoppelung an die Vorstellungen der Elternschaft (als den „Konsumenten“) von der zeitgemäßen Schule wäre ihr wesensgemäßes Bauprinzip. Die staatliche Schulverwaltung täte gut daran, ihr den Freiraum zum Experiment zuzugestehen. Sie könnte in pädagogisches Neuland vorstoßen, ohne daß der Staat das Risiko tragen müßte. Sie würde ihrerseits aber vorsichtig genug sein, das Angebot an der Nachfrage zu orientieren; arbeitet sie an den Interessen ihrer Partner vorbei, riskiert sie ihre Existenz.

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