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Sind Prügel zeitgema

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Die Prügelstrafe ist in unseren Breitegraden längst gesellschaftlich geächtet. Auch die Polizei sollte jetzt über Alternativen zum Schlagstock nachdenken.

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Die Prügelstrafe ist in unseren Breitegraden längst gesellschaftlich geächtet. Auch die Polizei sollte jetzt über Alternativen zum Schlagstock nachdenken.

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Von allen Vorgängen um das geplante Donaukraftwerk bei Hainburg hat die Art des Vorgehens der Exekutive gegen die „Aubesetzer” oder „Auschützer” die leidenschaftlichsten Diskussionen ausgelöst.

Ob man es mit dem niederösterreichischen Sicherheitsdirektor Emil Schüller hält, der dieses „Vorgehen” (etwas euphemistisch) als „Aufnahme von Körperkontakten” bezeichnete, oder mit jenen, die die Vorfälle des 19. Dezember 1984 als „Prügelorgie” qualifizierten, wird weitgehend Sache persönlicher Präferenzen sein.

Unbestritten ist, daß Innenminister Karl Blecha „bewaffneten Einsatz” der Exekutive am 19. Dezember in der Au anordnete und daß bei diesem Einsatz dann tatsächlich vom Gummiknüppel Gebrauch gemacht wurde.

Die bisherige Diskussion über den Au-Einsatz kreiste um die Frage, ob dieser „bewaffnete Einsatz” notwendig, sinnvoll oder unangebracht war und ob die Sicherheitsbeamten vielleicht des „Guten” zuviel getan haben. Die grundsätzliche Frage wurde jedoch bisher nicht aufgeworfen: Soll der Staat überhaupt das gesetzliche Recht haben, seine Bürger durch Exekutivbeamte prügeln zu lassen?

Man kann nämlich durchaus auch die Meinung vertreten, daß diese — fast mittelalterlich anmutende — Praxis des Prügeins einer demokratischen Gesellschaft im ausgehenden 20. Jahrhundert einfach unwürdig ist. Sie scheint weder als Sanktion noch als Prophylaxe akzeptabel.

Die Prügelstrafe ist Gott sei Dank in den Schulen schon seit langem abgeschafft. Männer, die ihre Frauen prügeln, werden richtigerweise gesellschaftlich an den Pranger gestellt. Eltern, die ihren Kindern Prügel als „Erziehungsmittel” verabreichen, werden angezeigt. Und wer sein Pferd oder seinen Hund mit einem Prügel traktiert, muß mit einer saftigen Geldstrafe rechnen.

Das Prügeln von Mensch oder Tier wird also heute zu Recht von der Gesellschaft geächtet. Ausgerechnet der Staat sollte jedoch weiterhin das Recht haben, unbotmäßige Bürger zu prügeln?

Was am 19. Dezember in der Au geschah, war für alle Beteiligten — einschließlich der Exekutive — in höchstem Maße unerfreulich und hat in der Gesellschaft unseres Landes tiefgreifende Spuren hinterlassen.

Viele, die das „Aufnehmen von Körperkontakten” am eigenen Leib verspüren mußten oder die an Ort und Stelle beziehungsweise via Bildschirm Zeugen davon wurden, empfanden das Einschlagen der Sicherheitsbeamten auf wehrlose Bürger als Trauma.

Gewiß: der Knüppel-Einsatz war legal und anbefohlen. Doch gerade das macht ihn nur noch schlimmer.

Dazu kam, daß der Polizeieinsatz Mitbürgern galt, die alles andere als Kriminelle oder rabiate Randalierer waren. Geprügelt wurden honorige Personen und idealistisch gesinnte junge Menschen, die sich eine Verwaltungsübertretung (Verletzung des Aufenthaltsverbots in der Au) zuschulden kommen ließen.

Eine Räumung der Au wurde trotz des Einsatzes von Gummiknüppeln nicht erreicht. Im Gegenteil: er bewirkte, daß sich noch weit mehr Menschen als zuvor mit den „Auschützern” solidarisierten und an den folgenden Tagen in die Au strömten.

Es soll nicht in Abrede gestellt werden, daß es Fälle geben wird, in denen sich die Polizei — im Gegensatz zu den Geschehnissen in der Au - mit dem Knüppel in der Hand besser durchsetzen wird als „unbewaffnet”.

Eltern, die ihre Kinder schlagen, werden häufig — zumindest fürdenAugenblick-leichter ihren Willen durchsetzen als Eltern, die ihre Kinder gewaltfrei erziehen. Doch sollte dies in einer humanen Gesellschaft nicht das ausschlaggebende Kriterium sein.

Die Achtung der Menschenwürde und des Rechtes auf körperliche Unversehrtheit der Bürger auch und gerade durch den Staat müßte allemal noch mehr Gewicht haben.

Wenn hier für die endgültige Verbannung des Knüppels aus dem Instrumentarium der Exekutive plädiert wird, dann stellt sich automatisch die Frage, was diese „Waffe” wirksam ersetzen könnte. Hier kann allerdings mit keinen Vorschlägen aufgewartet werden. Doch das Vertrauen in den menschlichen Erfindungsgeist läßt an die Ersetzbarkeit des Schlagstockes glauben.

Schließlich hat man es dem Einfallsreichtum der Eltern überlassen, wie sie ihre Kinder ohne Prügel „zur Räson bringen” können. Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist von der Exekutive zu verlangen.

Vielleicht wird man für unbewaffnete Einsätze der Exekutive mehr Beamte brauchen als für bewaffnete. Doch das dafür benötigte Geld ist staatspolitisch sicher besser in Menschen als in Knüppel investiert.

Der Autor ist Chef vom Dienst der Katholischen Presseagentur „Kathpress” in Wien.

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