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Signale der Brüderlichkeit

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Ende der sechziger Jahre galt die Steiermark als die unruhigste Diözese Österreichs. Jetzt, etwas mehr als ein Jahrzehnt später, rüsten die Steirer zum ersten diözesanen Katholikentag in Österreich nach dem Einschnitt des Konzils, zum ersten Steirischen Katholikentag seit 31 Jahren.

Nach drei Jahren intensiver Vorbereitung soll dieser Katholikentag ein Fest werden, ein Fest der Brüderlichkeit: Ein hoher Anspruch, der während der Veranstaltungen vom 26. bis 28. Juni in Graz vor aller Öffentlichkeit auf Herz und Nieren geprüft wird.

Den Anstoß zu diesem Katholikentag gab vor drei Jahren Bischof Johann Weber, der in der Folge nachdrücklich auf das Gespräch drängte, auch auf das Gespräch über den Zaun, der zu einer neuen Brüderlichkeit durch die Gemeinschaft in Christus mahnte und in der Erneuerung des Sonntags einen besonderen Schwerpunkt für die Vorbereitungszeit des „steirischen Festes“ sah.

Durch vielfältige Initiativen im ganzen Land wuchsen diesen Ideen allmählich Konturen und Gestalt zu: In der „lebendigen Analyse“ wurden alle Pfarrgemeinden und katholischen Gruppierungen ermuntert, sich den Menschen der Umgebung mit all ihren Freuden, Leiden und Hoffnungen zuzuwenden. In zahlreichen Orten versuchte man unter dem Motto des „Gesprächs über den Zaun“ Kontakte mit Andersdenkenden, und der Aufruf, in jeder Pfarrgemeinde solle mindestens eine apostolische Gruppe wirken, führte zu

einer Intensivierung des kirchlichen Gruppenlebens. Zur theoretischen Reflexion wurde ein breites Meinungsspektrum von Karl Rahner bis Manės Sperber aufgeboten.

spräch und der geistigen Auseinandersetzunggewidmet. In 14 Forum-Veran- staltungen in den größten Sälen von Graz wird über verschiedene Aspekte der Brüderlichkeit diskutiert: In der Arbeitswelt, in der Politik, in den Familien, in der Ökumene. Probleme der alten und neuen Armut kommen zur Sprache, Literaten lesen Texte zur Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit, die Frage nach der Frau in der Kirche wird gestellt, einen besonderen Schwerpunkt bildet der Friede als Inbegriff menschlicher Hoffnung. In diesen Forum-Veranstaltungen sprechen neben landesbekannten steirischen Diskutanten markante Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland.

Am Nachmittag des Samstag werden die Plätze der Grazer Innenstadt zum Schauplatz eines großen, landesweiten Festes der Brüderlichkeit, in dessen Verlauf zahllose Musik- und Tanzensembles, Chöre, Werkskapellen, Laienspieler, Kabarett-Gruppen, Liedermacher und Jazzbands aus allen Teilen der grünen Mark auftreten.

Das Collegium Pro Musica Sacra aus Agram symbolisiert die besonderen Beziehungen zwischen der Steiermark und Kroatien, ein Studentenchor aus Warschau überbringt Grüße aus Polen, eine Folkloregruppe aus dem süditalienischen Erdbebengebiet verdolmetscht den Dank für die rasche Hilfe aus Österreich, eine koreanische Tanzgruppe entbietet die Wünsche der steirischen Partner-Diözese Masan in Südkorea, die Corrymeela-Singers aus Belfast kommen als Frucht der steirischen

Bei diesen Gelegenheiten offenbarte sich eine nachdrückliche Sehnsucht vieler Katholiken nach Gemeinschaft und Gemeinschaftserlebnis, die nach den Verunsicherungen der nachkonziliaren Zeit verständlich ist, aber auch Gefahren in Richtung einer neuen Selbstgenügsamkeit andeuten könnte. Deutliche ökumenische Signale, die schon während der Vorbereitungszeit im Zusammenhang mit dem evangelischen Toleranzjubiläum gesetzt wurden, und Zeichen internationaler Solidarität sollen mithelfen, diese Entwicklung zu steuern.

In diesem Sinn soll schon die Eröffnungsfeier des steirischen Katholikentages am Abend des 26. Juni einen deutlichen Akzent setzen: Nach Grußworten der Politiker sowie nach einer Ansprache des evangelischen Superintendenten Knall hält nicht der steirische Diözesanbischof, sondern der Vorsitzende der brasilianischen Bischofskonferenz, Jose Ivo Lorscheiter, die Festrede.

Der Samstagvormittag ist dem Ge

Bemühungen in diesem Raum, die Studenten aus der Dritten Welt werden durch ein nigerianisches Rhythmus-Ensemble vertreten.

Parallel dazu findet ein Stadtfest der

Kinder und ein solches der Jugend statt: Gesprächsgruppen junger Leute, Filme, Dias, Theater, ein „Hyde-Park- Corner“ ergänzen dieses Programm (das 124 Seiten des Programmheftes benötigt und das der junge, dynamische Generalsekretär des Katholikentages, Josef Wilhelm, mit einem winzigen Organisationsstab vorbereitet hat.

Jede Gruppe, die am „Fest der Brüderlichkeit“ mitwirkt, bringt Gastgaben mit - von Rumpelnudeln und Blattl- krapfen bis zu Verhackertbroten -, die Dekanate werden außerdem Erinnerungsgeschenke auf den Straßen verteilen.

Der Samstagabend ist Meditationen und Bußandachten in Grazer Kirchen sowie dem abschließenden großen Abendgebet der Jugend im Landhaushof Vorbehalten. Schon während des Tages wird es viele Möglichkeiten zur

Anbetung und Andacht geben, Gottesdienste werden den ganzen Samstag über in den Kirchen der Innenstadt gefeiert, geistliche Zentren dienen der persönlichen Begegnung, Beichte und Glaubensgesprächen, eine „Schule des Gebets“ und eine „Zone des Schweigens" werden vorbereitet. Konzerte, Ausstellungen, FilmaufFührungen in Grazer Kinos sowie Informationsstände aller Art zählen zum Rahmenprogramm.

Mit dem Festgottesdienst im Grazer Stadtpark, den. Bischof Johann Weber am Sonntag zelebrieren wird, ist der Höhepunkt des Steirischen Katholikentages erreicht, der auf einen neuen Aufbruch abzielt: .Evangelisierung lautet Für die kommenden Jahre die Parole im steirischen Land, in dem sich durch aufwühlende Ereignisse der Vergangenheit die Jahresringe der Entchristlichung besonders tief eingegraben haben.

Der Autor ist Chefredakteur der „Kleinen Zeitung" und stellvertretender Vorsitzender des steirischen Diözesantagcs.

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