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Siegt Goliath?

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Die lange Geschichte der Wirt- schaftsblockaden zeigt, daß sie eine zweischneidige Waffe der Politik sind. Entweder führen sie schnell zum angestrebten Ziel oder sie scheitern, weil Drittländer das Embargo bewußt unterlaufen.

Im Fall Litauens kann die So- wjetunion wohl eher einen Erfolg verbuchen. Innerhalb weniger Wo- chen wurde die aufmüpfige Balten- republik zum Einlenken gezwun- gen. Leere Geschäftsregale und Tankstellen sowie das drohende Ge- spenst einer Massenarbeitslosigkeit haben der Regierung in Vilnius klar- gemacht, daß David ohne Hilfe von außen gegen Goliath nicht gewin- nen kann.

Nicht immer war Moskaus Poli- tik so erfolgreich. Man erinnere sich nur an die Hungerblockade Ber- lins 1948/1949. Stalin wollte da- mals im Zuge des immer schärfer werdenden Kalten Krieges die Westmächte aus der Stadt verdrän- gen. Diese reagierten aber mit einer beispiellosen Luftbrücke, um die Berliner mit Lebensmitteln zu ver- sorgen.

Auch die USA griffen gerne und oft zu Wirtschaftssanktionen, um mißliebige Regierungen unter Druck zu setzen. Ebenfalls mit wechselndem Erfolg. Die Blockade Kubas hatte - dank massiver Un- terstützung durch die Sowjetunion - keine wesentlichen Auswirkungen auf den Kurs und die Politik Fidel Castros. Andererseits ließ ein To- talembargo Präsident Reagans 1985 das auf marxistischen Kurs umge- schwenkte Nikaragua in ein wirt- schaftliches Desaster schlittern. Die USA haben damit wesentlich zum kürzlich erfolgten Machtwechsel in diesem mittelamerikanischen Land beigetragen.

Der Sowjetunion gegenüber ver- folgte Reagan eine Doppelstrate- gie. Im April 1981 hob er noch das Ausfuhrverbot für Getreide in die Sowjetunion auf, das Vorgänger Jimmy Carter wegen der Afghani- staninvasion verhängt hatte. West- europäische und lateinamerika- nische Getreideexporteure hatten inzwischen den amerikanischen Lieferstopp wettgemacht.

Nur wenige Monate später ver- hängte das Weiße Haus erneut Sanktionen gegenüber der Sowjet- union. Wegen der Ausrufung des Kriegsrechts in Polen wollte Rea- gan den großen Bruder in Moskau „ bestrafen". Er verbot jegliche Aus- fuhr von amerikanischen Röhren und die technische Unterstützung zur Förderung von Erdöl und Erd- gas in Sibirien. Das Verbot erstreck- te sich sogar auf Firmenfilialen au- ßerhalb der USA. Aber schon im Februar 1982 fiel dieses Embargo. Kaum ein westliches Industrieland hatte sich ernstlich um die ameri- kanische Sanktionspolitik geküm- mert.

Mehr Erfolg hatten die Vereinig- ten Staaten mit ihrem jahrelangen Handelsembargo gegen den Iran und Libyen, das Washington we- gen der zahlreichen Terroranschlä- ge gegen US-Staatsbürger verhängt hatte.

Gegenüber Südafrika war es vor allem der Druck der öffentlichen Meinung in den USA und Westeu- ropa, der ein Einfrieren der Wirt- schaftsbeziehungen gegen den Wil- len des amerikanischen Präsiden- ten bewirkte. Obgleich diese Sank- tionspolitik die Ausfuhr wichtiger südafrikanischer Bodenschätze wie Gold und Diamanten ausklammer- te, leidet die Wirtschaft am Kap nach wie vor an fehlenden Investi- tionen aus den westlichen Indu- strieländern. Dieser wirtschaftliche Druck zwang seit Ende 1989 letzt- lich die Regierung in Pretoria zu einem liberaleren Kurswechsel gegenüber der schwarzen Bevölke- rungsmehrheit.

Der Boykott Litauens durch Moskau ist in der Geschichte der Wirtschaftsblockaden eher ein Son- derfall : Zum einen spielt sich dieses Embargo innerhalb eines Landes ab (3,8 Millionen Litauer stehen 289 Millionen Einwohnern der rest- lichen UdSSR gegenüber). Zum an- deren ist die Abhängigkeit der boy- kottierten Baltenrepublik beinahe vollkommen.

Vergleichbar wäre die Situation Litauens noch mit dem Totalem- bargo der südafrikanischen Regie- rung 1985 gegenüber dem schwar- zen Homeland Lesotho. Durch die Sperre aller lebensnotwendigen Verbindungen würgte Pretoria innerhalb weniger Wochen die Unabhängigkeitsgelüste ab.

Ein David-Goliath-Verhältnis herrschte auch in der Auseinander- setzung zwischen Panama und den USA. Panamas General Noriega konnte sich trotz massiver ameri- kanischer Blockade behaupten. Der Kanalstaat war trotz seiner Klein- heit wirtschaftlich von den USA nicht so abhängig wie Litauen von der Sowjetunion.

Michail Gorbatschow hat die totale Abhängigkeit Litauens je- denfalls wirksam ausgespielt und die unruhige Republik zur Kom- promißbereitschaft gezwungen. Keine rettenden Hilfslieferungen aus dem Ausland haben die leeren Regale und Öltanks des Landes gefüllt.

Durch die Vermittlungsangebote aus Bonn und Paris können beide Seiten zwar das Gesicht wahren. Litauens Unabhängigkeitswille. wird jedoch noch auf eine harte Probe gestellt werden.

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