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Sieg für den Frieden?
Auf Machtteilung, nicht aufi Machtübergabe waren die Sandinisten eingestellt. Nach dem Oppositionserfolg bei den Wahlen in Nikaragua stehen die Signale eher auf Konfrontation.
Auf Machtteilung, nicht aufi Machtübergabe waren die Sandinisten eingestellt. Nach dem Oppositionserfolg bei den Wahlen in Nikaragua stehen die Signale eher auf Konfrontation.
PLI, PLC, PAN, PDC, Pali, MDN, PSN, PCdeN, PAPC, PSD - das sind die Acronyme für einige jener Parteien, die zur UNO (Union Nacio-nal Opositora) vereint, bei den Wahlen in Nikaragua Ende Februar mit 55 Prozent die absolute Mehrheit gewonnen haben. Hinter den Abkürzungen verbergen sich kommunistische Parteien ebenso wie sozialistische, liberale, konservative und Contra-Vertreter. Nichts einte sie als der Protest gegen die Herrschaft der Sandinisten und der Druck der USA, die den Zusammenschluß der zersplitterten Opposition zum Sturz der Sandinisten wünschte und finanzierte.
Aber bereits vor den Wahlen bröckelte die zunächst weit mehr als ein Dutzend Parteien umfassende Gruppe ab, sodaß neben UNO und den Sandinisten noch die Parteien PCDN, PSC, MUP, PRT, MAP-ML, Punc, Puca und PLIUN bei diesen international bestbewachten Wahlen (Österreich war nicht nur mit einer UN-Delegation, sondern auch mit Vertretern der Parteienkonföderationen vertreten) kandidierten.
Dennoch genügte die Lage in Nikaragua für den Sieg des UNO-Bündnisses: Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit vierstelliger Inflation und die Regierungsarroganz in einem Land, das unter dem Druck der von den USA herangezogenen Contra immer mehr Mittel für die Aufrüstung einsetzen mußte, das Zwangsrekrutierungen ver-anlaßte und auch den Polizeiapparat ausweitete, um die Contra unter Kontrolle zu halten.
Daß so auch Angst vor dem ursprünglich bejubelten revolutionären Regime entstand, zeigen die vielen irreführenden Meinungsumfragen, die den absoluten Sieg der Sandinisten vorhersagten. Nur der kleine Gallup-Ableger in Kostarika erfaßte den Trend richtig und prognostizierte einen deutlichen Vorsprung für UNO. Offenbar erhielten die kostarikanischen Umfrager ehrlichere Antworten als die aus Nikaragua selber kommenden Frager der großen US-Institute, denen man aus Angst vor möglichen Folgen sandinistenfreundlich erscheinen wollte.
Trotz der Unzufriedenheit, der Angst und dem wachsenden internationalen Anti-Links-Sentiment war der Wahlsieg der UNO - der so leicht darüber hinwegsehen läßt, daß die Sandinisten mit 41 Prozent noch immer die stimmenstärkste Partei im Lande sind -, nur mit der Galionsfigur Violeta Barrio de Chamorro, der Witwe des 1978 ermordeten Chefs von „La Prensa" (die gegen Somoza schrieb), möglich. Das seinerzeitige Attentat der Somoza-Schergen war der Auslöser für die Volkserhebung gegen die Diktatur. „Dona Violeta" war bis zu ihrem Bruch mit den sandinisti-schen „muchachos" selber Mitglied der Revolutionsjunta. Später verboten ihr die Sandinisten mehr als ein Jahr lang das Erscheinen von „La Prensa", sodaß sie antisandi-nistische Heroine wurde.
Daniel Ortega Saavedra, der bereits Ende April die Präsidentschaft an Violeta Chamorro abgeben muß, sicherte Zusammenarbeit beim Übergang zu. Dona Violeta nannte als ihr höchstes Anliegen die nationale Aussöhnung. Beide verlangen die sofortige Entwaffnung der Contra in Honduras und die Repatriierung. Eine Kommission wurde ernannt, welche die Modalitäten der Machtübergabe ausarbeiten soll.
Tatsächlich war jedoch keine der beiden Seiten auf einen derart dramatischen Machtwechsel vorbereitet. Die bunte UNO-Gruppe ist weder ideologisch noch personell in der Lage, eine so starke Regierung zu stellen, daß sie konstruktiv mit einem Staatsapparat umgehen könnte, der sandinistisch besetzt ist. Die künftige Präsidentin verfügt in keiner der Bündnisparteien über eine solide Machtbasis. Bei den Sandinisten hatte man die Machtteilung ins Auge gefaßt, aber nicht die Machtübergabe. Darüber muß zwischen Radikalen und Gemäßigten überhaupt erst geredet werden.
Außerordentliche Kompromißbereitschaft auf nationaler und internationaler Ebene wäre notwendig, damit die Öffnung des Landes ohne den Verlust der sozialen Errungenschaften der Revolution (etwa die Landreform, die ja kaum mit der Wahlkampf-Zusicherung Chamor-ros in Einklang zu bringen ist, enteignetes Land wieder zurückzugeben) erfolgen kann. Aber schon lassen die Radikalen bei den Sandinisten wissen, daß sie gar nicht daran denken, die Macht in Armee und Polizei zu teilen. Aber schon läßt die Contra wissen, daß sie gar nicht daran denkt, die Waffen abzulegen.Ob Washington tatsächlich, wie angekündigt, diesbezüglich Druck auf die Contra ausüben wird, bleibt ebenso abzuwarten, wie der Umfang der angekündigten Wirtschaftshilfe.
Ob die absolute Mehrheit für das so uneinheitliche Oppositionsbündnis in Nikaragua ein Sieg für den Frieden in der Region ist - mit der Abwahl der Sandinisten verliert ja auch die Guerilla in El Salvador den mächtigsten Freund -, oder ob sie nicht just die Weichen für neuerliche jahrelange blutige Auseinandersetzungen in Mittelamerika gestellt hat, werden erst die kommenden Wochen und Monate zeigen.
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