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Sieben Todsünden der Unternehmer

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Um die Verantwortung der Führungskräfte geht es in beiden Beiträgen: Im ersten kommt die Antwort aus der Sicht des Theoretikers. Der zweite enthält das Plädoyer eines Managers.

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Um die Verantwortung der Führungskräfte geht es in beiden Beiträgen: Im ersten kommt die Antwort aus der Sicht des Theoretikers. Der zweite enthält das Plädoyer eines Managers.

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In unserer Zeit der Struktur-und Leistungsbilanzprobleme, der immer häufigeren Konkurse und der Korruption stellt sich die Frage nach der volkswirtschaftlichen Verantwortung der Führungskräfte auch für diejenigen, die die Ursachen der Wirtschafts-t Probleme tiefer sehen als in Managementfehlern und Reitställen.

Die volkswirtschaftliche Theorie hat sich mit diesen Problemen nur unzureichend beschäftigt, weil im klassischen wie im marxistischen Modell der Unternehmer kaum Entscheidungsspielraum hat; er ist letztlich Vollzugsorgan der Marktkräfte.

Erst die Berücksichtigung von Machtphänomenen im nationalökonomischen Denken und das Verständnis des Wettbewerbs als Phänomen des Marktverhaltens, nämlich als Suchprozeß nach neuen Produkten, nach neuen Produktionsverfahren, neuen Märkten und neuen Vertriebsformen hat die Voraussetzungen für ein neues Verständnis der volkswirtschaftlichen Verantwortung des Unternehmers geschaffen.

Es ist unter diesen neuen Voraussetzungen sehr wohl möglich, daß betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Überlegungen unterschiedliche Entscheidungen erfordern, der Unternehmer also in einen Konflikt gerät. Grundsätzlich ist es Aufgabe der Wirtschaftsordnung und der Wirtschaftspolitik, Ziel und Umfang dieser Konflikte tunlichst zu minimieren.

Die volkswirtschaftliche Verantwortung der Unternehmer gipfelt in der Vermeidung von Verhaltensweisen, die hier als die sieben Todsünden der Unternehmer bezeichnet werden sollen, drei auf gesellschaftspolitischem Gebiet, vier im betrieblichen Bereich.

Bei den drei Todsünden im gesellschaftlichen Bereich geht es um Sünden, die eine stabile und funktionsfähige Wirtschaftsord-nunge langfristig unterminieren: • Das Arrangement mit einem ziellosen überdimensionierten Interventionismus bedeutet die Unterminierung der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung durch ein . bloßes Lippenbekenntnis zur Marktwirtschaft und zum Wettbewerb bei gleichzeitiger Durchsetzung nichtmarktwirtschaftlicher Forderungen, Begünstigung und Ausnahmen für den eigenen Betrieb.

• Die Sozialisierung des Risikos unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Anspruches auf Gewinn durch Forderung staatlicher Haftungen und Garantien bedeutet eine Aufgabe der unternehmerischen Funktion um kurzfristiger Vorteile willen.

• Das Verharren im Absolutismus des Chefs hinter Polstertüren und die Leugnung jeder Mitent-scheidungs- und Mitbestimmungskompetenz anderer bedeutet, daß die Unternehmer wichtige gesellschaftliche Änderungen passiv hinnehmen und letztlich erdulden müssen, ohne an ihrer Gestaltung mitwirken zu können.

Die vier Todsünden im betrieblichen Bereich unterminieren die Grundlagen der Marktwirtschaft und der Konkurrenzfähigkeit Österreichs durch nicht genügend zukunftsorientierte Führung der Betriebe, durch zu viel „verwalten" anstelle von „unternehmen":

• Der Glaube der Führungskräfte an die eigene Allwissenheit verhindert die Entstehung von Teams, die allein die komplexen Aufgaben lösen können, denen sich die Betriebe unter den heute schwierigen Voraussetzungen gegenübersehen.

• Der Glaube an die eigene Unfehlbarkeit hindert die rechtzeitige Heranbüdung von Nachfolgern, und die ungenügende Regelung der Führung des Betriebes durch die Erben führt zum Entscheidungsnotstand und häufig zum Untergang des Unternehmens.

• Die Vernachlässigung organisatorischer Probleme, insbesondere zu starre, zu zentralistische, zu funktionale Betriebsordnung mit zu wenig Entscheidungsdelegation behindert die Flexibilität und Anpassungsbereitschaft von Unternehmungen gerade in kritischen Phasen.

• Zu wenig intensives Ringen um eine moderne Produktpalette und eine moderne Produktionstechnik mögen zwar kurzfristig nicht fühlbar werden, gefährden aber die Zukunft der Betriebe und damit langfristig die Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft.

Die volkswirtschaftliche Verantwortung der Unternehmer im gesellschaftlichen Bereich besteht also darin, ein funktionierendes Wirtschaftssystem zu sichern, im betrieblichen Bereich für gute und dynamische Betriebe und damit für eine in der Gegenwart und vor allem in der Zukunft leistungsfähige Wirtschaft Österreichs zu sorgen.

Keine Verantwortung trägt der Unternehmer hingegen für Beschäftigung und Regionalprobleme, sof erne er die sieben Todsünden vermeidet..

Die grundsätzliche Arbeitsteilung zwischen Wirtschaftspolitik und unternehmerischer Verantwortung darf nicht vermischt werden: Unternehmerisches Verantwortungsbewußtsein kann schlechte Wirtschaftspolitik nicht ersetzen, gute Wirtschaftspolitik allein aber wäre zu wenig; sie muß durch unternehmerisches Verantwortungsbewußtsein ergänzt werden.

Beide Beiträge sind Auszüge aus Vorträgen, die am 13. März 1982 im Rahmen eines Symposiums des „Wirtschaftsforums der Führungskräfte" in Graz gehalten worden sind. Dr. Günther Tichy ist Professor für Volkswirtschaft an der Universität Graz.

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