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Siegeszug eines Stückes

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In letzter Zeit haben Regisseure, die durch eigenwillige Inszenierungen auf sich aufmerksam machten, unter Ibsens Stücken den Vierakter „Hedda Gabler“ auffallend bevorzugt.

Hedda Gabler wurde zur Zeit der Jahrhundertwende als die häßlichste und abschreckendste von Ibsens Gestalten, ja als Monstrum bezeichnet. Sie verbrennt das neue Werk des genialischen, aber haltlosen Lövborg, den sie geliebt hat. Sie verbrennt das Manuskript, obwohl es keine Abschrift gibt, obwohl der zu erwartende Erfolg ihm endlich Halt geben könnte. Sie tut es auch aus Neid auf ihre einstige Institutskameradin Elvsted, die ihn hebt und mit ihm an seinem Buch arbeitete. Diese erschreckende Reaktion geht völlig aus Heddas Charakter hervor. Sie ist eine extrem egoistische Natur, zeigt sich als kontaktunfähig, vermag nicht zu heben, haßt ihre werdende Mutterschaft, besitzt keinerlei Fähigkeiten, ist ganz und gar innere Leere, stellt aber als Generalstochter, unzufrieden in ihrer Ehe mit dem „Fachmann“ Tesman, unerfüllbare Ansprüche an das Leben.

Gewiß ist Heddas Verhaftetsein an ein gesellschaftliches Standesbewußtsein und die dazugehörigen Allüren, ist ihr erziehungsbedingtes Unvermögen, auszubrechen, durch die Wandlungen unseres Jahrhunderts veraltet, aber gerade das Abscheuliche ihres Verhaltens verbindet sie mit unserer Zeit der täglichen Greuel. Hieß es seinerzeit dieses Stück habe wegen Heddas Charakter kein Recht auf die deutsche Bühne, so sagen sich nun die Regisseure: Heute erst recht.

Peter Palitzsch erklärt, jene Regisseure zu bewundern, die ihre eigenen Ideen in einem Stück inszenieren und nicht die des Dichters. Er aber könne das nicht. Nun, Stücke umzufunktio-

nieren hat nur dann Sinn, wenn etwas entsteht, das sich an Gehalt dem des Stücks überlegen erweist. Das ist aber kaum je der Fall. So kann man es begrüßen, daß Palitzsch nicht umzufunktionieren vermag und es auch tatsächlich nicht tat. Das gilt auch für die von Heiner Gimmler und Palitzsch besorgte neue Übertragung und Einrichtung.

Das „geräumige Gesellschaftszimmer“, das Bühnenbildner Karl Kneidl eingerichtet hat ist auf der breiten Bühne mit viel zu vielen Polstermöbeln angeräumt, infolgedessen unterhalten sich die Darsteller oft in erheblichem Abstand voneinander, was der Situation nicht immer entspricht

Mit der Besetzung der Titelrolle hatte Palitzsch Glück: Erika Pluhar bietet als Hedda durchaus verhalten den Stolz, die Kälte, das Feige, schließlich aber auch das Überhitzte dieser Gestalt. Daß man, entgegen der Ibsen-schen Anweisung, sieht, wie sie sich erschießt, hätte sich der Regisseur ersparen können. Joachim Bißmeier ist als Tesman ganz der überaus gutmütige Durchschnittsmensch, der sich unermüdlich um Hedda bemüht, sie aber in nichts versteht. Die schlichte, warmherzige Elvsted gibt Maresa Hörbiger völlig falsch als exaltiert hysterische Gans. Den Brack zeichnet Frank Hoffmann als sehr beherrschten, energischen Menschen, die Gestalt ist komplexer, besonders das leicht Schmierige fehlt Lövborg müßte üi seinem Genialischen, in seiner Verkommenheit faszinieren, statt dessen wirkt Ernst Jacobi optisch fast grotesk und spricht vorwiegend behutsam leise. Nicht alle Besetzungen sind deckend. Bei Hilde Wagener als herzensgute Tante Juli, bei Lilly Ste-panek als Berte stimmt dagegen alles.

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